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Städtetrip
Städtetrip nach Lissabon
Von Ümit Yoker
In der Hauptstadt Portugals sind Kinder überall willkommen. Wo es für Familien besonders schön ist, hat unsere Autorin aus Lissabon hier zusammengetragen.
Vormittags
Allerlei Ei und mehr bei Amélia
Ob Granola, Pancakes oder allerlei Ei: Einen der besten Brunches der Stadt gibts bei Amélia. Da das Café auch bei den Einheimischen b eliebt ist, empfiehlt sich eine Reservation. Wer es auf gut Glück versuchen will, findet sonst auch problemlos nette Alternativen im Quartier. Campo de Ourique gehört zu den beliebtesten Vierteln der Stadt bei Familien. Gross ist darum auch die Auswahl an schicken Windeltaschen aus portugiesischer Biobaumwolle und an herzigen Znüniböxli. In der Kinderbuchhandlung Baobá finden samstags regelmässig Geschichtenstunden statt; ein Besuch lohnt sich selbst ohne nennenswerte Portugiesischkenntnisse.
Amélia, Rua Ferreira Borges 101, ilovenicolau.com Livraria Baobá, Rua Tomás da Anunciação 26B, orfeunegro.org

Gans statt Gorilla, Ziege statt Zebra
Da freut man sich seit Wochen darauf, dem Kinde endlich einen Gorilla in natura zu zeigen, statt immer nur den, der abends beim Zoowärter-Ehepaar unter die Decke schlüpft. Und dann bestaunt es ausschliesslich die Spatzen. Darum lieber gleich in die Quinta Pedagógica dos Olivais, wo sich Esel, Schaf und Ziege gute Nacht sagen. Zur Kleintieranlage gehört ein grosser Garten mit allen möglichen Obstsorten sowie Gemüse- und Kräuterbeete. Je nach Jahreszeit sieht man hier nicht nur Birnen, Pfirsiche und Mandarinen wachsen, sondern auch Mandeln, Misteln oder Stevia. Das Gewächs, das den Kleinen am meisten Eindruck machen dürfte, ist aber: der Nuggibaum. Die Quinta Pedagógica liegt im Stadtteil Olivais Sul.
quintapedagogica.lisboa.pt
Auf Besuch bei Mondfisch und Pyjamahai
Das Oceanário de Lisboa liegt im modernen, immer noch etwas sterilen Stadtteil Parque das Nações, der Ende der Neunzigerjahre im Rahmen der Expo entstanden ist. Herzstück ist sein fünf Millionen Liter Wasser fassendes Hauptbecken. Das Aquarium gehört zu den grössten Anlagen in Europa. Zu Hause ist hier die gepunktete Wurzelmundqualle, die im Blaulicht leuchtet wie ein ausserirdischer Fliegenpilz, aber auch der Pyjamahai und der Kuhnasenrochen. Nicht zu vergessen der Mondfisch, dieser hastig hingeknetete Star der Meere. Nur einen Steinwurf entfernt befindet sich der Pavilhão do Conhecimento: die Lissabonner Variante des Technorama sozusagen. Für beide Orte empfiehlt es sich, Tickets online zu buchen.
oceanario.pt, pavconhecimento.pt


Plättli ohne Ende
Fliesen schmücken in Lissabon nicht nur wie andernorts Bäder und Küche, sondern sie prägen auch unverkennbar das Stadtbild. Nirgends finden Azulejos vielfältigere Anwendung als hier: Sie zieren Wohnhausfassaden, U-Bahnstationen und Gerichtshöfe, Fabriken und Strassentunnels. Dass man Mitte des 19. Jahrhunderts damit begonnen hatte, die Hauswände mit Fliesen einzukleiden, hat guten Grund: Die salzige Luft vom nahegelegenen Atlantik her setzte dem gewöhnlichen Verputz rasch zu; Fliesen waren nicht nur widerstandsfähiger, sondern auch einfacher zu warten und günstiger, weil sie nun industriell gefertigt werden konnten. Das in einem Klosterbau aus dem 16. Jahrhundert untergebrachte Museum Nacional do Azulejo führt durch die siebenhundertjährige Geschichte der Azulejos in Portugal.
museunacionaldoazulejo.pt

Zwei Fussballvereine, ach! in einem Lissabon
Noch bis vor einigen Jahren stellte ausgerechnet das kleine Portugal den Fussballverein mit den meisten Mitgliedern der Welt. Der Welt! Einstweilen ist Benfica zwar etwas nach hinten gerückt, im Alltag merkt man davon aber wenig: Lissabon wacht mit Fussball im Herzen auf, Lissabon geht mit Fussball im Herzen schlafen. Die Weichen für einen der beiden Stadtrivalen Benfica oder Sporting werden dabei schon bei der Geburt gestellt: Entweder steckt das Neugeborene im roten Strampler und wird von Plüschadlern flankiert. Oder aber es muss vom Söckchen bis zur Mütze grün tragen und darf später im Kindergarten immer nur die Bilder mit den Löwen ausmalen. Stadion und Museum beider Klubs sind jeden Tag offen, an Spieltagen gelten aber Einschränkungen. Ab drei Jahren dürfen Kinder auch Spiele besuchen.
slbenfica.pt, sporting.pt

Riesige Tierchen
Schneckenhäuser so gross wie Medizinbälle, Krabben so gross wie Gummiboote – die überlebensgrossen Keramiktiere verstecken sich im hinter einer Mauer verborgenen Jardim Bordalo Pinheiro. Die Keramikarbeiten stammen von Rafael Bordalo Pinheiro, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte und dessen Arbeiten bis heute allgegenwärtig sind: Kaum ein portugiesischer Haushalt, in dem man nicht auf seine Kohlköpfen nachempfundenen Schalen oder typischen Schwalben treffen würde. An den Jardim Bordalo Pinheiro schliesst sich ein zweiter Park an, mit weiteren gefiederten Freunden, dieses Mal echten: Gleich zu Dutzenden tummeln sich hier Pfauen jeder Grösse und Couleur.
museudelisboa.pt
Oase für Städter:innen
Der Garten des Gulbenkian-Museums aus den späten Sechzigerjahren ist ein eindrückliches Beispiel portugiesischer Landschaftsarchitektur der Moderne. Mitten im geschäftigen Viertel São Sebastião drosselt die Parkanlage denn auch umgehend den Puls hektischer Städterinnen und Städter. Die Museumskantine hat einen ausgezeichneten Ruf und bietet bis in den Nachmittag hinein gutbürgerliche portugiesische Küche. Gerade wurde ausserdem das zum Museumsensemble gehörende Centro de Arte Moderna erweitert und der Garten auf dieser Seite weiter ausgebaut.
gulbenkian.pt


Häubchen des Schreckens
Man kann es sich heute nur schwer vorstellen, und doch: Einst soll der Torre de Belém ungebetenen Gästen einen ganz furchtbaren Schrecken eingejagt haben. Der Turm stand damals noch mitten im Fluss und hatte am anderen Ufer ein Gegenstück, sodass ankommende Schiffe ein regelrechtes Kreuzfeuer erwartete. Heute hält das Bauwerk aus dem 16. Jahrhundert nicht mehr böse Eindringlinge ab, sondern lädt Interessierte dazu ein, sein Inneres zu erkunden.
torrebelem.pt
Anreise: TAP und Swiss fliegen jeden Tag und direkt ab Zürich und Genf nach Lissabon. EasyJet bietet tägliche Direktflüge auch ab Basel an. Bis ins Zentrum dauert es mit dem Taxi je nach Verkehr zwischen 15 und 30 Minuten. Gleich am Flughafen fährt auch die Metro in die Stadt.
Beste Reisezeit: Wie für die meisten südlichen Städte gilt auch für Lissabon: Frühjahr und Herbst sind die angenehmste Zeit, um die Kapitale Portugals zu erkunden. Oft ist es selbst im Oktober noch warm genug für einen Sprung in den Atlantik (dessen Temperaturen sind sowieso das ganze Jahr über gewöhnungsbedürftig). Im Juni feiert die Stadt seinen Schutzpatron Santo António: Wochenlang werden da Quartierfeste veranstaltet, Lissabon wird mit liebesglückbringenden Basilikumtöpfchen geschmückt und selbst auf den Trottoirs werden Sardinen gegrillt.
ÖV: Wer zügig vorwärtskommen will, ist mit der Metro meist am besten bedient. Zählen Ausblick und Nostalgie mehr als Tempo und Pünktlichkeit, lohnt sich aber eine Fahrt mit dem Tram. Besonders beliebt: die Linie 28, deren Route quer durch die Stadt führt. Freie Sitzplätze findet man dort jedoch selten: Sie sind von den anderen Gästen besetzt, die dieselbe Idee hatten. Mit einer aufladbaren Mehrfahrtenkarte fährt man übrigens günstiger, als wenn man sein Ticket im Bus oder Tram löst. Es gibt sie an vielen Kiosken und an allen Metrostationen.
Tourismusinfo: visitlisboa.com
Abends
Znacht unter freiem Himmel
Der Jardim de Estrela ist einer der schönsten Parks in der Stadt. (Die Autorin ist hier nicht ganz unbefangen: Sie wohnt gleich nebenan.) Hier kann man dem Bewegungsdrang des Kindes ebenso stattgeben wie dem eigenen Bedürfnis nach Milchkaffee oder Portonic – und behält dabei Kletterspinne, Schaukel und Co. problemlos im Blick. Die Toasts im Café sind zudem gross genug, um als Abendessen durchzugehen. Oder man macht es wie jene, die hier irgendwann ihre Decken ausbreiten, und verlegt das Znacht gleich auf die Wiese. Supermarkt, Bäckerei und Sushi-Take Away sind in der Nähe, an Auswahl mangelt es nicht. Wer doch lieber an einem Tisch essen möchte: Restaurantbesuche als Familie sind in Portugal eine unkomplizierte Angelegenheit.
Täglich bis Mitternacht offen


Familienfreundlich mit Fünfsterneluxus
Wie in anderen europäischen Städten findet man auch in Lissabon inzwischen in vielen Quartieren private Ferienwohnungen (nicht immer zur Freude der Einheimischen). Gerade mit kleinen Kindern sind Airbnbs oft der bequemste und einfachste Weg, um an einem fremden Ort für ein paar Tage heimisch zu werden. Und wer die etwas luxuriösere Form davon ausprobieren möchte: Martinhal Lisbon Chiado bietet mitten im Herzen der Stadt familienfreundliche Ferienapartments mit den Annehmlichkeiten des Fünfsternhotels – inklusive Spielraum, Babysittingservice und Mini-Disco.
martinhal.com/locations/chiado/
