Mit den Kindern verschwindet alles, was man im Haus noch männlich nennen könnte: die Werkzeugkiste mit den scharfen Kanten und die elektrischen Gadgets.
Wie machen Bienen Honig? Unter den zwei Kategorien Fragen, die es gibt in der Welt unserer Töchter, die wir immer noch mit ihren Arbeitstiteln Nummer eins und Nummer zwei anreden, fällt diese in die grössere. In die Kategorie «frag Papa!» Die andere, kleinere Gruppe beinhaltet Fragen wie «dürfen wir noch das nach dem Sandmännchen gucken», «dürfen wir noch mehr Schokolade» und «muss ich mir wirklich die Zähne putzen, ich hab doch gestern schon». Erziehung, das spüren Nummer eins und Nummer zwei, ist besser bei Mama aufgehoben. Papa ist eher für Dinge zu gebrauchen, die keine dringende Wichtigkeit haben. In dieser Welt voller Frauen, die meine Familie ist, bin ich kein Must-have. Ich bin Nice-to-have.
«Papa, wie machen Bienen eigentlich Honig?» Nummer eins steht vor mir und sieht mich unter ihren unverschämt langen Wimpern mit strahlenden Augen an. In der letzten Zeit bemerke ich immer wieder, dass sie ungeheuer stolz ungeheuer schwierig zu beantwortende Fragen stellt, um mich dann mitten in der elaborierten Antwort mit einer neuen Frage zu unterbrechen. «Warum kann ich Engel nicht sehen?» Nun ja, Nummer eins, das liegt daran, dass … «Was passiert jetzt mit dem Hochzeitskleid von Prinzessin Viktoria?» «Ähm, können wir erst das mit den Engeln…? Also Engel, die…» «Okay!» Und dann ist sie weg. Strahlend. Hast du mir überhaupt … Offensichtlich nicht. Nummer eins ist weg, versorgt mit dem guten Gefühl, ihren Vater ein bisschen beschäftigt zu haben. Denn wenn man es sich genau ansieht, dann weiss sie einfach, dass es mich freut, wenn sie mir Fragen stellt. Dass ich mich in Wahrheit freue, wenn sie neugierig ist und etwas lernen will – so weit ist das Konzept bei ihr noch nicht gediehen. Und da stehen wir nun: Was eigentlich mein Beitrag zu ihrer Erziehung sein sollte, ist eine Beschäftigungstherapie für mich geworden. Das Positivste, was man da noch herausziehen kann, ist: sie mag mich. Sie möchte, dass es mir gut geht, diesem merkwürdigen, behaarten, grummeligen Wesen, das in ihrem Haus wohnt. Im Prinzip rangiere ich für sie auf einer Ebene mit Willy Brandt, unserem Kater. Den lieben die Töchter auch.
Unser Haus ist weiblich geworden, als die Kinder kamen. Nicht nur, weil es Töchter sind. Alle kleinen Kinder sind im Prinzip weiblich, weil alle ihre Bedürfnisse Mami-Bedürfnisse sind: Wärme und Nähe und Zärtlichkeit. Gleichzeitig verschwand alles, was man in unserem Haus noch männlich hätte nennen können: die Werkzeugkiste mit den scharfen Kanten und den Mordwerkzeugen drin genauso wie die Golfschläger und die elektrischen Gadgets – alles verbannt in die hintersten Winkel von verschlossenen Kammern, bei denen immer das Licht kaputt ist. Aus den Augen, aus der Schussbahn. Es wird gekuschelt, und seien wir ehrlich, im Kuscheln ist Papa nur zweite Wahl nach Mama. Papa ist besser in anderen Dingen. Für andere Dinge.
Ich muss unbedingt herausfinden, wie das mit den Bienen und dem Honig funktioniert.
Michalis Pantelouris
Michalis Pantelouris (39), Journalist, lebt mit Frau und zwei Töchtern (6 und
10) in Hamburg — und kennt inzwischen jeden Ponyhof im Stadtgebiet.