Unterwegs mit Kind
Veloanhänger oder Kindersitz: der grosse Vergleich
Von Gerald Bacher
Dank Veloanhänger oder Kindersitz kann man auch mit dem Nachwuchs problemlos in die Pedale treten. Die Vor- und Nachteile der Varianten.
Gerald Bacher unterhält das umfangreiche Fahrradanhänger-Portal www.zweiradkraft.com
Was gibt es Schöneres, als an der frischen Luft Sport zu treiben? Früher, als wir noch keine Kinder hatten, war das ja überhaupt kein Problem: Wir schwangen uns einfach in den Sattel unseres zweirädrigen Gefährts und schon ging es los. Jetzt ist das alles ein bisschen verloren gegangen, jetzt heisst es auf unseren Nachwuchs Rücksicht zu nehmen. Doch auch mit unseren Kleinen können wir uns bewegen, unsere Leidenschaft fürs Fahrradfahren mit ihnen teilen und vielleicht sogar weitergeben. Wir nehmen sie einfach mit! Wir schnappen unser Fahrrad, packen unsere Zwerge mit dazu und auf gehts in die grosse weite Welt. Dafür gibt es heute zahlreiche Möglichkeiten, wie wir die Knirpse im Veloanhänger oder Fahrradsitz mit dem Drahtesel sicher transportieren können. Ganz unvorbereitet sollten wir uns aber dennoch nicht ins Abenteuer stürzen. Ein Fahrradausflug mit unseren Kids sollte gut geplant sein. Rund ums Fahrradfahren mit Kindern gibt es einige Fragen zu klären.
Von einem Veloausflug sollen Gross und Klein etwas haben - wir Eltern dürfen uns sportlich austoben, unsere Kleinen sollen aber ebenfalls ihre Freude haben. Die wichtigsten Tipps für ein unterhaltsames Velovergnügen:
Dauer: Die Streckenlänge am Anfang kurz halten, diese kann von Mal zu Mal gesteigert werden.
Pausen: Immer wieder Pausen einlegen, damit sich die Kleinen die Füsse vertreten, ihren Hunger und Durst stillen und etwas entdecken können.
Aussicht: Eine abwechslungsreiche Streckenführung ist für die Kids aufregend und interessant - während der Fahrt sollen sie auch alles Mögliche bestaunen können.
Fahrziel: Sich ein ganz besonders Ziel ins Visier fassen: ein Spielplatz, Picknick am Bach, ein Streichelzoo oder Bauernhof, ein Badesee oder Freibad usw.
Unterhaltung: Falls es doch mal länger dauert und die Zwerge zu schimpfen anfangen, dann hilft oft, wenn wir mit ihnen reden, singen oder sie auf interessante Dinge hinweisen. Falls alle Stricke reissen, sollten wir Nuggi, Spielzeug (das nicht herunter- bzw. rausfallen kann) oder einen Lieblingssnack, der während der Fahrt gut zu essen ist, griffbereit haben.
Ab wann darf es losgehen?
Die erste lautet: Wie alt sollten denn unsere Liebsten sein, damit wir sie zum Fahrradfahren mitnehmen dürfen? Die Frage sollte eigentlich anders formuliert werden: Wie weit entwickelt müssen unsere Babys sein, damit man sie problemlos im Fahrradsitz oder Anhänger transportieren kann? Säuglinge, die noch nicht frei sitzen können, sollten wir nur in einem Fahrradanhänger kutschieren. Die meisten modernen Modelle verfügen über speziell konzipiertes Zubehör: entweder eine Babyschale oder eine sogenannte Hängematte, in denen das Baby sicher und bequem liegen kann. Wichtig ist bereits hier, dass die Zwerge ihren Kopf schon selbst halten können, weil auch im Anhänger die Kinder einer relativ grossen Schüttelbelastung ausgesetzt sind. Damit der Nachwuchs nicht zu heftig durchgerüttelt wird, sollte man die ersten Ausflüge vorwiegend auf gut asphaltierten Strassen planen. Im Kindersitz am Fahrrad dürfen die Kleinen erst mitfahren, wenn sie selbst frei sitzen können, also frühestens etwa ab sieben/acht Monaten. Ausserdem ist hier ein Helm Pflicht.
Angehängt oder angedockt?
Fahrradanhänger oder Kindersitz? Dies ist die zweite grundlegende Frage, die es zu klären gilt. Führt es uns eher sportlich anspruchsvoll auf geschotterten Weg zu einer Alp oder doch nur gemütlich zum nächsten Spielplatz oder Badesee auf dem asphaltierten Fahrradweg? Fahren wir des Öfteren bergauf oder bleiben wir im Tal? Müssen wir vielbefahrene Strassen benutzen oder können wir die Ruhe auf Wald- und Feldwegen geniessen? Ob ein Veloanhänger oder ein Velositz die richtige Wahl ist, kann nicht pauschal gesagt werden. Wer viel fährt, mehrere Kinder transportieren will, gerne joggt und ein echter Fahrrad-Freak ist, der sollte definitiv auf einen Veloanhänger setzen. Für täglich kurze oder seltenere Ausflüge und Besorgungen tut es vielleicht auch der wesentlich günstigere Velokindersitz. Die Vor- und Nachteile der jeweiligen Transportart im Überblick:
Vorteile Veloanhänger
Schaut man sich auf den Fahrradwegen auf dem Land und in den Städten um, sieht man sie überall. Die Rede ist von Veloanhängern. Mittlerweile scheint es fast so, als hätte der gute alte Fahrradsitz ausgedient und werde vom Anhänger aus dem Strassenbild verdrängt. Doch was sind eigentlich die Vorteile eines Veloanhängers für Kinder?
Federung:
Im Fahrradanhänger können wir schon die Kleinsten mitnehmen. Durch entsprechende Federung und den speziellen Babyeinsatz werden Stösse bei der Fahrt wesentlich besser abgefangen als im Fahrradsitz.
Erlebnis:
Für die Kids ist eine Fahrt im Anhänger aufregend und gemütlich. Sie haben mehr Bewegungsfreiheit und können auch spielen, da Bücher und Spielsachen nicht so leicht herausfallen.
Witterungsschutz:
Im Anhänger sind unsere Zwerge vor Wind, Wetter und nicht zuletzt vor Insekten geschützt.
Sicherheit:
Bei Unfällen besteht eine höhere Knautschzone als bei einem Kindersitz, die Verletzungsgefahr ist geringer. Automobilisten agieren zudem bei einem Anhänger durch den grösseren Platzanspruch in der Regel vorsichtiger. Platz:
Wir haben genügen Raum für Verpflegung, Spielzeug, Ersatzkleidung, Windeln usw.
Komfort:
Für Urlaubsreisen und längere Touren ist der Anhänger gut geeignet, da unsere Liebsten bequemer sitzen.
Kapazität:
Mit den meisten Anhängern haben wir die Möglichkeit, zwei Kinder gleichzeitig zu transportieren bzw. mit zwei Velos sogar bis zu vier. Wer langfristig nur ein Kind transportieren muss: Es gibt auch Anhänger als schlanke Einplätzer.
Nachteile Veloanhänger
Wo Vorteile, sind meist auch Nachteile. Das trifft auch beim Veloanhänger zu:
Platzbedarf:
Ein Fahrradanhänger ist recht sperrig und platzraubend, man muss sich im Vorfeld überlegen, wie er aufbewahrt und allenfalls im Auto verstaut werden kann. Beim Kauf sollte darauf geachtet werden, dass er sich zusammenfalten lässt.
Kosten:
Der Preis eines guten und neuen Anhängers (vor allem mit verbauter Federung) ist beachtlich und kann von mehreren hundert Franken bis in einen vierstelligen Betrag reichen. Durch den zeitlich beschränkten Einsatz ist der Kauf eines guten Occasions-Anhängers häufig zu empfehlen.
Abgase:
Die Anhängerhöhe befindet sich gerade etwa in Auspuffhöhe der Autos - so sind unsere Kleinen den Abgasen ausgesetzt, wenn wir viel im Verkehr unterwegs sind.
Spurbreite:
Das Fahrverhalten mit Anhänger ist schwerfälliger als ohne: An die grössere Spurbreite sollte gedacht werden, vor allem auch in engen Kurven.
Gewicht:
Anhänger sind schwerer als Kindersitze. Vor allem bei Steigungen macht sich das zusätzliche Gewicht markant bemerkbar.
Das gilt es beim Anhängerkauf zu beachten
Flexibilität:
Beide Elternteile sollten bei Bedarf den Fahrradanhänger ziehen können. Tipp: zweite Kupplung mitbestellen!
Laufruhe:
Grosse Laufräder sorgen für weniger Kraftaufwand.
Bauweise:
Der Fahrradanhänger sollte mit Qualitätssiegeln versehen sein. Bei Occasionsmodellen Qualität gut überprüfen.
Dämpfung:
Eine einstellbare Federung sorgt für mehr Komfort für Fahrer und Passagier.
Spurtreue:
Ein tiefer Schwerpunkt sorgt für bessere Kippsicherheit.
Ausstattung:
Folgende Sicherheitsmerkmale sollten vorhanden sein: Rück- und Seitenstrahler; Wimpel; gepolsterte 5-Punkte-Sicherheitsgurte; Überrollbügel; Feststellbremse.
Vorteile Velokindersitz
Doch nicht nur ein Veloanhänger hat Vor- und Nachteile, auch für oder gegen einen Kindersitz gibt es schlagkräftige Argumente. Zuerst die Pros:
Kurzeinsatz:
Für den täglichen und kurzen Gebrauch ist der Fahrradsitz sehr praktisch. Er ist schnell und leicht montiert und spart somit oft Zeit und Nerven.
Kontakt:
Im Velokindersitz finden unsere Kleinen direkt hinter uns Platz. Wir können uns mit ihnen unterhalten oder sie trösten, wenn sie Angst haben.
Aussicht:
Die Kids sitzen höher und haben so einen anderen Blickwinkel und besseren Überblick als im Fahrradanhänger.
Wendigkeit:
Gerade wenn man im Gelände unterwegs ist, sprechen die bessere Manövrierfähigkeit und der praktische Umgang mit Berg- und Talfahrten für den Fahrradsitz, da wir hier unser Tempo nicht extra anpassen müssen und es keine grossen Einschränkungen im Bremsverhalten gibt.
Kondition:
Sowohl Muskeln wie Ausdauer werden geschont, denn wir müssen keinen schweren Anhänger ziehen.
Preis:
Ein Kindersitz ist wesentlich günstiger als ein Anhänger und bereits um die hundert Franken zu erstehen.
Nachteile Velokindersitz
Komfort:
Immer in derselben Position zu verharren, wird für unsere Kleinen mit der Zeit unbequem, sie werden dadurch eher quengelig, vor allem bei längeren Ausfahrten.
Wind und Regen:
Unsere Zwerge sind jeder Witterung ausgesetzt.
Fehlende Knautschzone:
Es gibt so gut wie keine Knautschzone bei Stürzen und anderen Unfällen.
Kapazität:
Es kann nur ein Kind transportiert werden.
Kein Stauraum:
Zusätzliches Gepäck hat kaum Platz.
Das gilt es beim Velositzkauf zu beachten
Befestigung:
Wie wird der Kindersitz am Fahrrad befestigt? Der Durchmesser des Sattelrohrs und weitere Anbaumasse zur Sattelstange oder dem Gepäckträger sollten zum Kindersitz passen.
Dämpfung:
Die Polsterung sollte ausreichend dick und stabil befestigt sein, damit die Kinder nicht jeden Stoss ungepolstert abbekommen.
Sicherheit:
Sicherheitsgurt und Fussrasten sollten grössenverstellbar sein. Dazu müssen die Füsse und Beine der Kinder durch die Bauart des Kindersitzes vor den Speichen gesichert sein.
Passende Montage
Vor dem Kauf sollten wir uns klar werden, ob unser Fahrrad überhaupt für Anhänger und Kindersitz ausgerüstet ist oder was wir allenfalls dazu brauchen. Bei modernen Velos sollte es für die Montage eines Anhängers in der Regel keine Probleme geben, wenn die Kupplung zum Anhänger passt. Lediglich die Achsenlänge sollte vorab gecheckt werden, da sich durch die rund fünf Millimeter breite Kupplung die Achse oft nicht mehr festschrauben lässt. Auch ein Kindersitz kann übrigens nicht an jedes x-beliebige Fahrrad montiert werden. So darf beispielsweise an einem Karbongestänge wegen Bruchgefahr kein Fahrradsitz befestigt werden. Zudem sollte das Fahrrad einen Fahrradständer besitzen.
Veloanhänger vielseitiger einsetzbar
Wer nicht nur gerne Rad fährt, sondern auch gerne spaziert oder joggen möchte, für den ist ein Fahrradanhänger auf jeden Fall die bessere Wahl. Denn diesen kann man auch zum Wandern, Joggen oder Langlaufen verwenden. Je nach Modell sind ein bewegliches Buggyrad oder ein festes Frontrad im Lieferumfang mitenthalten, bei anderen müssen die Erweiterungen (Buggy-, Jogging- oder Langlaufset) extra dazugekauft werden. Marken-Tipp: Thule (Chariot-Modelle) ist bekannt für Topqualität, die allerdings auch einen stolzen Preis hat. Dafür lassen sich Thule-Veloanhänger vielseitig einsetzen, wobei die meisten Zubehörteile separat gekauft werden müssen. Deutlich günstiger ist der deutsche Hersteller Qeridoo, der allerdings aus Kostengründen in China produzieren lässt. Die Qualität ist aber in Ordnung und der Preis ist um bis zur Hälfte günstiger wie bei Thule. Geht es um Haltbarkeit und Wiederverkaufswert, hat Thule logischerweise die Nase vorn. Eine weitere empfehlenswerte Marke ist Croozer. Auch hier gibt es tolle Erweiterungs-Sets und die Qualität stimmt.
Kindersitze sind günstiger
Velokindersitze sind im Vergleich zum Anhänger günstiger. Bei einem Anhänger müssen wir schon deutlich mehr Geld in die Hand nehmen. Vielleicht ist es daher zu überlegen, sich nach Occasionen umzuschauen. Im Internet gibt es zahlreiche Portale (Ricardo, Tutti), wo wir gebrauchte Fahrradanhänger finden können. Wichtig: Beim Second-Hand-Kauf unbedingt alles genau kontrollieren und allenfalls vor der ersten Fahrt einen Service durchführen lassen. Tipp: Finger weg von gebrauchten No-Name-Modellen. Billige Veloanhänger rosten schnell, die Nähte gehen auf, Farben bleichen aus und die Gesamtqualität kann sogar beim Neukauf bedenklich sein.
Für die Grossfamilie
Wie wir zwei Kinder problemlos mit dem Fahrrad mitnehmen können, wissen wir nun ja. Wie stellen wir es aber an, drei bzw. vier kleine Zwerge, die selbst noch nicht Fahrrad fahren können, mit zu einem Fahrradausflug zu nehmen? Eine Möglichkeit wäre, einen Fahrradanhänger zu verwenden, auf dem Zugfahrrad einen Kindersitz zu befestigen und auf dem Fahrrad des Partners ebenfalls einen Fahrradkindersitz zu montieren. Bei einem derartigen Ausflug sollte die Wahl allerdings auf eine eher kurze, gemütliche Strecke fallen. Denn vier kleine Kinder bei Laune zu halten, ist nicht gerade einfach. Ausserdem empfiehlt sich bei viel Gepäck und mehreren Kindern ein E-Bike für mehr Power. Ansonsten endet die Fahrradtour bei nicht Toptrainierten schneller als erwartet.