Entwicklung
Warum ihr als Familie viel zu lachen habt
Von Daniela Lukassen-Held
Wenn Kinder lachen, machen sie das mit Inbrunst und etwa 400 Mal pro Tag. Wir Erwachsenen kommen nur noch auf schlappe 15 Mal. Warum eigentlich? Und warum lächeln Babys schon im Mutterleib?
Ein witziges Wort reicht aus und unser Sohn kugelt sich vor Lachen, gluckst, kichert und kann kaum damit aufhören. Mit seinen sechs Jahren liebt er es zu lachen. Über umgedichtete QuatschLieder, Fritzchen-Witze und komische Grimassen, die uns Erwachsenen nicht mal ein müdes Lächeln abringen. Im Vergleich zu ihm sind wir Eltern wahre Griesgrame. Und damit ist unsere Familie keine Ausnahme. Denn Kinder lachen im Allgemeinen 400 Mal am Tag. Wir Grossen hingegen ziehen unsere Mundwinkel nur etwa 15 Mal täglich in die Höhe. Dabei ist Lachen gesund. Einer Studie zufolge macht uns tatsächlich schon das Hochziehen der Mundwinkel glücklicher. Und trotzdem tun wir uns schwer, regelmässig zu lachen – ganz anders als unsere Kinder, für die es schlicht dazugehört – in fast jeder Situation.
Dazu lohnt sich ein Blick in den Mutterleib. Denn schon hier beginnt sie, die Sache mit dem Lachen. Oder vielmehr, die Sache mit dem kleinen Lächeln. Bereits als Fötus trainiert das Kind seine Mimik, indem es die Mundwinkel hochzieht.
Zugegeben, mit einem bewussten Lächeln hat das noch nichts zu tun, wie Gina Mireault erklärt. Sie ist Professorin an der Vermont State University und hat das Thema Lachen bei Babys erforscht. «Das Lächeln beginnt als Reflex. Das heisst, es ist unwillkürlich.»
Das gilt übrigens auch für das sogenannte Engelslächeln, das uns zwar dahinschmelzen lässt, aber schlicht noch keine Bedeutung hat.
Das erste «richtige» Lächeln
Erst im Alter von rund sechs Wochen beginnen Babys als Reaktion auf ein Lachen von Mama und Papa zurückzulachen. Erst ein bisschen schief und geräuschlos. Aber für uns Eltern ist das ein Moment im Leben mit unseren Kindern, den wir sicherlich nicht vergessen. Und das erste Lächeln ist ein grosser Meilenstein. Denn was in der verbalen Kommunikation noch nicht klappt, gelingt mit einem Lächeln auf magische Weise. «Das Lächeln ist eine Aufforderung zum Gespräch: Babys laden ihr Gegenüber ein, mit ihnen zu interagieren und ihnen die Welt zu zeigen. Schon früh zeigt sich also, dass Menschen soziale Wesen sind», erläutert Dr. Stephanie Wermelinger, die an der Universität Zürich zum Thema Kommunikation im Säuglingsund Kindesalter forscht. Auch der Lachforscher Professor Rainer Stollmann von der Universität Bremen erklärt: «Lächeln entwickelt sich in dieser Zeit zu einer eigenen Sprache.» Und so lautlos wie im Säuglingsalter bleibt das Babylachen nicht. Mit ungefähr vier Monaten, wenn die Kleinen damit beginnen, Laute nachzuahmen und die eigene Stimme zu erproben, sind auch die ersten Lachgeräusche zu hören.
Dabei funktioniert das Lachen allerdings anders als bei uns Grossen. Denn während wir dabei ausatmen, atmen die Kleinen ein und wieder aus. Und damit lachen sie ähnlich wie Schimpansen, wie Wissenschaftler herausgefunden haben.
Humor-Experimente mit Babys
Aber was finden Babys überhaupt lustig ? Und haben sie schon Humor? Gina Mireault und ihr Team haben genau das untersucht. «Wir besuchten Kleinkinder im Alter von sechs Monaten zu Hause und veranstalteten für sie kleine standardisierte Comedy-Shows », erklärt sie. «Konkret zeigten wir ihnen, wie Gegenstände auf gewöhnliche Art und Weise, etwa durch Weiterreichen eines roten Schaumstoffballs von Hand zu Hand, und auf alberne Weise, zum Beispiel durch das Tragen desselben Schaumstoffballs als Clownsnase, verwendet werden.»
Die gleichen Babys untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch einmal, als sie zwölf Monate alt waren. «In dieser speziellen Studie wollten wir herausfinden, ob Babys die emotionale Reaktion ihrer Eltern auf die lustigen Ereignisse nachahmen würden», erinnert sich Mireault. Und so wurden einige Eltern angewiesen, als Reaktion auf die alberne Situation zu lachen, andere schauten in dieser komischen Situation nur starr geradeaus.
Gina Mireault, Verhaltensforscherin
Humor bei Babys? Aber sicher!
«Wir dachten, dass Kleinkinder nur lachen würden, wenn ihre Eltern lachten. Dem war aber nicht so », sagt Mireault. «Wir fanden heraus, dass Babys die Ereignisse von sich aus lustig fanden.» Selbst, wenn Mama und Papa ohne Emotionen reagierten, fanden einige Babys die Situation also von sich aus komisch – und zeigten das sehr deutlich.
Schon früh haben Kinder also Humor. Bereits mit drei bis vier Monaten lachen Säuglinge zum Beispiel, wenn wir sie kitzeln oder wenn wir lustige Geräusche machen. Mireault dazu: «Über soziale Reize wie etwa das Guck-guckSpiel und visuelle Reize wie lustige Gesichter lachen sie mit etwa sechs oder sieben Monaten. Das entspricht etwa der Zeit, in der sie beginnen, seltsame Verhaltensweisen und Verstösse gegen Erwartungen, wie das Tragen einer Banane als Hut, als lustig wahrzunehmen.» Eine Tatsache, die dafür sorgt, dass wir Eltern ziemlich kreativ werden, wenn wir unsere Kleinen zum Lachen bringen wollen – und meistens laut mitlachen müssen.
« Jedes Lachen ist ansteckend », sagt Stephanie Wermelinger. «Wir haben es in uns drin, andere zu imitieren. Die Fähigkeit zur Imitation ist eines der Dinge, die uns als Menschen auszeichnet. Dass wir gerade Babys so gerne imitieren, hat wohl eher mit der ihnen zugeschriebenen Unschuld und Unbedarftheit zu tun : In vielen von uns lösen Babys im Allgemeinen eher positive Gefühle aus. » Also lachen wir mit. Wenn auch seltener als unsere Kinder. Und das ist kein Zufall.
Lustig ist, was überraschend ist
« Damit wir lachen, brauchen wir Überraschungsmomente », erklärt Lachforscher Stollmann. «Für Kinder ist vieles neu und sie reagieren darum überraschter. »
Und dadurch lachen Kinder ganz automatisch häufiger als wir. Schliesslich kennen wir die Welt. Unsere Kinder hingegen sehen vielleicht zum ersten Mal, wie lustig es ausschaut, wenn wir eine Grimasse ziehen oder das Nudelsieb als Hut auf dem Kopf tragen. Und noch etwas ist ausschlaggebend dafür, dass Kinder viel häufiger lachen als Erwachsene, wie Stephanie Wermelinger weiss: «Kinder können positive Emotionen früher und differenzierter wahrnehmen als negative. Dies beruht wahrscheinlich auf Erfahrung. » Denn, wenn wir unsere Kleinen anschauen, machen wir das in der Regel mit einem glücklichen Gesicht. Unser Nachwuchs sieht meist also mehr lächelnde Gesichter als traurige.
Gagi, Bisi, Furzgesicht
Dazu kommt: Emotionen spielen für unsere Kinder noch eine ganz andere Rolle als für uns. Für sie sind sie ein wichtiges Kommunikationsmittel. Denn die eigenen Wünsche und Bedürfnisse verbal auszudrücken, fällt ihnen noch ziemlich schwer. Also wird laut gelacht, wenn etwas lustig oder komisch ist. Und im Kindergartenalter auch über Dinge, die uns gewissermassen mit den Ohren schlackern lassen. Wörter, die wir von den Kleinen eigentlich nicht hören wollen, sind der Renner unter den Kindergartenkindern und ein Garant für Lachanfälle. «Humor beruht auch auf der Reaktion von anderen. Es ist lustiger, wenn andere mitlachen. Wörter zu sagen, die man eigentlich nicht benutzen sollte, provoziert eine Reaktion. Diese mag bei Gleichaltrigen anders sein als bei Erwachsenen, nichtsdestotrotz zeigt sie Kindern, dass sie etwas in der Welt ausrichten können», erklärt Wermelinger. Und auch das Austesten von Grenzen funktioniert so aus Kindersicht wunderbar. Apropos Grenzen: Um die geht es auch im Teenageralter, in dem wir Erwachsenen unsere Heranwachsenden oft kichernd erleben.
Kichernde Teenager
Dass Jungen und Mädchen in dieser Zeit so viel kichern, ist kein Zufall. Denn es tut sich einiges in der emotionalen Entwicklung der jungen Menschen: die Abnabelung von den Eltern, das erste Verliebtsein. «Diese neuen und erwachseneren Emotionen begegnen einer kognitiven Entwicklung, die noch nicht auf Erwachsenenniveau ist », erklärt Wermelinger. Und das macht es Jugendlichen ganz schön schwer, die eigenen Emotionen im Griff zu haben. Unverständliche und unkontrollierte Lachanfälle (etwa in der Schule) inklusive.
Später, wenn diese Entwicklung abgeschlossen ist, ist plötzlich Schluss mit dem spontanen Lachen. Bis wir Grossen in lautes Gelächter ausbrechen, gehört schon einiges dazu. Denn wir können unsere Gefühle nicht nur besser in Schach halten, wir haben auch gelernt, wann es angemessen ist zu lachen und wann nicht – Dinge, die unsere Kinder noch lernen müssen.
Doch egal, wie alt unser Nachwuchs ist : «Lachen dient als eine Art sozialer Klebstoff, der Vertrauen, Sicherheit, Freude und Verbundenheit vermittelt», sagt Mireault. Ob wir also mit einem zahnlosen Säugling lachen, der das Lächeln lautlos erwidert, ob wir uns beim Guck-guck-Spiel vom kreischenden Lachen des Einjährigen anstecken lassen, ob wir über den Fritzchen-Witz des Sechsjährigen lachen oder mit unseren Teenagern um die Wette kichern: Wir sollten so oft wie möglich einfach mitlachen. Es verbindet.