Interview
Diese Band macht Rap für Kids mit fetten Beats und viel Witz
Wie wird man eine coole Kinderband – und hat zehn Jahre Spass daran? «Deine Freunde» aus Hamburg wissen, wie man bei Kindern und Eltern gut ankommt und haben für jede Situation den richtigen Song parat.
Sie sind tatsächlich zu früh. «Deine Freunde» schalten sich ein paar Minuten vor dem abgemachten Termin zum Video-Meeting ein, deaktivieren lachend den Hintergrundfilter (weil zwei von ihnen darin verschwimmen) und positionieren sich in ihrem Studio vor der Webcam. Markus Pauli holt noch schnell einen Kaffee, Lukas Nimschek rechtfertigt sich mit «du warst halt schon da» und Florian «Flo» Sump befiehlt «so, jetzt aufpassen.» Keine Frage, dass wir gleich per Du sind.
wir eltern: Eine Hypothese zum Einstieg: Als Mitglied einer Kinderband ist es hilfreich, wenn man selbst ein bisschen Kindskopf ist. Richtig?
Flo: Unbedingt. Ich hätte vermutet, deine Frage endet mit «wenn man selbst Kinder hat» – das hätten wir verneint.
Lukas: Da ist bei uns das Verhältnis 2:1, nur Flo hat Kinder. Es ist aber sicher hilfreich, sich an die eigene Kindheit erinnern zu können. Und niemals den Punkt erreicht zu haben, wo man sagt «jetzt bin ich definitiv erwachsen.»
Wie erhaltet ihr denn das Kind in euch?
Flo: Darum mussten wir uns nie bemühen. Wir sind diesem kindlichen inneren Trieb gefolgt, der uns sagte, wir müssen weiter Musik machen und Spass am Leben haben.
Markus: Und haben uns mit Leuten umgeben, die genauso ticken. Wir reden halt auch viel Quatsch am Tag.
Lukas: Im Alltag erinnern uns kaum Stimmen daran, wie erwachsen wir eigentlich schon sind. Da sind nur wir und unsere Manager, die uns alles vom Hals halten, was keinen Spass macht. So können wir uns auf die Musik, unsere Videos und die Tour konzentrieren. Und das macht es uns sehr leicht, nicht zu ernst zu werden.
Flo: Wobei wir mit sehr viel Ernsthaftigkeit daran arbeiten, Quatsch zu machen.
Lukas: Darin sind wir Profis.
Flo: Aber inhaltlich können wir uns mit Themen beschäftigen, die uns sehr viel Spass bringen.
«Deine Freunde» aus Hamburg produzieren seit 2012 Musik für Kinder und Familien. Die Band besteht aus Florian Sump (41), dem einstigen Schlagzeuger der Band «Echt», Markus Pauli (44), dem Tour-DJ von «Fettes Brot» und Lukas Nimschek (33), Komponist und Musikproduzent.
Zwar haben alle drei noch weitere musikalische Standbeine, dennoch ist ihr Hauptberuf, als «Deine Freunde» Songs zu produzieren und damit aufzutreten. In zehn Jahren haben sie sieben Alben herausgebracht, im April 2022 die Compilation «Hits! Hits! Hits!».
Flo, deine Kinder gehören noch nicht ganz zur «Deine Freunde»-Zielgruppe, oder?
Flo: Meine Tochter ist erst vier, aber bei meinem sechsjährigen Sohn fängt es langsam an.
Lukas: Unsere Zielgruppe sind vor allem Sechs- bis Elfjährige. Dein Sohn muss jetzt also langsam performen.
Flo: Ich kann ja mal deponieren, dass wir ziemlich guten Kram haben.
Die Idee, überhaupt Musik für Kinder zu machen, hattest du noch vor deinen Kindern, als du als Erzieher gearbeitet hast.
Flo: Das stimmt. Ich habe ungefähr zehn Jahre lang beruflich auf Kinder aufgepasst, die in «Deine Freunde»-fähigem Alter waren. In Kitas, Vorschulen und im Ferienprogramm. Da gab es immer eine traurige Kiste, die herumlag, mit drei oder vier CDs für die musikalische Unterhaltung. Und ich merkte, dass die Kinder es viel cooler fanden, wenn ich eigene Musik mitbrachte. Musik, die mir gefällt. Das war dann ein kleiner Aha-Moment.
Einerseits, dass Kinder total offen sind für neue Musik, selbst wenn sie die Texte nicht verstehen. Andererseits, dass das, was sie beschäftigt, vergleichbar ist, mit dem, was mich als Kind beschäftigt hat. Als wir dann anfingen, gemeinsam Musik zu machen und beschlossen zusammenzubleiben, haben wir auch festgestellt, dass wir ganz Ähnliches erlebt haben – obwohl wir früher dachten, wir wären mit unseren Erfahrungen alleine.
Lukas: Und jetzt sind wir schon zehn Jahre zusammen unterwegs, können seit fünf Jahren davon leben.
Flo: ...und lieben es immer noch, diese Themen zu finden, die sich überschneiden oder die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Seien es Sprüche oder familieninterne Dynamiken. Da ist unfassbar viel los, sodass wir noch ganz viele weitere Alben damit machen können.
Das heisst, du musstest deine Kollegen gar nicht davon überzeugen, eine Kinderband zu gründen?
Markus: Es hiess ja nicht «wir gründen eine Kinderband», sondern vorerst «lass uns mal einen Song machen für die Kita». So entstand «Schokolade». Und das hat total eingeschlagen und uns wahnsinnig Spass gemacht, für einmal nicht einen ernsten Hip-Hop-Song einzuspielen, sondern ganz unvoreingenommen und kopf-frei Musik zu machen. Das war erfrischend.
Flo: Es wurde schnell auch eine Art Therapie für uns, weil wir angefangen haben, uns über unsere Kindheit auszutauschen, um Material für unsere Songs zu finden.
Man müsste denken, in diesen 30, 40 Jahren hätte sich vieles verändert...
Lukas: Nee, die Themen in den Familien und auf dem Schulhof sind die gleichen geblieben. Die Reibungspunkte von «mach die Tür nicht so laut zu» bis zu «kannst du das auch anständig sagen?» oder darüber, wie man sich am Tisch benimmt, sind dieselben. Es gibt immer noch Tische, Türen, Eltern und Kinder. Ausserdem fokussieren wir uns auf die psychologischen Themen. Wir schauen nicht, was der nächste krasse Hashtag ist oder welches technische Gimmick gerade in ist. Uns interessiert, was in den Köpfen und Herzen vorgeht.
Flo: Es funktioniert immer noch gleich: Du wirst geboren und musst lernen, zu leben.
Hattet ihr eine schöne Kindheit?
Lukas: Wir hatten alle drei das Glück, liebende Eltern zu haben. Und ich glaube, dass die Menschen, die ihren Kindern unsere Musik kaufen, auch liebende Eltern sind und eigene Erinnerungen an ihre Kinder weitergeben wollen. In einem unserer Songs geht es zum Beispiel um Flos C64-Computer. Das ist sicher kein Thema, das Kinder heute beschäftigt, aber Väter und Mütter erinnern sich gerne daran. Und es lässt sich auf Geräte von heute übertragen wie etwa die Nintendo Switch. So versuchen wir, einen Dialog zwischen den Generationen zu schaffen. Interessanterweise rappen Kinder die C64-Texte genauso mit wie die vom Song «Hausaufgaben».
Markus: Da kommt dann auch wieder der nette Vergleich mit Pixar-Filmen oder den Simpsons, bei denen sowohl Kinder als auch Erwachsene auf ihre Kosten kommen.
Lukas: Wir haben dann auch mal den Begriff für uns gewechselt und gesagt: Wir machen Familienunterhaltung und nicht klassisch Kindermusik.
In euren Songs steckt tatsächlich jede Menge Nostalgie: In «April, April» parodiert ihr Falco, «Keine Märchen» hat einen Old School Hip-Hop-Beat, der an die Gruppe «5 Sterne Deluxe» erinnert.
Markus: Das war halt genau unsere Zeit. Ich bin seit 20 Jahren bei «Fettes Brot» beschäftigt, kenne diese Musik und bin damit aufgewachsen…
Flo: Ich auch. Als Fan.
Markus: Und Eltern sind nun in unserem Alter. Beziehungsweise wir im Eltern-Alter. Viele Leute haben einfach Bock auf solche Musik.
Lukas: Wir finden sowieso nicht im Chart-Radio statt. Und müssen uns darum auch nicht bemühen, einen 2022-Zeitgeist-Sound abzugeben. Wir können einen 90er-Trash-Song, danach einen Trap-Song und darauf eine Musical-Ballade rausbringen, das wäre im «Deine Freunde»-Kosmos alles möglich. Ausserhalb unserer Bubble kriegt das ohnehin keiner mit – das ist herrlich. Wir verkaufen CDs, gehen auf Tour; Eltern empfehlen uns anderen Eltern und Kinder empfehlen uns ihren Freundinnen und Freunden. Mit dem Streaming-Markt und TikTok müssen wir uns gar nicht auseinandersetzen.
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Eure Zielgruppe hört eure Musik vorwiegend auf CDs?
Flo: Ja. Total retro. Markus hat ja vor, auch mal eine Kassette rauszubringen.
Lukas: Wir haben unsere Alben auch als Schallplatten veröffentlicht, weil es Eltern gibt, die gerne wieder mal eine Schallplatte auflegen. «Wir» werden halt oft verschenkt, und das geht am besten über Tonträger.
Sind eure Quatschtitel wie «Deine Mudder» oder «Der Dummi mit dem Flummi» auch pädagogisch wertvoll?
Lukas: Wir wollen der ganzen Familie eine Stimme geben. Uns ist zum Beispiel auch wichtig, zu zeigen, dass Eltern nicht nur Eltern sind. Sondern auch Menschen. (Alle lachen.) Wir wollen einfach das Familienleben realistisch betrachten.
Markus: Aber auch mit einem kleinen Augenzwinkern, etwa, um die Situation zu entspannen und lockerer zu machen.
Flo: Wir bekommen Rückmeldungen wie «immer, wenn wir uns in der Familie streiten, macht jemand von uns euren Song ‹Digge Luft› an und dann vertragen wir uns wieder». Irgendwie schafft es dann dieser Song, die Situation aufzubrechen, sodass man wieder aufeinander zugehen kann. Das macht uns schon stolz.
Und wie authentisch ist das, wovon ihr in euren Songs erzählt?
Flo: Wenn wir Konzerte geben und die Kinder unsere Texte mitrappen und jede Zeile auswendig können – ich will jetzt nicht zu kitschig klingen, aber – dann ist zwischen uns ein unsichtbares Band, eine krasse Verbundenheit. Und die wäre nicht da, wenn wir nicht etwas von uns in die Texte reinbringen würden.
Markus: Ich glaub halt auch, die Kinder merken, dass das authentisch ist, was wir tun. Dass wir komplett fühlen, was wir machen.
Flo: Für die ist authentisch sein ja auch der Normalzustand. Sie kennen das Wort nicht mal, sind es aber die ganze Zeit.
Lukas: Wir haben auch keine Bühnenpersönlichkeiten, die extra kindisch sind. Und dass wir kein Marketing-Konstrukt sind, erkennt man daran, dass es in der Form, wie wir das machen, keine Nachahmer gibt.
Finden euch Teenager nicht «cringe»?
Lukas: Eigentlich nicht – auch wenn es total okay wäre. Tatsächlich behalten sie uns als schöne Erinnerung im Herzen. Es gibt auch welche, die sich richtig von uns verabschieden und bei der Autogrammstunde sagen «ich hab euch fünfmal gesehen, jetzt ist gut, tschüss».
Flo: Sie sind sehr versöhnlich mit uns. Bei YouTube gibt es Kommentare wie «ihr wart meine Kindheit». Und du denkst dir: «Hä? Es sind doch erst zehn Jahre.»
Gibt es Themen, die ihr nicht musikalisch verarbeiten würdet?
Lukas: Eigentlich nicht, wir schliessen nichts aus. Aber normalerweise nehmen wir uns nicht extra grosse Felder vor, sondern picken eher einen Satz heraus, der uns charakteristisch scheint.
Also beispielsweise nicht über Pornos, sondern...?
Flo: Da würden wir vielleicht was draus machen wie «Ich hab da was gesehen, das ich besser nicht gesehen hätte.» Wir ziehen es vor, vieles zwischen die Zeilen zu packen, als ganz klare Überschriften vor uns hertragen.
Diesen Song würde ich gerne hören.
Flo: Ist notiert.