Co2-Bilanz
Darf man noch Bananen essen?
Wir alle scheinen der Umweltdebatte überdrüssig zu sein. Gerade uns Eltern darf die Klimakrise aber nicht egal sein. Tipps, wie Familien nachhaltiger leben können.
Der Klimareport der Unicef spricht Klartext: «Kinder haben keine sichere Zukunft», so das traurige Fazit des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen. Rund um den Globus sind 820 Millionen Kinder von starken Hitzewellen betroffen, 920 Millionen Kinder von Wasserknappheit, eine Milliarde Kinder von extremer Luftverschmutzung.
Das ist erschütternd. Doch irgendwie scheinen wir alle seit der Pandemie in eine Lethargie gefallen zu sein. Eine grosse Müdigkeit gegenüber dem Thema Klimakrise macht sich breit. Nach einer Welle der Klimakleber:innen-Empörung scheint das Thema trockengelegt wie der Aralsee. Dabei geht es um nichts weniger als die Zukunft unserer Kinder. Höchste Zeit also, die Köpfe aus dem Sand zu ziehen. Und sich wieder stark zu machen für die Umwelt – auch in unserem Familienalltag. Das bedeutet, wieder einmal über unseren ökologischen Fussabdruck nachzudenken, weniger Energie zu verbrauchen und Abfall zu reduzieren. Denn wer, wenn nicht wir Eltern, kann unseren Kids nachhaltiges Verhalten vorleben? Und damit den Grundstein setzen für ein der Natur gegenüber respektvolles Denken und Handeln?
Öko ist günstiger und gesünder
Ökologisch zu leben und zu konsumieren ist für eine Familie zu kostspielig? Faule Ausrede! Wer ohne Auto auskommt, Saisongemüse kauft, weniger Fleisch isst, die Waschmaschine mit Eco-Programm laufen lässt, seine Kleider flickt, statt der Fast-Fashion zu huldigen und Leitungswasser trinkt, spart Geld. Ein ansehnliches Sortiment an Bioprodukten führen mittlerweile auch Billig-Discounter.
Weil aber der beste Wille oft schon vor dem Obstregal zusammenbricht (Tiefkühlapfel oder Banane?) und familiäre Diskussionen ums Lichterlöschen (spart doch fast kein Strom?!) und Ferienplanung schnell endlos werden, haben wir unseren Fragekatalog zum Thema ökologisches Familienleben den Expert:innen des WWF Schweiz vorgelegt, mit der Bitte um alltagstaugliche und nicht zu ausufernde Antworten. Und hier ist das Ergebnis:
Ernährung & Konsum
1. Biogurke in Plastik oder konventionelle Gurke ohne Verpackung: Was ist nachhaltiger ?
Darüber, wie ein Produkt hergestellt und transportiert wird, entscheidet mehr als die Verpackung. Lokale Bioprodukte sind am besten. Bei importiertem Gemüse kann die Plastikverpackung ökologische Vorteile haben, weil dadurch die Haltbarkeit erhöht wird.
2. Importierte Bioprodukte oder regionaler Einkauf von Nicht-Bioprodukten?
Bio ist vorzuziehen, solange die Produkte innerhalb Europas angebaut und mit dem Zug oder LKW transportiert werden – oder aus Übersee mit dem Schiff kommen. Beim Transport sind die letzten Kilometer entscheidend: Velo, ÖV oder Auto. Beispiel: Werden Orangen mit einem voll beladenen LKW von Spanien bis in die Schweiz transportiert (1060 Kilometer) verursacht dies 228 Umweltbelastungspunkte pro kg Orangen. Fährt man mit dem Auto zum einen Kilometer entfernten Supermarkt, um 1 kg Orangen zu kaufen, fallen dafür zusätzlich 622 Umweltbelastungspunkte an.
3. Winterfrüchte: Äpfel oder Bananen?
Früchte sollten nicht mit dem Flugzeug importiert werden. Allerdings werden die wenigsten Bananen oder Äpfel in die Schweiz eingeflogen. Auf der sicheren Seite ist man mit heimischen Apfel-Lagersorten.
4. Mit welchen fünf Gemüsesorten kommt eine Familie am ökologischsten durch den Winter ?
Chicorée, Chinakohl, Kabis, Nüsslisalat, Pastinaken. Am besten in Bioqualität – und vor allem Gemüse statt Fleisch.
5. Wir ernähren uns als Familie vegetarisch. Wie viele Portionen tierisches Eiweiss sind aus ökologischer Perspektive wöchentlich vertretbar ?
Bezüglich tierischem Eiweiss aus Milchprodukten und Eiern gibt es eine grobe Richtlinie: Danach können 1–2 Portionen Milchprodukte pro Tag verzehrt werden. Eine Portion entspricht einem Glas Milch, 20-30 Gramm Käse oder einem Joghurt. 1–2 Eier pro Woche liegen im Rahmen.
6. Günstige Bioprodukte von Aldi oder Lidl: Wie können wir als Konsument:innen sichergehen, dass kein Greenwashing dahintersteckt?
Auf labelinfo.ch können Konsument:innen sehr einfach Labels miteinander vergleichen.
7. Welches ist das ökologischste Putzmittel ?
Die Belastungen sind aus Gesamtumwelt- und Gewässerschutzsicht relativ gering, da sowohl die Produktion (Inhaltsstoffe) als auch die Entsorgung (Abwassereinigungsanlagen) in der Schweiz stark reglementiert sind. Die Produkte von Held sind aus Umweltsicht top. Aber auch Coop Oecoplan und Migros-Plus-Produkte schneiden gut ab.
8. Pampers oder Stoffwindeln ?
Stoffwindeln mit Einlagen sind vorzuziehen, sofern sie mit geringer Waschtemperatur und/oder Ökostrom gewaschen und an der Wäscheleine getrocknet werden.
9. Ist Periodenunterwäsche ökologischer als Tampons ?
Es fehlen spezifische Studien. Aber bei längerer Nutzungsdauer sind Cups, Periodenpants & Schwämme nachhaltiger als Tampons.
Mobilität
10. Auto statt Flugzeug: Wie oft können wir als Familie für denselben CO2-Verbrauch wie beim Fliegen mit dem Auto nach Rom reisen?
Bei 4 Personen: Ein Auto ist zwischen 5-mal (Benziner) bis 20x-mal (E-Auto mit Ökostrom) effizienter als eine Flugreise. Siehe auch wwf.ch → Footprintrechner
11. Wir haben kein Auto. Dürfen wir, um im Schweizer Durchschnitt zu liegen, dafür alle zwei Jahre eine Familienreise mit einem Kurzflug (Europa) unternehmen?
Der Schweizer Durchschnitt sollte kein Massstab sein, denn die Emissionen des CH-Durchschnitts sind insgesamt viel zu hoch. Grobe Schätzung: Bei 15 000 Jahreskilometern mit dem Familienwagen liegt der CO2- Ausstoss bei 2-3 Tonnen. Das ist etwa dieselbe Menge, die eine vierköpfige Familie auf einer Flugreise ZürichMadrid retour verursacht.
Wohnen und Energie
12. Wie heizt man als Familie in einer Mietwohnung ökologisch?
Mehrmals am Tag stosslüften, Räume, die tagsüber nicht genutzt werden, weniger stark beheizen, Schlafzimmer kühler halten. 1 Grad weniger führt zu etwa 6 Prozent tieferem Energieverbrauch. Vermieter:in darum bitten, eine nachhaltige Heizung einzubauen. Sonnenkollektoren, hocheffiziente Wärmepumpen und Fernwärme-Anschlüsse gehören zu den umwelt- und klimafreundlichsten Heizungen. Bei Holzpellet-Heizungen sind wir zurückhaltender, weil das natürliche Potenzial in der Schweiz dafür fast aufgebraucht ist.
13. Papa streamt einen Film, die Tochter spielt währenddessen das neueste GTA-Game. Was verbraucht mehr Strom?
Beim Streaming von Videos, Filmen und Musik benötigen vor allem die Rechenzentren der Anbieter und die Leitungen Strom. Diese werden aber gerade in der Schweiz meist sehr klimafreundlich betrieben. Im Vergleich zu anderen Aktivitäten ist Streaming nicht sehr relevant für den persönlichen Fussabdruck. Allerdings verbrauchen wir fürs Streaming oft völlig unnötig Energie, etwa beim Abspielen von Musik über Youtube. Dabei werden neben den Audiodaten auch Videodaten gesendet, obwohl man nur den Ton «konsumiert». Die Musik macht aber nur etwa eine Zehntel der Datenmenge des Videostreamings aus.
14. Lohnt es sich angesichts der eingesparten Energie, in der Familie um das Lichterlöschen zu streiten?
Statt ums Lichterlöschen zu streiten, lieber Heiztemperatur reduzieren, aufs Vollbad verzichten, kürzer duschen, beim Kochen nur so viel Wasser erwärmen wie nötig, Deckel auf den Topf.
15. Wäsche im Tumbler oder im Lufttrocknerraum trocknen?
Am besten draussen lufttrocknen. Falls es auf dem Stewi in der Wohnung sein muss: Unbedingt Stosslüften, um Schimmel zu vermeiden.
16. Aus ökologischer Perspektive: Sich als Haustier lieber einen Hamster, eine Katze oder einen Hund anschaffen?
Bei allen Haustieren fällt vor allem der Fleischkonsum ins Gewicht. Also lieber Hamster halten, diese fressen pflanzlich und hauptsächlich Rüstabfälle.
17. Die Zeitung lieber als Print- oder Digitalausgabe abonnieren?
Dazu haben wir keine Daten. Digital ist es vermutlich besser, wenn das Gerät dazu bereits vorhanden ist bzw. auch anderweitig genutzt wird (Smartphone, Tablet, Laptop). Print kann dann sinnvoll sein, wenn es von mehreren Personen gelesen wird.
18. Waschmittel: Flüssig, Pulver oder Waschblätter?
Fällt nicht stark ins Gewicht. Wichtiger ist die Temperatur. Möglichst oft bei 30 Grad Celsius waschen.
19. Jedes in der Schweiz geborene Kind ist letztlich eine Belastung für den Planeten. Sollen Eltern deshalb auf ein zweites, drittes, viertes Kind verzichten?
Problematisch ist für unsere Welt weniger die Anzahl der Menschen als der insgesamt steigende Fussabdruck pro Person. Wichtiger als weniger Geburten sind politische, gesetzliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Solange der Flug günstiger ist als der Nachtzug, die Installation einer Ölheizung günstiger als eine Wärmepumpe und der Staat übermässig Gelder für Autobahnen ausgibt, trägt das sicher nicht dazu bei, den individuellen Fussabdruck zu senken.
20. Welchen ökologischen Fussabdruck hat eine Schweizer Familie durchschnittlich?
Je nach Studie beträgt der Fussabdruck zwischen 12 und 18 Tonnen CO2-Äquivalente pro Person und Jahr. Beim WWF gehen wir von 13.5 Tonnen CO2-Äquivalente aus.