Kindermusik
Willkommen im La-la-Land
Von Andrea Bornhauser
Es kommt der Moment, an dem die Schlieremer Chind Eltern zu den Ohren heraushängen. Schweizer Liedgut in Ehren, aber dann ist es höchste Zeit, sich mal in der aktuellen Kindermusikszene rumzuhören. Die hat nämlich gerade in der Deutschschweiz einiges zu bieten.
Achtung! Es passiert meistens mitten in einem wichtigen Meeting, während der Dentalhygiene-Sitzung oder eines romantischen Dinners. Plötzlich sind sie da: Liedfetzen wie «Heicho, heicho, heichoheicho grad jetzt» oder «Eeeeelifffantttt, i dim graue Gwand». Sie schwirren durch den elterlichen Kopf, setzen sich in Hirnwindungen fest, gehen nicht mehr weg. Man muss sich zusammenreissen, um die Liedchen nicht laut raus zu trällern. Das käme schliesslich – je nach Situation – etwas unpassend und schräg. Fakt ist: Was unsere Kinder zuhause von morgens bis abends in Endlosschlaufe auf ihrem CD-Player hören, läuft auch uns Erwachsenen nach. Wohl oder übel. Bei fortlaufender Repetition – da sind Kinder ja schmerzfrei – helfen dann meistens nur noch Kopfhörer, die man dem Nachwuchs überstülpt. Oder es ist Zeit für neue Kindermusik, die auch uns Eltern gefällt!
Da sind wir ja zum Glück in der Deutschschweiz bestens bedient. Es gibt in Europa keine zweite Szene, die in punkto Kindermusik vielfältiger und progressiver ist. Und auf einem musikalisch so hochstehenden Niveau agiert. Das meint zumindest einer, der es wissen muss: Michael Furler, Entdecker und Förderer von Kinderbands wie Schtärneföifi, Marius und die Jadgkapelle und von Interpreten wie Andrew Bond oder Christian Schenker. «Das sind alles erfahrene Vollblutmusiker mit einem Herz für Kinder», schwärmt der Initiant der Lilibiggs Kinderfestivals, die in den letzten Jahren neben den von Coop gesponserten Kinderland Openairs eine wichtige Plattform für Kinderbands geworden sind. Den Konzerten sei Dank kannte bald jedes Kind von Urnäsch bis nach Windisch die Lieder von Schtärneföifi, Bond und Co. auswendig. Und die Eltern kauften fleissig die CDs, um den Sound in der eigenen Stube zu spielen. «Plötzlich verlor die Kindermusik ihren Jöö-Effekt und wurde zum Business», so Furler.
Die Anfänge liegen 17 Jahre zurück. Damals engagierte Furler Linard Bardill für die Geburtstagsparty seiner Zwillingstöchter. Der Liedermacher hatte 1997 seine erste Kinder-CD «Luege, was der Mond so macht» herausgebracht. An der Party sass der Bündner mit seiner Gitarre auf dem zur Bühne umfunktionierten Dorfbrunnen von Grüningen im Zürcher Oberland. Zum Fest eingeladen waren 30 Kinder – es kamen rund 300 Menschen. Für den Marketingexperten Furler Grund genug, die Idee «Musikfestivals für Kinder» weiterzuspinnen. Zuerst im kleinen Rahmen, dann vor sieben Jahren zusammen mit dem Hauptsponsor Migros an der Seite. Mit Erfolg: Bis vor zwei Jahren wurden pro Saison bis zu 40 000 Tickets verkauft. Dann kam der Einbruch, die Zahlen waren rückläufig. So, dass die Lilibiggs Kinderfestivals schliesslich Anfang dieses Jahres eingestellt wurden. Zu viel Konkurrenz? «Vielleicht. Unterdessen gehört es als Veranstalter ja zum guten Ton, am Rande eines Open-airs noch ein Kinderprogramm anzubieten», sagt Furler.
Womit gleich gesagt ist: Schweizer Kindermusik boomt nach wie vor. Und dank neuer Impulse wie den frischen Sounds des Hamburger Hip-Hop-Trios Deine Freunde oder der Professionalität des Mitmachchors Schwiizergoofe bleibt die Szene lebendig. Heute können Acts wie Schtärneföifi, Andrew Bond oder Linard Bardill von ihrer Musik leben. Was in der Schweiz als Künstler nicht selbstverständlich ist. Gerade weil ihre Musik nicht nur bei den Kindern, sondern auch bei Mama, Papa und vielleicht sogar bei den Grosseltern so gut ankommt, werden diese Bands uns auch in Zukunft mit neuen Ohrwürmern beglücken. Die wir dann beim nächsten Meeting leise vor uns hinsummen.