Freiwilligenarbeit
«Dann machen wir es halt selber»
Von Caren Battaglia / Bilder: Elisabeth Real
Selbst ist der Mann. Wenn sich kein Fussballclub in der Nähe findet, bei dem die Kinder ohne Leistungsdruck, aber mit viel Spass tschuten lernen können, na, dann gründet man eben eine eigene Mannschaft und wird selbst zum Trainer. Joel Capraro (41), Oberarzt am Kantonsspital Aarau und Vater von drei Kindern, und Marco Erni (38), Lehrer und Papa von zwei Kindern, haben genau das gemacht.
wir eltern: Herr Erni, Herr Capraro, Oberstufenlehrer und Ärzte sind eigentlich bekannt dafür, Überstunden zu schieben und reichlich Stress zu haben. Wo nehmen Sie die Zeit zum Trainer-Sein her?
Capraro (lacht): Ui, hoffentlich ruinieren wir jetzt nicht das Image unserer Berufsgruppen… Wir konnten den Zeitpunkt des Trainings ja selbst bestimmen, sodass ich meine Arbeit entsprechend einteilen kann. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
Erni: Ich kann es auch einrichten. Zumal ich, seit die Kinder da sind, nicht mehr 100 Prozent arbeite.
Wie ist es dazu gekommen, dass Sie kleinen Jungs Fussballunterricht geben?
Capraro: Vor etwa einem Jahr habe ich für meinen Sohn Emilio einen Fussballclub gesucht, weil er gerne tschuten wollte. Leider gibt es lange Wartelisten. Und schon bei Probetrainings wird gesiebt. Eine Chance bekommen nur die, die durch besonderes Talent auffallen.
Erni: Das ist nicht nur beim Fussball so, beim Geräteturnen wird auch geschaut, ob jemand begabt ist. Für die anderen heisst es: Nein danke, wir sind voll.
Capraro: Ich hab meinen Ohren jedenfalls nicht getraut, als man mich bei meinem damals 8-Jährigen gefragt hat, wo er denn vorher gespielt hat und welche Erfahrungen er mitbringt. Bei einem 8-Jährigen! Referenzen wie bei einer Jobbewerbung.
Erni: Ich habe früher selber halbprofessionell Fussball gespielt. Deshalb verstehe ich, dass die Vereine Talente suchen und fördern. Andererseits wollen die meisten Buben zwar trainieren und Fussball spielen lernen, aber keine Leistungssportler werden, dafür muss es auch ein Angebot geben.
Capraro: Vor allem wollten wir etwas in unserer Nachbarschaft haben. Ich hatte wirklich keine Lust, jedes Kind 20 Kilometer hin und 20 zurück zu den jeweiligen Sportclubs, die noch freie Plätze hatten, zu chauffieren. So wie wir denken wohl einige, wir sind aktuell doppelt so viele wie am Anfang. Und die Buben sehen sich auch in der Schule, machen privat ab – es entstehen Freundschaften.
Erni: Wir wollen Velodistanz. (lacht) Joel und ich sind ja auch Nachbarn.
Capraro: Ich habe damals einige Telefonate mit Leuten vom Sportamt der Stadt geführt. Aber wir sind nicht weitergekommen. Um es abzukürzen: Wir haben gedacht, dann machen wir es halt selber. Wir haben uns dem BSC Zelgli Aarau angeschlossen und losgelegt. Erst auf der Schulhauswiese, später haben wir uns auch die Halle organisiert. Die Stadt war keine Hilfe. Gut, dass ich einen Trainerschein von vor 20 Jahren habe. Marco hat es sowieso drauf.
Und was ist an Ihrem Fussballtraining anders?
Capraro: Bei uns steht der Spass im Vordergrund. Kein Leistungsdruck. Wir trainieren nur ein Mal die Woche, sind dann aber voll motiviert und konzentriert– und stellen erfreuliche Fortschritte fest. Bei Turnieren dürfen alle Buben spielen, nicht nur die besten.
Und wie sieht die Erfolgsbilanz aus?
Erni: Am Anfang haben wir meist verloren. Diese Saison waren wir manchmal schon sehr gut. Die Steigerung hat uns gefreut.
Capraro: Wer gewinnen will, muss verlieren lernen. Wir haben den besten Mannschaftszusammenhalt, den man sich denken kann. Ich glaube, unsere Jungs lernen auch menschlich viel. Ohne grossen Leistungsdruck. Sie sollen glücklich zum Fussball kommen und glücklich wieder gehen.
Und was haben Sie selbst von Ihrem freiwilligen Engagement?
Capraro: Spass. Die Jungs sind toll. Sie haben uns neulich diesen Hoodie hier geschenkt. (zeigt stolz sein Sweatshirt) Sehen sie, da steht drauf «Best coach ever». Da freut man sich natürlich. Auch wenn es uns leicht peinlich ist, den in der Öffentlichkeit zu tragen…
Erni: Ich habe ein noch engeres Verhältnis zu meinem Sohn bekommen, der hier auch mittrainiert. Wir reden über das Training, fachsimpeln – fast wie Kollegen auf Augenhöhe. Das geniesse ich sehr.
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