Digitale Medien
Achtung: Riskante Apps für Kinder
Von Andreas Grote
Nervige Werbung, antisemitische oder gewaltverherrlichende Inhalte und teure In-App-Käufe finden sich in bedenklich vielen Kinder-Apps. Doch es gibt Mittel dagegen.
Kinder wachsen heute wie selbstverständlich mit Tablets und Smartphones auf. Schon im Kindergartenalter spielen viele darauf mit vielfältigen Apps. Häufig versprechen die App-Anbieter den Eltern einen pädagogischen Lerneffekt als Motivation, damit sie ihre App herunterladen oder kaufen. «Eltern sollten unbedingt einen wachsamen Blick auf die Programme werfen und ihre Kinder nicht damit alleine lassen», rät Laurent Sedano von der Eidgenössischen Kommission für Kinderund Jugendfragen (EKKJ). Anderenfalls hätten es die App-Hersteller leicht, den Kindern Werbung unterzuschieben und sie zu teuren In-App-Käufen zu verführen.
Dass Kinder auch im deutschsprachigen Raum sehr häufig mit für sie ungeeigneten Inhalten in den Apps ungeschützt konfrontiert sind, dazu lieferte bereits 2017 der deutsche Konsumentenverein Stiftung Warentest erste Hinweise. Der stufte alle der 50 beliebtesten Kinder-Apps aus Googles deutschem Play Store wegen Werbung und In-App-Käufen als bedenklich ein. Im August 2018 meldete der von amerikanischen und kanadischen Forschern betriebene Appcencus, dass drei Viertel der über 5800 Kinder-Apps im Play Store ungefragt personenbezogene Daten ins Internet übertragen.
Die Erziehungswissenschaftlerin Jenny Radesky vom Mott Childrenʹs Hospital der University of Michigan stellte 2019 fest, dass von den 135 beliebtesten Play-Store-Apps für «fünf Jahre und jünger» so gut wie jede das Spiel mit Werbung unterbrach, zu In-App-Käufen aufforderte oder gar Zugriff auf die Ortungsfunktion des Smartphones wollte. Manche Spiele-Apps enthielten unkontrollierte Chatfunktionen, über die Fremde mit dem Kind Kontakt aufnehmen und private Informationen austauschen können.
Auch die Stiftung Warentest testete 2019 erneut 14 Spiele-Apps aus Sicht eines zehnjährigen Kindes, darunter beliebte Titel wie «Fortnite», «Angry Birds», «Temple Run» oder «Minecraft», und bewertete fast alle als inakzeptabel in Sachen Kinderschutz. So zeigte beispielsweise die Android-Version von «Subway Surfers», obwohl für Kinder ab sechs Jahren, Werbung für ein Shoot-em-up-Spiel ab 18 Jahren.
Auf der Spieleplattform «Roblox» fanden die Testenden ein Spiel mit dem Ziel, «böse Juden zu töten». Immer wieder gab es zudem rechtsextreme Spielernamen wie «SiegHeil» oder «Judentöter» in «Fortnite» und «Clash of Clans» oder sie enthielten die Internetadresse von Pornoseiten, da der App-Anbieter die Spielernamen offensichtlich nicht filtert.
Hinweise gut lesen
Zwar gibt es Kinderschutz-Apps, die den Bewegungsspielraum der Kinder auf dem Smartphone oder Tablet einschränken und für die Eltern dokumentieren sollen. Selbst die sind aber reine Datenschleudern, wie eine Untersuchung Anfang 2021 unter Beteiligung der ETH Lausanne zeigte. Jede dritte der 46 dort getesteten Kinderschutz-Apps sammelte und versendete die vom Kind gesammelten Informationen ohne Zustimmung der Eltern, über 70 Prozent der Apps teilte diese Daten gar mit Dritten wie zum Beispiel Online-Werbediensten.
Ratsam ist es, wenn sich Eltern vor dem Download der Spiele-App die Beschreibung gut ansehen. In Googles Play Store findet sich zu jeder App der Hinweis «Enthält Werbung» und «Bietet In-App-Käufe an», wenn dies der Fall ist. Bei Apple enthalten Apps für Kinder unter fünf Jahren in der Regel keine Werbung, die Kuratoren können aber in Einzelfällen auch Apps mit Werbung durchwinken, wenn sie dem Alter entspricht. Sind in der App In-App-Käufe möglich, so wird diese Information vor dem Herunterladen neben der App angezeigt. Damit nehmen die App-Stores bereits vorweg, was etwa im Herbst 2021 ein neues Jugendschutzgesetz für Filme und Videospiele verbindlich vorschreiben soll.
Laurent Sedano rät Eltern daher, Apps nur selbst herunterzuladen und sie sich entweder alleine vorab anzuschauen oder ab Schulalter auch gemeinsam mit dem Kind». Studien zeigen, dass Kinder bis etwa acht Jahre denken, die Werbung sei Bestandteil des Spiels. Enthält die App Werbung oder In-App-Käufe, sollte dem Kind erklärt werden, dass sie nicht zum Spiel gehört und dass keiner in dem Spiel traurig ist, wenn man in der App nichts kauft.
Yvonne Haldimann, die sich bei der nationalen Plattform Jugend und Medien des Bundesamts für Sozialversicherungen mit dem Thema beschäftigt, sieht in Werbung durchaus ein potenzielles Problem für die Kinder. Sie rät: «Meist findet sich aber gerade für jüngere Kinder eine ähnliche App, die keine Werbung enthält, man muss sich nur die Zeit nehmen, danach zu suchen.» Oft verzichteten die App-Anbieter auch auf Werbung in ihrer App, wenn man sie kauft und nicht nur kostenlos nutzt, so Haldimann.
Beschränkungen aktivieren
Damit die Kinder nicht von alleine Apps herunterladen oder In-App-Käufe tätigen, sollten Eltern auf Smartphones und Tablets Schutzvorrichtungen aktivieren. Auf einem iPhone oder iPad mit zuvor eingerichteter Familienfreigabe verhindern aktivierte Beschränkungen (Einstellungen>Allgemein>Bildschirmzeit>Eischränkungen) das unbemerkte Installieren von Apps und In-App-Käufen. Unter Android lassen sich in der Play-Store-App (Einstellungen>Authentifizierung für Käufe erforderlich) In-App-Käufe deaktivieren. Zusätzliche Sicherheit bieten Spiele-Apps, die nach dem Herunterladen komplett offline laufen, sodass die WLAN- oder Funkverbindung des Gerätes ausgeschaltet werden kann. Chatten mit Fremden über die Apps ist damit auch unterbunden.
Eltern können sich aber auch vorab unabhängig über gute Spiele-Apps informieren. So beherbergt beispielsweise das Deutsche Jugendinstitut (dji.de/kinderapps) in seiner Datenbank rund 500 Kinder-Apps, die es nach pädagogischen Kriterien bewertet. Schön kuratiert ist auch die Website ene-mene-mobile.de, die grossen Wert auf werbefreie Apps legt und selbst Apps produziert.
Jeweils eine ausführliche pädagogische Beurteilung, das empfohlene Mindestalter, mögliche Zusatzkosten sowie problematische Aspekte zu den vorgestellten Kinder-Apps liefert die Website spieleratgeber-nrw.de. Auf der Website appcheck.mobilsicher.de lassen sich aus den getesteten Apps auch nur jene ohne Werbung oder ohne Internetzugriff herausfiltern. Die Website zeigt zudem, wie die App mit der Privatsphäre der Nutzer* innen umgeht und an welche Werbepartner Daten weitergegeben werden.