Bis in die Kindergartenzeit hinein sind Kinder völlig egoistisch. Teilen sei auch im Tierreich verpönt, sagen Evolutionsbiologen.
Sie unterscheiden nicht zwischen «dein» und «mein». Die Welt der kleinen Raffzähne ist noch ein einziges grosses «Ich». Einen Sinn für gerechtes Teilen entwickeln sie erst mit sieben, acht Jahren, haben Forscher um Professor Ernst Fehr an der Uni Zürich herausgefunden.
In einem Experiment bekamen Kinder unterschiedlicher Altersstufen Süssigkeiten und hatten zu entscheiden, wem sie etwas abgeben wollten und wem nicht. Fast alle Drei- bis Vierjährigen behielten alles für sich. Im Alter von fünf bis sechs war immerhin ein Fünftel bereit, mit anderen zu teilen.
Und plötzlich entwickeln sie Gerechtigkeitsgefühle
Erst mit sieben bis acht Jahren teilte fast die Hälfte gerecht. Die Kinder in diesem Alter entwickelten gar einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn: Die Spielpartner durften nicht weniger, aber auch nicht mehr als sie selbst bekommen.
Woher kommt denn aber die Sinneswandlung zwischen Kindergarten- und Schulzeit Evolutionsbiologen verweisen gerne auf das Tierreich. Teilen ist im tierischen Überlebenskampf verpönt; jeder für sich heisst die Devise.
Die Erwachsenen sind nur mässige Vorbilder
Aber irgendwann muss das Kind seine egoistischen Züge ablegen und lernen, dass wer nichts abgibt, eben auch nichts bekommt. Diese moralischen Regeln lernt ein Kind am allerbesten durch Beobachten und Nachahmen. So wie es alles andere auch lernt. Die ersten Jahre sind ein faszinierendes Trainingscamp fürs Leben. Kinder sind unglaublich gut darin, zu beobachten, wie die Grossen ihre Dinge regeln. Und was sehen sie da? Etwa lauter Gutmenschen, die ihren Überfluss freiwillig mit den Ärmsten der Welt teilen? Leider nein.
Eigentlich grenzt es an ein Wunder, dass Kinder in unserer Gesellschaft in der Regel eben nicht raffgierige Geizhälse werden, sondern irgendwann sehr wohl auf Moral und Fairness pochen. Sobald sie erkennen, dass andere anders sind, achten sie auf deren Reaktionen, nehmen Rücksicht, verzichten auf den grösstmöglichen eigenen Nutzen, versuchen zu trösten.
Der kleine Mensch weiss instinktiv, dass er auf die anderen angewiesen sein wird. Dass es folglich besser ist, sich zu vertragen als sich um Sandschaufeln und Schoggistängeli zu prügeln. Die Regeln, wie man aus Konflikten raus kommt und zu einem Konsens findet, lernt ein Kind jeden Tag ein bisschen besser, indem es ausprobiert, was funktioniert und was nicht.