Geschwister und ihre Geburtenreihenfolge
Mal Schwitzkasten, mal Umarmung

istockphoto
Grösstes, Kleinstes oder Sandwichkind – die Position in der Geschwister-Reihenfolge beeinflusst vieles.
Geschwister und ihre Geburtenreihenfolge
istockphoto
Wie kann es sein, dass Geschwister sich so stark voneinander unterscheiden? «Gerade weil sie Geschwister sind», lautet die einhellige Antwort der Geschwisterforscher. Ursache dafür ist nicht zwingend ein eher unerfreuliches Geschwisterverhältnis, sondern eher die Tatsache, dass Konkurrenz um die elterliche Gunst angeboren und evolutionsgeschichtlich überlebensnotwendig ist: Ohne Sympathie von Vogel-Mama kein Wurm. Den Schnabel weiter aufzusperren als das Geschwister macht Sinn.
Aber statt ums Essen geht es in Wirklichkeit darum: Wer ist besser? Was haben wir gemein? Was unterscheidet uns? Fragen, deren Antworten entscheidend für die Identitätsbildung sind.
Für unerfahrene Eltern können beim ersten Kind ebenso wie beim Einzigen als Orientierung nur sie selbst herhalten. Brave, den Elternvorstellungen entsprechende, erwachsen-vernünftige, leistungsorientierte, mamaartig-verantwortungsvolle, perfektionistische Kinder sind folglich unter den Ersten eher zu finden als unter Zweiten und Dritten.
• Erstgeborene werden als «Grosse» wahrgenommen, egal, wie klein sie noch sind. Vierjährige mit einem zweijährigen Geschwister dürfen genauso kindisch und unvernünftig sein wie Vierjährige ohne kleine Geschwister!
• Kleine Geschwister sind manchmal Nervensägen. Sie klauen den schwesterlichen BH und lachen sich darüber mit ihren zahnlückigen Fussballkumpels kaputt, bekrackeln Hausaufgabenhefte oder füllen lautstark die Windel, während alle anderen am Tisch Eis essen. Eltern, die dem Grossen gegenüber durchblicken lassen, dass auch sie das kleine Sonnenscheinchen zuweilen eher als Gewitterwolke wahrnehmen, wirken enorm tröstend.
• Ältere haben mehr Pflichten aber – auch mehr Rechte. Die jüngere Schwester muss früher ins Bett. Soll sie doch kreischen.
• Ab und an auf den kleinen Bruder aufpassen zu müssen, ist okay. Aber der Zwerg im «Bob der Baumeister»-Kostüm hat im Zimmer der grossen Schwester gar nichts zu suchen, wenn sie Besuch hat. Ausserdem versteht er ohnehin weder von Lidstrichen noch von Zungenküssen was.
• Nein, die Kleinen haben beim Streit nicht immer recht!
• Mag ja sein, dass das Spiderman-T-Shirt des grossen Bruders noch wie neu ist. Aber gerade Mittelkinder hassen es, ständig wahlweise etwas austragen oder weitervererben zu müssen. Her mit dem brandneuen Hello-Kitty-T-Shirt! Grasflecken? Na und? Soll ja eh sonst niemand mehr anziehen. Ha!
• Auch Sandwichkinder wollen fotografiert werden! Und auch mal allein auf dem Bild sein!
• Mittelkinder sind oft pflegeleicht und unauffällig. Das heisst aber nicht, dass sie nicht auch Ärger oder Angstsituationen durchleben. Das Gespräch suchen!
• Mindestens eins der Geschwister hockt dem Mittleren immer auf der Pelle. Single-Zeit einräumen. Auch das Sandwichkind darf mal ganz allein das Grosi besuchen oder mit Mama ein Eis essen gehen.
• Mag ja sein, dass es niedliche Patschhändchen hat. Aber sogar Patschhändchen können den Tisch abräumen. Auch die Kleinen haben Pflichten.
• Dem Grossen war der selbst gewählte Ranzen mit den fluoreszierenden Einhörnern schon nach einem Jahr verleidet. Der Kleinen wird der Ranzen mit den fluoreszierenden Elfen auch nach einem Jahr verleidet sein. Egal. Gleiches Recht auf Fehler für alle.
• Klar, hat man mit den «Grossen» schon mal alles erlebt, aber für das Kleinste ist alles neu. Deshalb bitte auch seinen ersten gehäkelten Topflappen bejubeln.
• Es ist sicher nicht schön, minutenlang im Schwitzkasten des grossen Bruders vor sich hin zu strampeln. Aber Eltern dürfen da ab und an ruhig mal in die andere Richtung gucken. Der Grosse wird schon seine Gründe haben.
• Wird das mit dem Schwitzkasten chronisch, gilt es aber doch einzugreifen. Das Recht des Stärkeren mag in der Natur, nicht aber im Kinderzimmer gelten.
• Gut, über die Sache mit dem Osterhasen gibt es unterschiedliche Ansichten. Aber keiner in der Familie darf das Kleinste ständig wegen seiner noch anderen Sicht auf die Welt auslachen. Jede Meinung zählt. Auch die des Jüngsten.
Ständiges Vergleichen ist schlecht. Bemerkungen, die die natürliche Eifersucht fördern könnten, unterdrücken. Kinder individuell, nicht gleich behandeln. Und wissen: Benachteiligt fühlen sich Kinder sowieso. Egal in welcher Position.