
Karina Scholz
Reisen
Nach Vietnam mit den Kindern
Von Karina Scholz
Gefällt eine Reise nach Vietnam auch Kindern? Meistens ja, findet unsere Autorin Karina, nachdem sie sich samt Familie in die fremde Kultur gestürzt hat, in der sie einst vier Jahre gelebt hatten. Eine Rückkehr.

Eine frische Kokosnuss zum Trinken, die Brise des Ventilators im Rücken, den Blick auf den vorbeiströmenden Saigon-Fluss: So zelebrieren wir unsere Ankunft in Ho-Chi-Minh-Stadt. Wir sind zerknittert vom Jetlag. Die schwüle Hitze lässt uns kürzer atmen. Aber: Wir haben es geschafft! Hier sind wir – nach zwölf langen Stunden im Flugzeug sind wir in Vietnam angekommen. Wir, das sind Papa Cornelius, Mama Karina und unsere Töchter Milla, 11, und Ronja, 5.
Mit Vietnam verbindet uns eine besondere Geschichte. Vier Jahre lang, 2012 bis 2015, war die Boomtown Ho-Chi-Minh-Stadt mit ihren zehn Millionen Einwohnern und geschätzten sechs Millionen Motorrollern unser Zuhause. Milla wurde hier geboren und bis sie zweieinhalb war, lebten wir in dieser lauten, überfüllten, leuchtenden Mega-City. Hier wurden wir eine Familie, besuchten Krabbelgruppen, schlossen Baby-Freundschaften. Unsere Reise ist eine Rückkehr. Wir Eltern wollen den Kindern zeigen, wie es damals war.


Mama, da ist Müll!
Zunächst ist die Freude gross. Tropische 31 Grad umhüllen uns, im Swimmingpool unseres Apartmenthauses sind wir die einzigen Gäste. Das wird gefeiert. Die Kinder planschen und juchzen, sind kaum aus dem Wasser herauszubekommen. Die Heimat haben wir bei null Grad und Schneematsch verlassen. Jetzt tragen wir T-Shirts, Shorts und Sandalen.
Ronja staunt über echte Palmen und darüber, wie viel süsses Fruchtwasser in einer Kokosnuss steckt. Minutenlang beobachtet sie, was im Saigon-Fluss lebt oder schwimmend vorbeitreibt. «Mama, ein Fisch!», ruft sie immer wieder und oft entsetzt: «Mama, da ist Müll!» Nicht nur der Unrat im Fluss ist gewöhnungsbedürftig. Auch die fremden Gerüche und Geschmäcker beschäftigen die Kinder. Von «äh, hier stinkts» (nach fermentiertem Fisch) bis «mmh, ist das lecker» (bei knusprig angebratenen Frühlingsrollen) ist alles dabei.

Köstliche Aromen
In den ersten Tagen probieren wir die Speisekarten der Restaurants von oben bis unten durch. Milla liebt die Brühe der vietnamesischen Nudelsuppe Pho, die traditionell mit Ananas und Anis gekocht wird. Ronja ist begeistert von Sommerrollen mit Garnelen und frischer Minze, löffelt genüsslich das süsssaure Fruchtfleisch reifer Passionsfrüchte.
Nach zwei Tagen Ausschlafen und Schlemmen beschliessen wir, dass es Zeit für Sightseeing und Kultur ist. Folgsam steigen die Kinder ins Taxi. Wir reihen uns in den Strom hunderter Motorroller und Autos Richtung Stadtzentrum ein. Die Strassen von Ho-ChiMinh-Stadt sind wie eine Bühne, auf der an gefühlt jeder Ecke ein anderes Theaterstück gespielt wird. Früher konnte man hier noch Freiluftfriseure, Ohrenreiniger und Garköchinnen antreffen. Im Zuge der Coronapandemie scheint sich vieles geändert zu haben, denn Haare schneiden sehen wir auf dem Bürgersteig niemanden mehr. Dafür wird weiterhin gekocht, gegrillt und Banh Mi, das vietnamesische Baguette, belegt. Streetfood gibt es überall.
Die Kinder gucken und staunen, sind bald gesättigt von den Schauspielen. Ein Bummel über die Prachtpromenade der City ist die einzige touristische Aktivität, die wir an diesem Tag absolvieren. Der Grund ist die staatliche Buchhandlung Fahasa, ein Paradies für Buchliebhaber und Pre-Teens wie Milla. Zielsicher entdeckt unsere Tochter die Abteilung für Schnickschnack: Stifte im Hasendesign mit Propeller, Schulhefte mit Capybara-Print, Pandabären in Form von Mini-Schaumstoffkissen auf Etuis. Wir verbringen eine Stunde mit Shoppen von Souvenirs für alle Freundinnen. Danach ist bei den Kindern die Luft raus. Zu gross die Hitze, zu schwer die müden Beine.


Meeresbrise gegen Jetlag
Am nächsten Tag setzen wir den Zoo auf unsere To-visit-Liste. Für umgerechnet drei Dollar Eintritt bekommen wir viel geboten: einen botanischen Garten, mehr als 100 Tier- und Pflanzenarten, dazu Karussells und eine LiveZaubershow. In den Grünanlagen ist es ruhig, obwohl der Zoo mitten in der Stadt liegt. Wir geniessen den Rundgang und mischen uns unter die einheimischen Familien. Luftballon- und Spielzeugverkäufer machen gute Geschäfte. So wunderbar die Blütenpracht anzusehen ist, so traurig stimmt Milla die Haltung der meisten Tiere. Besonders die Elefanten haben wenig Platz.
Um die Stimmung zu heben, steuern wir ein Lieblingsrestaurant an, das uns mit gut gekühlter Raumluft empfängt. Eine Wohltat, finden die Kinder. Erneut müssen wir die Ausflugspläne für diesen Urlaubstag reduzieren. Die Luftfeuchtigkeit, die Temperaturen und der Jetlag erschöpfen unsere Kinder schneller als wir dachten.
Bewusst hatten wir uns für diesen Urlaub nicht viel vorgenommen. Die Stadt ansehen, Orte von früher besuchen, ein paar Tage Windsurfen und Spass am Meer haben. Stressfrei sollte die Zeit werden. Vielleicht, so hoffen wir, wird das Südchinesische Meer unsere Kinder neu erfrischen.

Ein vom Hotel arrangierter Fahrer holt uns mit einer Limousine ab. Welch ein Luxus: Über den neu gebauten Highway fahren wir ohne Stau in zweieinhalb Stunden ans Meer. Früher dauerte die Fahrt Richtung Südosten bis zu sieben Stunden, weil viele Lastwagen, Autos und Motorroller über die kleinen Landstrassen drängten.
Neben dem Fischerdörfchen Mui Ne, das zur Stadt Phan Thiet gehört, hat sich eine Touristenmeile etabliert, die so gut wie jedes Budget bedient. Luxushotels mit viel Gartenfläche und privaten Villen schmiegen sich ebenso in die Landschaft wie aneinandergereihte Backpacker-Hostels. Von den Zwangsschliessungen während der Coronapandemie haben sich einige Häuser nicht erholt. Verlassen bröckeln die Gebäude dahin. Doch der Platzhirsch der Windsurf-Szene ist noch da: Pascal Lefebvre und seine Frau Phuong betreiben seit den 90er-Jahren das Full Moon Beach Resort und den Surfclub Jibe’s, zwei bewährte Adressen für Wassersportfans aus aller Welt.

Ein Zuhause-Gefühl
Im Full Moon einzuchecken, fühlt sich an wie nach Hause kommen. Zwei Kellnerinnen erkennen uns sofort wieder. Sie haben Milla als Baby fast jedes dritte Wochenende gesehen. Papas Leidenschaft für das Windsurfen brachte es mit sich, dass wir oft hierherkamen, zusammen mit Freunden aus aller Welt, die in Vietnam eine Zeit lang als Expats lebten und arbeiteten. Inzwischen sind die meisten zurück in ihren Heimatländern, so wie wir.
Die Sehenswürdigkeiten des Strandortes begeistern endlich auch die Kinder. Zusammen erkunden wir den «Fairy Stream», einen begehbaren Flusslauf, der an kleinen Wasserfällen endet. In den roten Sanddünen rutschen wir auf Plastikunterlagen die Berge hinab, wie Dutzende anderer Touristen. «Nochmal!», jubeln die Kinder. Wir schiessen Selfies im Sonnenuntergang, glückliche Gesichter. Ihr Taschengeld geben die Kinder in Zehntausendernoten für Spielzeug und Süssigkeiten aus.


Ein riesiger, nachtaktiver Gecko wohnt im Dachfirst vor unserem Hotelzimmer und beobachtet jeden Abend, wann wir heimkommen. Schnell fliegen die Tage dahin, unsere Abreise naht. Ein letztes Mal tauchen wir in die glitzernde Grossstadt mit ihren Menschenmassen ein. Wir besuchen das Wasserpuppentheater, ein lautes Spektakel in vietnamesischer Sprache. Und wir werden Zeugen eines historischen Ereignisses: Nach zwölf Jahren Bauzeit ist die erste Metro-Linie von Ho-Chi-MinhStadt eröffnet. Im ersten Monat fahren alle Gäste kostenlos. Für die Menschen vor Ort ein aussergewöhnliches Erlebnis. In den gemütlichen Sitzen des Airbus A 350, der uns zurück nach Hause fliegt, wird uns klar: Dieser Urlaub war schön – aber kräftezehrend. Hat es den Kindern gefallen? Schwer zu sagen, ihre Augen sind schon zugefallen. Wir Eltern lächeln uns an und freuen uns auf unser Zuhause.
• Vietnam ist für Touristen gut erschlossen und ein familientaugliches Urlaubsland. Die Menschen sind extrem kinderfreundlich. Die meisten Strassen sind allerdings nicht für Kinderwagen, Buggy und Co. geeignet.
• Das Land erstreckt sich auf 1650 Kilometern entlang der Ostseite der indochinesischen Halbinsel. Mehrere Fluggesellschaften steuern die beiden grössten Städte Hanoi im Norden und Ho-Chi-Minh-Stadt im Süden an. Ab Zürich gibt es Verbindungen mit Umsteigen in Bangkok, Doha, Singapur oder Istanbul. Direkt fliegen Airlines ab München oder Frankfurt am Main.
• Klimatisch wird das Land in drei Klimazonen unterteilt: Nord-, Zentral- und Südvietnam. Die wichtigsten Tropenimpfungen sind empfohlen, ebenso ein gutes Mückenschutzmittel, um Malaria und Denguefieber vorzubeugen.
• Die Kosten für Unterkunft, Lebensmittel und Mobilität variieren je nach touristischer Prägung der Orte, sind aber deutlich günstiger als hierzulande.
• Viele Firmen bieten Rundreisen durch Vietnam an. Experten raten, ein Auto inklusive einheimischem Chauffeur zu mieten.
• Um die Kultur und Gepflogenheiten wie das Verhandeln von Preisen zu verstehen oder die besten Ausflugstipps zu bekommen, lohnt sich der Kauf eines aktuellen Reiseführers.
• Pauschalreisen buchen z.B. auf:
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Gute Informationen gibt es bei:
→ reise-vietnam.ch, → globetrotter.ch
Familienreisen mit Rücksicht auf Nachhaltigkeit: → green-tiger.de.