
istockphoto
Schule / Programmieren
Bau mir einen Roboter
Von Barnaby Skinner
Laut Lehrplan 21 sollten schon Primarschüler das Programmieren lernen. Mit der Umsetzung hapert es – nicht nur wegen der Schulen.
- Scratch Eine visuelle Programmiersprache, die 2002 am Massachusetts Institute for Technology (MIT) in den USA entwickelt wurde. Sie funktioniert mit einer visuellen Oberfläche und eignet sich deshalb besonders als Einstieg für Kinder. ➺ scratch.mit.edu
- Logo Auch Logo wurde am MIT entwickelt. Und das schon im Jahr 1967. Damals wurde sie eingesetzt, um die Ergebnisse eines Grossrechners auszudrucken. Später, um im Labor eine Roboter-Schildkröte zu steuern. Die Struktur dieser Computer Sprache ist so simpel, dass sie in den USA seit den 1990er-Jahren eingesetzt wird, um Kindern das Programmieren beizubringen. ➺ turtleacademy.com
- Thymio Ein Roboter, der an der EPFL in Lausanne und der ETH in Zürich entwickelt wurde. Er verfügt über 20 Sensoren und 40 Lichter. Sie werden mithilfe simpler Befehle der Scratch-Programmiersprache angesteuert. ➺ thymio.org
- Bee-Bot Funktioniert ebenfalls mit der Programmiersprache Scratch und ist in der Bedienung noch eine Spur einfacher als der Thymio. ➺ bee-bot.us
- Eltern-Kind Coding-Kurs Seit Mai 2017 organisiert die Pestalozzi- Bibliothek Zürich regelmässige Programmierkurse für Kindergärtner und Erstklässler. Die Kurse kosten Fr. 210.– pro Person. ➺ codillion.org/kurse
- Primalogo Kurse für ganze Primarklassen. Schüler lernen zum Beispiel, wie sie Algorithmen entwickeln, um geometrische Problemstellungen zu lösen. Die Kurse entstehen als Zusammenarbeit der ETH Zürich, der Hasler Stiftung und des Schweizerischen Vereins für Informatik in der Ausbildung (SVIA). ➺ primalogo.ch
Kinder kommen immer früher mit neuen Medien und Gadgets in Kontakt. Manche schon als Kleinkinder. Etwa, weil die Mutter vor der Nase mit dem Smartphone herumhantiert. Oder weil ihnen der Vater das iPhone in die Hand drückt. Tausende Apps lassen sich auf Smartphones herunterladen, die sich an Kleinkinder richten: Märli-Apps, Mal-Apps, Apps, die Tiergeräusche imitieren.
Später werden neue Medien nur noch wichtiger. Die Messenger-Applikation WhatsApp zum Beispiel ist zu einem unverzichtbaren Teil des Teenager-Daseins geworden. Auf WhatsApp werden Treffpunkte vereinbart, Freundschaften geschlossen und wieder aufgelöst. Manche Jugendliche verbringen ganze Nächte unter der Bettdecke im Chat mit Freundinnen und Freunden. In den virtuellen Räumen wird geliebt, aber auch gemobbt.
Da ist nur logisch, dass sich auch die Schule intensiver mit den neuen Medien und der Informatik beschäftigen muss. Und zwar nicht nur, indem die Schulleitung ein paar teure Computer finanziert und sie in einem Klassenzimmer abstellt, wo sie Staub ansammeln und bald nicht mehr aktuell sind; sondern indem den Kindern Basiskenntnisse, sprich Programmierfähigkeiten vermittelt werden, damit sie verstehen, wie Computer überhaupt funktionieren, und warum sie in unserer Gesellschaft, Wirtschaft und Politik vieles auf den Kopf stellen.
Informatik ab 1. Klasse
Programmierkenntnisse sind ein wichtiger Teil des Lehrplans 21. Schon für Erstklässler wurde ein Modul entwickelt: «Medien und Informatik.» Die Lernziele sind klar: Kinder sollen sich «in virtuellen Räumen orientieren können und sich entsprechend den Gesetzen, Regeln und Wertesystemen verhalten.» Oder: «Sie können einfache Problemstellungen analysieren, mögliche Lösungsverfahren beschreiben und in Programmen umsetzen.» Sprich: Bereits Erstklässler sollen programmieren lernen.
Die grosse Frage ist allerdings: Wie konsequent kann der Stoff vermittelt werden? Markus Hunziker, Mitglied der Arbeitsgruppe «Medien und Informatik» des Lehrplans 21 und selber Primarlehrer in Schönenwerd (SO), sagt: «Es gibt mit den ‹Regelstandards Informatische Bildung› einen klaren Auftrag, dass Elemente des Programmierens in den Unterricht einfliessen müssen.» Das sei in den meisten Kantonen der Fall. Selber beobachte er an vielen Schulen aber erst «kleine, zeitlich begrenzte Projekte». Zum Beispiel die Beschäftigung mit programmierbaren Robotern wie die «Bee- Bots». Die Schüler müssen dabei mit wenigen Tastendrücken selber einen Roboter programmieren, damit er sich vom gelben zum blauen Quadrat bewegt. Eine Übung, die bereits auf Kindergartenstufe sinnvoll sein kann, so Hunziker. Auf fortgeschrittener Stufe sieht Hunziker oft den «Thymio»- Roboter im Einsatz, der Schülern mit Sensoren und Aktoren die programmatische Wenn-Dann-Beziehung veranschaulicht.
Grossanlegte, koordinierte Bestrebungen, programmatisches Denken zu unterrichten, fehlen allerdings. «Viele Lehrkräfte müssen sich auch erst in die neue Thematik einarbeiten», sagt Hunziker dazu. Das brauche Zeit. Denn an den meisten pädagogischen Hochschulen erhalten angehende Lehrerinnen und Lehrer erst wenig Unterstützung, ihre eigenen Programmierkenntnisse zu vertiefen. Die PHBern gilt als eine der fortschrittlichsten Hochschulen. Über das obligatorische «Informatik und Medien»-Modul hinaus vertiefen sich Studierende hier in halbjährlichen Modulen wie «Programmieren mit Kindern – Das Universum in der Endlosschleife» oder «Robotik & Roberta – Lernen mit Robotern».
Wenn ein Kind auf einen Lehrer trifft, der von Programmieren nichts wissen will, gibt es nur eines: Das Schicksal in die eigenen Hände nehmen. Angebote und Lehrgänge gibt es mittlerweile diverse (siehe Infobox).
Eltern sind skeptisch
Für Maggie Winter vom Schweizerischen Verein für Informatik in der Ausbildung (SVIA) sind aber in der Regel nicht die Lehrer das Problem. Sie sagt: «Wir erleben oft, dass gerade die Eltern das Programmieren überflüssig, zu schwierig oder zu spezifisch empfinden und deshalb dagegen ankämpfen.» Das sei kein positiver Anreiz für die Kinder. Ebenfalls nicht förderlich sind die immer knapper werdenden Ressourcen. Seit 2014 bietet der Non-Profit-Verein SVIA selber eine Einführung in die Programmiersprache Logo. Diese wurde an der US-Spitzenuniversität MIT speziell für Kinder entwickelt. Kinder können damit innert wenigen Minuten eigene kleine Programme entwickeln.
«Die Nachfrage nach unseren Primalogo-Kursen steigt kontinuierlich», sagt Winter. So sei der Kurs im ersten Jahr noch 25 Mal durchgeführt worden. Letztes Jahr bereits 55 Mal. Gerade bei der Lehrerschaft erkennt Winter ein grosses Bedürfnis. Hätten die Schulen mehr Geld zur Verfügung, würde sich die Nachfrage vervielfachen, ist Hunziker überzeugt. Bei den aktuellen Sparrunden, die die Politik der Bildung aufbrummt, sind die Aussichten darauf nicht sehr gut.
Das könnte Sie auch noch interessieren:
Eine Geburt ist kraftvoll, überwältigend, emotional. Diese Bilder aus dem Internationalen Wettbewerb der Geburtsfotografinnen und -Fotografen 2017 zeigen dies eindrücklich.











