Was unsere Enkel von uns lernen und was sie besser nicht lernen sollten.
«Nein Lio, wir gehen jetzt da lang.» «Nein Lio, das darfst du nicht.» «Nein Lio, wir müssen jetzt gehen.» «Nein Lio…»
Nein, nein, nein.
Wenn ich mir das richtig überlege, ist dies das Wort, das Kinder am häufigsten zu hören bekommen. Kein Wunder, gabs bei Lios Sprechanfängen immer ein Nein auf welche Frage auch immer. Denn wie es scheint, war das die häufigste Antwort, die er von uns Erwachsenen zu hören bekam. Das Ja kam erst viel später in sein Sprachrepertoire.
Beim einem ausgedehnteren Spaziergang mit den beiden Enkeln - Lio zu Fuss und Enyo im Wagen - hab ich mich mal geachtet, wie oft mir das Nein so einfach unreflektiert und automatisch über die Lippen ging: Oft! Viel zu oft!
«Nein Lio, wir wollen jetzt weiter.» «Nein Lio, hier gehts lang.» «Nein Lio, da darfst du nicht runter.»
Wie ich darüber nachdenke, tönt in meinen Ohren «Sind so kleine Hände», ein wunderbares Lied von Bettina Wegener und daraus kommt mir die eine Strophe in den Sinn:
«Sind so kleine Münder sprechen alles aus. Darf man nie verbieten kommt sonst nichts mehr raus.»
Und dann kreist im Hirn die Frage: Was bring ich meinen Enkeln eigentlich mit dieser Dauer-Nein-Sagerei bei? Zum Beispiel dies: Dass es nur nach Opis Kopf geht; dass sie keine eigenen Ideen haben und ja nicht eigene Wege gehen dürfen; dass Nein sagen der Motor der Welt ist; dass sie die Scheuklappen möglichst eng tragen sollen; dass sie gefälligst so zu funktionieren haben, wie wir Erwachsene das wollen. Und was züchten wir damit? Stromlinienmenschen, die lieber in der Masse mitlaufen, als ihren eigenen Gedanken und Ideen zu vertrauen.
Ich gebe es zu, das ist jetzt etwas überspitzt, aber mit den Gedanken im Kopf versuche ich, meine Neins zu reduzieren oder zumindest bewusster mit ihnen umzugehen. Darum tönt das jetzt so statt eines plumpen Neins:
«Lio komm wir schauen mal, wo wir auf diesem Weg hinkommen.» «Lio komm ich zeig dir was.» «Lio die Mamma wartet.»
Und wenn das alles nichts nützt? Gut, ich bin ja Opi und ich hab Zeit. Da lass ich ihm jetzt öfter seinen Willen. Schliesslich - wie sagten doch die alten Römer - führen ja alle Wege nach Rom. Auch Umwege.
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Blogger Martin Moser
Martin Moser (1959), Produktionschef Tageszeitungen der AZ Medien, ist seit 30 Jahren verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern. Er hat zwei Enkel (Lionel, 2011, und Enyo, 2014) und legt auch mal einen Opi-Tag ein. Bloggt für «wir eltern» über Opi-Kinder-Enkel-Erlebnisse und -Beziehungen und kramt auch mal in seinen eigenen Erinnerungen.