Spitaltrauma
Eltern leiden mit
Von Interview: Martina Bortolani
wir eltern: Herr Professor Landolt, viele Eltern leiden nach einem Aufenthalt mit einem Kind im Spital. Welches sind die häufigsten Symptome?
Markus Landolt: Ein Spitalaufenthalt eines Kindes ist für Eltern immer ein sehr belastendes Ereignis. Häufig leiden sie deshalb nach dem Austritt an Müdigkeit, Schlafstörungen, Albträumen, Bildern von belastenden Erlebnissen im Spital oder auch an Ängsten im Zusammenhang mit ihrem Kind. Einige haben auch Konzentrationsprobleme und sind dünnhäutiger.
Wie werden diese Eltern betreut?
Im Kinderspital Zürich werden die Eltern der meisten schwer kranken und verunfallten Kinder von Anfang an auch psychologisch unterstützt. Die Psychologin/der Psychologe gehört in diesen Fällen selbstverständlich zum multidisziplinären Behandlungsteam und kümmert sich auch um die Eltern. Und wenn das Kind aus dem Spital entlassen ist und keine weitere medizinische Betreuung mehr benötigt, werden die Eltern – falls nötig – durch externe Fachpersonen vor Ort weiter betreut.
Während eines Kispi-Aufenthalts vor allem für das Wohl des Kindes zu schauen, ist verständlich. Aber was raten Sie den Eltern, damit diese emotional nicht zu kurz kommen?
Das ist ein wichtiger Punkt, und das Befinden der Eltern ist letztlich auch entscheidend für das Befinden des Kindes. Wir raten deshalb Eltern von schwer kranken Kindern, gut zu sich selber zu schauen und sagen ihnen, dass sie damit auch ihrem Kind helfen. Regelmässig essen, sich durch Verwandte und
Freunde am Krankenbett entlasten lassen, auch mal über Nacht, regelmässig an die frische Luft gehen, bei längeren Spitalaufenthalten auch als Elternpaar mal essen gehen, sich für kurze Zeit einmal zurückziehen ...
Gibt es im Kinderspital ein Merkblatt «Wie Eltern sich fühlen?» Oder wäre das allenfalls spannend, so etwas einzuführen?
Die Befindlichkeit der Eltern wird in diversen krankheitsspezifischen Informationsbroschüren thematisiert. Und natürlich werden Eltern auch in Gesprächen mit dem Pflegepersonal, den Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern auf diese Thematik aufmerksam gemacht. Das Personal des Kinderspitals unternimmt sehr viel, damit die Eltern durch den Spitalaufenthalt ihres Kindes möglichst wenig belastet werden.
Weiterführende Infos
Viele Eltern, besonders oft die Mütter, die ihre Kinder wegen Krankheit oder Unfall im Kinderspital versorgen müssen, fallen nach der Entlassung in ein wochen- oder monatelanges, tiefes Loch.
Verschleppte und verdrängte Gefühle können, je nach Schwere des Erlebnisses, zu einer posttraumatischen Belastungsstörung führen. Jedes Kinderspital hat einen psychologischen Dienst – man sollte sich ungeniert an diesen wenden und keine Schamgefühle haben, über seine Ängste zu reden.
Für Eltern von schwerkranken und verunfallten oder brandverletzten Kindern gibt es diverse Selbsthilfegruppen (reden Sie darüber und erkundigen Sie sich im Spital beim Pflegepersonal).
Kinderspital Zürich: www.kispi.uzh.ch
Kinderkliniken Inselspital Bern: www.kinderkliniken.insel.ch
Kinderspital Ostschweiz: www.kispisg.ch
Kinderspital Genf: www.evlk.ch