Familie / Adoption
Adoption: 2 Väter für ein Kind
Von Anita Zulauf Foto Ephraim Bieri
«Für uns ist das perfekt» Raphael D. ist Gaias Papa. Bald auch vor dem Gesetz.
Es ist der 21. November 2016. In einem Krankenhaus im USBundesstaat Minnesota liegt eine Frau in den Wehen. Nach 50 Minuten kommt es zum Notkaiserschnitt. Mutter und Kind sind in Gefahr. Draussen vor der Tür stehen die Väter des Babys. Die Berner Ciccio und Raphael D. Ihre Nerven liegen blank. Was, wenn jetzt etwas schief geht? Eine Dreiviertelstunde später geht die Tür auf. Eine Krankenschwester lächelt und sagt: «Da will Sie jemand kennenlernen.»
«Als ich dieses Würmli zum ersten Mal sah, war ich durch den Stress so durch den Wind, dass ich den Moment gar nicht richtig geniessen konnte. Dabei hatte ich es mir so schön vorgestellt.» Ciccio D. wischt sich eine Träne weg. Gaia Fabiola nennen sie ihre Tochter, die an diesem kalten Tag im November zur Welt gekommen ist. Eine amerikanische Leihmutter, selber zweifache Mutter, hatte für sie das Baby ausgetragen. Ciccio D. ist Gaias biologischer Papa. Laut amerikanischem Gesetz ist auch Raphael D. gerichtlich anerkannter Vater. In der Schweiz hatte er Gaia gegenüber allerdings null Rechte. Nun, mit der Revision des Adoptionsrechts kann auch er Gaias rechtmässiger Papa werden.
Szenenwechsel: Bern, in einem ruhigen Quartier etwas ausserhalb des Zentrums. Ciccio, Raphael und die einjährige Gaia D. leben in einer gemütlichen Wohnung in einem Zweifamilienhaus. Raphel D. (37) ist Flight Attendant und kommt gerade aus New York zurück. Gaia strahlt ihren Papi an, streckt ihm ihre Ärmchen entgegen. «Mein schönster Moment, wenn ich nach Hause komme», sagt er, nimmt die Kleine liebevoll auf den Arm. «Schau dir die roten Bäckchen an, sie zahnt», sagt der 38-jährige Informatiker Ciccio D. zu seinem Mann und rapportiert kurz, was gelaufen ist die letzten Tage. Dass Ciccio Gaias biologischer Papa ist, ist für Raphael kein Problem. «Die paar Gene spielen keine Rolle, für mich ist Gaia meine Tochter», sagt er. Dass er jetzt bald auch gesetzlicher Papa sein kann, ist «für uns einRiesenschritt, einfach perfekt». Das Horrorszenario, dass Ciccio etwas passieren könnte und er ohne Rechte für sein Kind dagestanden hätte, sei so vom Tisch.
Der Weg zum Kind
Als Raphael D. in der Pubertät merkte, dass er schwul ist, war es für ihn «die logische Konsequenz», dass er nie Kinder haben würde. «Das hat mich schon sehr beschäftigt, aber irgendwann habe ich mich damit abgefunden.» Nicht so Ciccio D. «Ein Leben ohne Kinder? Unvorstellbar. Italienische Familien sind gross und kinderreich.» Blutjung seien sie gewesen, als sie sich kennengelernt haben, gerade mal 21 und 22 Jahre alt. Um ihre Beziehung zu legalisieren, haben sie ihre Partnerschaft eintragen lassen. Raphael D. hat Ciccios Familiennamen angenommen. Seinen Mann von seinem Kinderwunsch zu überzeugen, sei gar nicht so einfach gewesen. «Ich habe immer wieder gedrängelt, biser eingeknickt ist», sagt Ciccio D. und lacht schallend. «Ich bin halt Realist, er ist der Visionär», sagt Raphael D.
Der Realist hat dann auch die Abklärungen dem Visionär überlassen. Denn der Weg sei alles andere als ein Spaziergang gewesen. Eine Co-Elternschaft mit einem lesbischen Paar kam für sie nicht infrage. «Vier Erwachsene, die um ein Kind rumtanzen und sich in allem einig werden müssen, das ist unvorstellbar. Es ist zu zweit schon manchmal schwierig genug», sagt Ciccio D. und schmunzelt. Sie setzten auf die Option Leihmutterschaft. Dabei war es ihnen wichtig, dass sie über eine seriöse Agentur eine Frau finden. Drei Jahre und weit mehr als 100 000 Franken späterhielten sie Baby Gaia in den Armen.
Der Abschied von Gaia sei für die Leihmutter sehr schmerzhaft gewesen, sagen die Väter. Doch sie haben mit ihr weiter Kontakt. An Gaias erstem Geburtstag war die Amerikanerin eine Woche in Bern, um Zeit mit dem Mädchen zu verbringen. Die Beziehung wird sich künftig noch intensivieren. Gaias «Bauchmami» soll noch einmal für das Paar ein Baby austragen. «Dieses Mal kommen meine Gene zum Zug», sagt Raphael D. Vier befruchtete Eizellen seien in den USA bereit, eingesetzt zu werden. Wann? «Nächsten Herbst», sagt der Visionär. Der Realist zögert. «Erst müssen wir sparen.» Der Visionär winkt ab.
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