Büssli-Ferien
Vanlife in der Schweiz
Kaum ist der letzte Schnee geschmolzen, beginnt für unsere Autorin und ihre Familie die Campingsaison. Dann stellen sie ihren VW-Bus am liebsten auf abgeschiedenen Stellplätzen ab. Tipps für pures Vanlife-Gefühl in der Schweiz.
Mit Kribbeln im Bauch rollen wir auf das uns noch unbekannte Camp zu. Wir diskutieren kurz im Vierer-Pingpong, wie wir unseren Bus am besten platzieren, damit wir möglichst viele Vorteile haben: Morgensonne, Aussicht, die Köpfe in diese oder jene Richtung? Und wie ist es mit der Marquise? Wir einigen uns schnell und stellen unser Büssli auf dem für uns vorgesehenen Platz ab. Zack, zack. Die Griffe sitzen. Die Kinder schwärmen bereits aus und wir Eltern erfreuen uns an der Ruhe und am Vogelgezwitscher.
Seit 2018 ist ein schwarz-weisser VWT5-Bus unser rollendes Zuhause während der Sommerferienzeit. Unser Glück suchen und finden wir meistens fernab vom Gewusel überfüllter Campingplätze mit Dauercamper* innen. Je abgeschiedener der Stellplatz, desto wohler fühlen wir uns.
Da wir nicht die Einzigen sind mit dem Bedürfnis naturverbunden und «für uns» zu campen, sind Plattformen hoch im Kurs, die Stellplätze bei Bauernhöfen oder privaten Angeboten vermitteln und so einen nachhaltigen und lokalen Tourismus schaffen. Gewisse Gemeinden eröffnen sogar Anfang Saison Pop-up-Campingplätze, um der grossen Nachfrage gerecht zu werden.
Da Wildcampieren in der Schweiz zwar nicht explizit verboten, aber je nach Kanton anders geregelt ist, haben wir bisher davon abgesehen, unseren VW-Bus auf das Geratewohl mit hochgeklapptem Dachzelt irgendwo hinzustellen. Wer das aber ausprobieren möchte, setzt sich vorgängig am besten mit dem lokalen Tourismusbüro oder der Gemeindeverwaltung in Verbindung, um zu vermeiden, vertrieben zu werden. Oftmals weisen Verbotsschilder darauf hin, wo keinesfalls gecampt werden darf. Es ist selbstverständlich, dass in Naturschutzgebieten, Jagd- und Wildruhezonen ein klares Campingverbot herrscht. Und Ehrensache: keinen Müll – oder, noch schlimmer – Fäkalien liegen lassen! Das gilt überall.
Wir fahren also nicht wildromantisch los ins Blaue, sondern suchen vorab intensiv nach passenden und überschaubaren Stell- oder Campingplätzen. Oft planen wir die Route entlang der verfügbaren Wunschstellplätze und nicht von einer bestimmten Destination ausgehend. Kaum irgendwo angekommen, dauert es nicht lange, bis die Kinder sich ein Bild von unserem temporären Camp gemacht haben. Sie freuen sich besonders über Tiere oder einen Hofladen mit Selbstgemachtem.
Kinder brauchen im Büssli wenig
Beim Unterwegssein kommen sie mit erstaunlich wenig aus: Eine kleine Kiste Schleichtiere, ein paar Comics, Steinschleuder und Sackmesser reichen. Sie bauen sich ein Zelt, lesen, hören eine Geschichte oder basteln. Wir haben sogar schon mithilfe von Feuer selbst Löffel und Gabeln geschnitzt oder bei Regenwetter Armbänder geknüpft.
Diese Art von Urlaub ist Balsam für unsere Stadtseelen und lässt enorm viel Raum fürs Runterfahren und für ausgiebige Gespräche. Zusammen kochen, gemütlich am Feuer frühstücken oder auch mal bei Regen zusammengepfercht im Bus ausharren. Abends Open-Air-Kino auf einer Picknickdecke im Gras geniessen oder einfach in den Nachthimmel blicken und Sternschnuppen zählen. Das sind unbezahlbare Momente und machen das Draussensein zu etwas ganz Besonderem.
Wir lieben es, tun und lassen zu können, wozu wir gerade Lust haben, ohne dass uns ein aufdringliches Nachbarskind in den Kofferraum steigt, ein neugieriger Campingnachbar belauscht oder es sich jemand ungeladen in unseren Campingstühlen bequem macht, um zu prüfen, ob er sich dieses Stuhlmodell vielleicht kaufen will – was auf grösseren Zeltplätzen alles schon vorgekommen ist.
Und nahezu jedes Mal, wenn wir ein Camp verlassen, haben wir das Gefühl, es gebe kein besseres. Bis wir beim nächsten angekommen sind…
Vier Lieblings-Plätze für pures Vanlife-Gefühl
Quer über die ganze Schweiz verteilt folgen hier unsere liebsten Stell- und Campingplätze, auf denen wir uns pudelwohl und vogelfrei gefühlt haben. Gebucht haben wir über die Onlineplattform Nomady.
Vanlife-Tipp 1: Camp im Kräutergarten
Auf dem Hof bei Susanne und Res in Weier im Emmental (BE) fühlten wir uns sofort wohl und schätzten das ruhige Plätzli zwischen Maisfeld und Scheune. Die sanitären Anlagen mit gepflegter Dusche und WC waren top, und für den Abwasch gab es auch genügend Platz und Warmwasser. Empfehlen können wir die hausgemachten Tees mit Kräutern, die direkt auf dem Hof angebaut und getrocknet werden. An den anderen Gästen, die im Hüsli am Kräutergarten einquartiert waren, kamen wir wunderbar vorbei. Wir hatten das Glück, dass unser Aufenthalt in die Zeit der reifen Heidelbeeren fiel und wir gemütlich mit unseren Rädern zu Brachers Hof runterfahren konnten, um die feinschmeckenden blauen Wunder selber zu pflücken. Im Restaurant Tannenbad, zu Fuss eine Viertelstunde entfernt, haben wir in der Gartenbeiz Köstlichkeiten aus der Region geschlemmt.
Vanlife-Tipp 2: Wildcamp am Kleinberg
Bei Mikes Stellplatz in Flumserberg Saxli (SG) hatten wir das Gefühl, auf einem fremden, entschleunigten Planeten mitten in der Natur gelandet zu sein. Einmal geparkt, verliessen wir diesen fast schon magischen Ort ungern. Die Weitsicht auf den Walensee, die friedlich weidenden Esel und die funkelnden Sterne in der Nacht liessen unsere Campingherzen höherschlagen. Als wir da waren, hatten wir das Plätzchen für uns allein. Heute wird der Stellplatz parallel mit dem Tipi vermietet. Es kann also sein, dass man den Ort und die sanitären Anlagen mit anderen Gästen teilt. Es gibt aber genügend Freiraum. Wir erkundeten die Umgebung zu Fuss, erfrischten uns im kalten Bergbach und wanderten mit Mike und seinen drei Eseln durch die Urwälder des Kleinbergs. Tipp: genügend Proviant mitnehmen, um das Camp nicht unnötig für Einkäufe verlassen zu müssen. Im Biogarten von Mike haben wir uns mit frischem Obst und Gemüse eingedeckt.
Vanlife-Tipp 3: Wydhof-Camp
Auch bei Madeleine und ihrer Familie in Flaach (ZH) erfüllten sich unsere Erwartungen. Unser Camp bauten wir hinter dem alten Schopf bei den Obstbäumen auf und genossen es, den Platz für uns alleine zu haben. Wir durften sogar unser Zelt aufstellen. Die sanitären Anlagen teilten wir ohne jegliches Problem mit den anderen Feriengästen vom Wydhof. Die Kinder liebten den Pool und den Spielplatz und wir Erwachsenen den Blick auf die Obstbäume. Mit unseren Rädern unternahmen wir lange Touren entlang des Rheins, während die Kinder herumliegende Kartoffeln von den Feldern retteten, die wir dann zurück im Camp zu Rösti verarbeiteten. Bei schönem Wetter kann man sich auch wunderbar in der nahe gelegenen Badi Flaach erfrischen oder auf dem Erlebnispfad des Naturzentrums Thurauen mehr über das Auenschutzgebiet erfahren.
Vanlife-Tipp 4: Bosco della Bella
Der Camping Bosco della Bella in Monteggio im Tessin, direkt an der italienischen Grenze, hat es uns besonders angetan: Vogelgezwitscher, das Rauschen der Tresa, Grün in allen Nuancen, ein Pool, sympathische und entspannte Mitcamper* innen und pures «dolce far niente». Das Centro Vacanze wurde Anfang der 1960er-Jahre für Pro Juventute Schweiz vom bekannten Architekten Justus Dahinden erbaut. Wir hatten freie Platzwahl und stellten unseren Van unter die Bäume, mit Aussicht auf die Tresa, den Fluss, der die Grenze zu Italien bildet.
Wir waren nur eine Handvoll Camper* innen, die sich diesen wunderbaren, aber etwas in die Jahre gekommenen Ort mit den Gästen der Ferienanlage teilten. Ab und zu gönnten wir uns eine frische Holzofenpizza aus dem nahen Walliserstübli oder kauften den Kindern nach dem Schwimmen im Pool eine Portion Pommes an der Snackbar. Die hügelige Umgebung lässt sich prima zu Fuss erkunden. Wer mag, schwärmt zum wöchentlich stattfindenden Markt in Luino (I) aus. Mit dem Ticino Ticket fährt man kostenlos.
Gute Büssli-Plätze in der Schweiz finden
Apps, Netzwerke von Gleichgesinnten und Buchungsplattformen helfen dabei, die Juwelen unter den Stellplätzen zu finden. Orte, an denen wahre Abgeschiedenheit auch in der Schweiz möglich ist.
PlaceToBee ist ein Netzwerk von Produzent* innen aus Weinbau und Landwirtschaft. Für eine Nacht übernachtet man kostenlos bei registrierten Gastgeber* innen in der ganzen Schweiz. Und dies mitten in der Idylle. Besonders toll ist es, die hofeigenen Produkte und lokalen Spezialitäten auszuprobieren. Einziger Wermutstropfen: Man muss sich auf eine Nacht beschränken. Wer die idyllischen Stellplätze von PlaceToBee nutzen möchte, kauft sich eine Jahresvignette für 66 Franken und düst dank digitalem Mitgliederausweis gleich los. ➺ place-to-bee.com
Nomady bietet wilde und romantische Stellplätze, aber auch Hütten, Jurten, Tipis oder Baumzelte bei privaten Landbesitzer* innen in der Schweiz und neu auch in Frankreich, Italien und Österreich. Die Plattform ist schnell gewachsen: Es lohnt sich, die Kommentare unter den einzelnen Campangaben zu lesen. Denn Landbesitz sagt noch nichts über die Gastgeberqualitäten aus. ➺ nomady.ch
Zelter ist die Schweizer Plattform für Freundinnen und Freunde, die nicht genug davon bekommen, im Zelt zu übernachten. Sei es im eigenen oder einem komplett eingerichteten Zelt. Zelter bringt Campierende und Landbesitzer* innen zusammen. Auf der Startseite hat man die Qual der Wahl zwischen Baumzelten, Tipis oder Jurten und lauschigen Plätzchen für die eigenen vier Zeltstangen. ➺ zelter.ch
Agrotourismus Schweiz – Ferien auf dem Bauernhof: Wer auf den gängigen Plattformen nicht fündig wird, findet eine kleine Auswahl an Stell- und Campingplätzen auf Agrotourismus Schweiz. Die meisten Orte sind sehr kinderfreundlich, die Preise absolut moderat. Die Anzahl Stellplätze sind mit allen Details beschrieben, was einen guten Einblick des Campingrahmens erlaubt. ➺ myfarm.ch/de/campingplatz-zeltplatz
Parkn’Sleep: Die App zeigt Stellplätze für Campervans und Wohnmobile ohne Vorreservierung an. Check-in digital vor Ort. ➺ parknsleep.eu
Park4Night: In der App finden sich weltweite Stellplätze. Sie lebt von den vielen Insidertipps aus der Community. ➺ park4night.com
Stellplatz Radar: Diese App kennt europaweite Stellplätze mit allen Details und verfügt über eine Offline-Karte. ➺ stellplatz-radar.promobil.de
Nach dem Studium der Visuellen Kommunikation in Luzern machte Claudia Jucker einen Abstecher in die Filmbranche und folgte dann, als sie Mutter wurde, ihrer Leidenschaft fürs Schreiben und Gestalten. Heute arbeitet sie als freie Journalistin und Content Creator für Print- und Onlinemedien mit Fokus Reisen, Familie und Lifestyle. Wenn sie nicht schreibt, badet sie im Wald, streichelt Ponys oder schmökert durch Magazine. Sie lebt mit Mann und Kindern in Zürich. claudiajucker.com