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Entwicklungsstufen
Sackgeld wofür?
Von Samantha Taylor
Man braucht es fürs Wohnen, fürs Einkaufen und für die Ferien: Geld ist omnipräsent und doch abstrakt. Tipps, wie man Kleinkindern, Schulkindern und Teenagern den Umgang damit erklärt.
Leni, 3 Jahre
Leni spielt mit ihrem Papa «Verkäuferlis». Sie verlangt für einen Apfel 200 Franken. Ihr Vater findet das zu teuer und argumentiert, dass ein Apfel etwa 50 Rappen kostet. Als er sich weigert, 200 Franken zu bezahlen, wird Leni wütend.
Sprechen Kinder in diesem Alter über Geld, hat das meist wenig mit der Realität zu tun. Da wird schon mal mit eindrücklichen Beträgen hantiert. Aussagen wie «Ich habe 100 000 Franken» oder jene von Leni beim Verkäuferlis sind keine Seltenheit. «Geld ist für Dreijährige ein abstraktes Konzept. Sie können sich nichts unter diesen Beträgen vorstellen», sagt Celia Brocard, Projektverantwortliche bei Pro Juventute und zuständig für die Vermittlung von Finanzkompetenz. Der Grund: Kinder können in diesem Alter noch wenig mit Zahlen anfangen. Auch, wenn sie bis zehn oder sogar weiter zählen können, ist ihnen oft nicht klar, dass acht mehr ist als zwei. Auch Leni weiss deshalb nicht, was viel oder wenig Geld ist, und sie hat erst recht keine Vorstellung davon, welche Dinge wie viel kosten. Leni im Spiel zu korrigieren und ihr die 200 Franken für einen Apfel zu verweigern, ist wenig zielführend. Ausserdem wird sie kaum etwas daraus lernen. Denn sie versteht weder das Problem des hohen Preisschilds, noch kann sie sich merken, wie viel ein Apfel in Wirklichkeit kostet.
Kinder interessiert der Alltag. Es ist jenes Alter, in dem sie Eltern und andere Bezugspersonen sowie alltägliche Situationen im Spiel imitieren: Sie kochen, füttern Stofftiere, verarzten Puppen oder gehen einkaufen. Auch Leni hat beobachtet, wie ihre Eltern im Laden Produkte aussuchen, zur Kasse bringen und dafür bezahlen. Diese Situation spielt sie nach. Im Fokus steht für sie der Ablauf des Nehmens und Gebens. Beträge interessieren sie nicht.
Trotzdem können Eltern auch mit Dreijährigen über Geld reden. Beispielsweise, indem sie ihnen im Alltag sagen, was Dinge kosten. «Das kann man ganz beiläufig tun. Eltern sollten dabei nicht den Anspruch haben, dass ihre Kinder direkt etwas daraus lernen. Es geht darum, Geld allgemein zu thematisieren.» Eine andere Möglichkeit ist, Kinder beim Einkaufen zu integrieren und sie mit Bargeld an der Kasse bezahlen zu lassen. Brocard: «Kinder lernen so, dass man in einem Laden nicht einfach was nehmen und gehen kann, sondern dass man eben bezahlen muss.»
• Sprechen Eltern im Beisein der Kinder über Geld, führen sie diese sanft an das Thema heran. Dabei kann zum Beispiel auch besprochen werden, was man sich als Familie leisten kann und was nicht. Oder was wie viel kostet. Kinder lernen so, dass Geld ein Thema ist, über das man offen reden kann.
• Bezahlen mit Bargeld ist für Kinder greifbarer als mit einer Kreditkarte. Sie sehen, dass man etwas abgibt. Kreditkartenzahlungen hingegen wirken abstrakt. Sie vermitteln eher den Eindruck, als müsste man nichts hergeben und als sei Geld grenzenlos vorhanden.
• Dürfen Kinder auch mal selbst bezahlen, erfahren sie direkt, wie das mit dem Geben und Nehmen funktioniert.
Celia Brocard, Projektverantwortliche Finanzkompetenzen Pro Juventute.
Felix, 6 Jahre
Felix hat 3 Franken als Taschengeld für die Woche bekommen. Er will gleich alles für Süssigkeiten ausgeben. Seine Mutter schlägt ihm vor, das Geld lieber für etwas Sinnvolleres zu sparen. Davon will Felix aber nichts wissen.
Taschengeld ist ein Übungsfeld für Kinder, bei dem sie den Umgang mit Geld lernen. Darum sollten sie damit möglichst selbstbestimmt umgehen dürfen. Es darf für Wünsche ausgegeben werden – auch für Süssigkeiten», sagt Celia Brocard. Wichtig: Die Grundregeln der Familie gelten weiterhin. Dürfen beispielsweise vor dem Essen keine Süssigkeiten genascht werden, gilt das auch für die selbst gekauften Gummibärchen. Es kann hilfreich sein, diese Regeln noch einmal zu besprechen, wenn es um das Thema Taschengeld geht.
Das Einführen von Taschengeld macht im Alter zwischen sechs und sieben Jahren Sinn. «Mit dem Schulstart entwickeln Kinder ein grosses Interesse für Zahlen. Auch Geld wird zunehmend ein Thema», erklärt Brocard. Der Dachverband der Budgetberatung empfiehlt in den ersten Jahren folgende Beträge:
• ab 6 Jahren 3 Franken pro Woche
• ab 7 Jahren 4 Franken pro Woche
• ab 8 Jahren 5 Franken pro Woche
Dabei handelt es sich um Richtwerte. Das Taschengeld an Bedingungen oder Aufgaben zu knüpfen, davon raten Expert:innen ab. Kinder sollten das Geld zu einem vereinbarten Zeitpunkt und bedingungslos erhalten. «Knüpft man es an Aufgaben, helfen Kinder nur aufgrund eines finanziellen Anreizes mit. Das ist pädagogisch nicht sehr wertvoll», sagt Brocard. Zudem sei es wichtig, die Eltern-Kind-Beziehung nicht zu ökonomisieren. Ältere Kinder können sich aber durchaus etwas dazuverdienen, indem sie einmalige Aufgaben übernehmen, wie Fenster putzen oder den Keller aufräumen.
Felix kauft sich seine Süssigkeiten. Am Kiosk entdeckt er noch Fussballbilder, die er möchte. Doch sein Geld ist schon weg. Soll ihm seine Mutter finanziell unter die Arme greifen? Nein, empfiehlt Brocard: «Kinder müssen auch Fehler machen. Zum Beispiel ihr ganzes Geld für Süssigkeiten ausgeben und nichts mehr für einen weiteren Wunsch übrig haben. Müssen sie verzichten, lernen sie, ihr Geld einzuteilen. Springen Eltern finanziell ein, entfällt dieser Lerneffekt.»
Solche Wünsche sind übrigens eine gute Möglichkeit, Kinder zum Sparen zu animieren. Gemeinsam mit dem Kind können Eltern ausrechnen, wie viele Wochen es sein Geld zur Seite legen muss, bis es sich das gewünschte Legoset für 12 Franken kaufen kann. Laut Brocard wird Sparen für Kinder so attraktiver und sinnvoller als ohne konkretes Ziel.
• Nur Bares ist Wahres: Beim Taschengeld macht dieser Spruch Sinn. Gerade für jüngere Kinder ist es wichtig, das Bargeld zu erhalten. Beträge sind so weniger abstrakt, sie können besser rechnen und haben den Überblick über ihre Finanzen.
• Taschengeld kann man nicht nur sparen oder ausgeben. Es gibt Sparschweine, in denen man das Geld aufteilen kann. Zum Beispiel für Ausgeben, Sparen und Gutes tun, wie Spenden oder jemanden einladen. Kinder finden solche Ideen oft spannend.
• Die Höhe des Taschengeldes sollte ans Familienbudget angepasst sein. Die Empfehlungen der Budgetberatungen sind Richtwerte. Wichtig: Kindern erklären, weshalb sie welchen Betrag erhalten.
Luna, 12 Jahre
Luna kommt in die Oberstufe. Sie findet es uncool, das Taschengeld bar zu bekommen. Lieber möchte sie, dass ihre Eltern ihr das Geld auf ein Konto überweisen, damit sie mit einer Debitkarte oder per Twint bezahlen kann.
Mit dem Eintritt in die Oberstufe verändert sich bei Kindern und Jugendlichen einiges: Das eigene Handy wird ein Thema, sie verbringen mehr Zeit ausser Haus, Freunde werden wichtiger. Laut Celia Brocard ist dies ein guter Zeitpunkt, auch beim Taschengeld neue Wege zu gehen. «Haben Jugendliche den Wunsch nach digitalen Zahlungsmöglichkeiten wie Twint oder einer Debitkarte, ist dies ein guter Moment, darüber zu reden. Bis zu diesem Alter haben sie erste Erfahrungen im Umgang mit Geld gemacht. Es ist nicht mehr so abstrakt.»
Luna bekommt ihre Debitkarte. Bevor es jedoch so weit ist, besprechen ihre Eltern mit ihr noch einmal die Regeln, die beim Taschengeld gelten, erklären ihr, dass digitales Geld nicht unbegrenzt zur Verfügung steht, und legen ihr nahe, regelmässig einen Blick auf ihr Konto zu werfen. Entscheiden sich Eltern für den Schritt in die Welt des digitalen Geldes, sollten sie ihren Kindern vertrauen. Ein «heimlicher» Blick aufs Konto oder gar regelmässige Kontrollen sollte man unterlassen. «Im besten Fall bleibt man mit dem Kind im Gespräch über Geld und erfährt so, wie es finanziell aussieht», sagt Brocard. Beruhigend für Eltern: Jugendkonten kann man nicht überziehen. Ein weiteres Thema, das in diesem Alter aufkommt, ist der Jugendlohn. Jugendliche ab 12 Jahren bekommen monatlich einen fixen, höheren Betrag von ihren Eltern. Ein Teil dieses Geldes steht ihnen zur freien Verfügung, mit dem anderen Teil müssen sie gewisse Ausgaben bezahlen. Welche das sind, legen Eltern und Jugendliche gemeinsam fest. Mögliche Posten sind Prepaid-Handy, Verpflegung ausser Haus, Abos für den öffentlichen Verkehr oder Kleider. Nicht in den Jugendlohn gehören das Wohnen und Essen zu Hause, Krankenkasse sowie Familienausflüge und -ferien. «Jugendliche übernehmen finanzielle Verantwortung und lernen zum Beispiel, wie viel Dinge kosten und wie sie ihr Geld sinnvoll einteilen können. Das stärkt Selbstvertrauen und Selbstständigkeit», sagt Brocard. Die Höhe des Jugendlohns hängt von den Ausgabeposten ab. Auch der richtige Zeitpunkt für die Einführung ist individuell. Die meisten Eltern haben laut Brocard ein gutes Gespür dafür, wie viel Verantwortung ihre Kinder übernehmen können und wollen.
• Reden, reden, reden: Digitales Taschengeld eröffnet neue Konsummöglichkeiten wie Online-Shopping. Es lohnt sich, immer wieder das Gespräch zu suchen, um im Bild zu bleiben, wie die finanzielle Situation aussieht.
• Eltern sollten Jugendliche über die Verlockungen und Gefahren der digitalen Welt aufklären. Auch Schulden sollte man thematisieren. Auch der elterliche Umgang mit Geld kann Orientierung bieten.
• Das Konto ist leer, die Handyrechnung wartet aber noch darauf, vom Jugendlohn bezahlt zu werden? In solchen Fällen können Eltern aushelfen, indem sie das Geld vorschiessen. Allerdings mit vereinbarten Regeln fürs Zurückzahlen.