Gesundheit
Was hilft wirklich gegen Erkältungen?
Erkältungen kurieren und vorbeugen – damit kennen Eltern sich aus. Aber stimmen die guten alten Gesundheitstipps überhaupt, die schon Generationen von Eltern ihren Kindern mit auf den Weg geben? 17 Standardsätze im Faktencheck.
Die gute Nachricht vorweg: Dank Corona – beziehungsweise dank der Corona-Schutzmassnahmen erkranken nur noch halb so viele Menschen an einer Erkältung wie vor der Pandemie. Masken, Händewaschen, Abstand halten, Gedränge meiden schützt halt gegen Viren aller Art. Nachteil: Corona, natürlich. Und: dass das Immunsystem der Kinder weniger trainiert ist.
Erwischt sie jetzt trotzdem eine Erkältung, dann oft besonders heftig. Was also tun? Zum Vorbeugen und Kurieren auf die guten alten Gesundheitstipps zurückgreifen, die schon Generationen von Eltern ihren Kindern mit auf den Weg geben? Jein. Denn einige dieser ermahnenden Standardsätze, die wir alle kennen, sind schlichtweg Quatsch. Nur – welche?
Nein, ich zieh dich nicht auf dem Schlitten, du kriegst eine Blasenentzündung!
Gebt zu Eltern, ihr habt nur keine Lust zu ziehen! Blasenentzündungen entstehen nämlich weder durch Schlitten noch durch Sitzen, sondern vor allem dadurch, dass Darmbakterien in die Blase geraten. Richtig ist jedoch, dass Kinder bei regungslosem Sitzen eher frieren, Auskühlung zu einer runtergedimmten Durchblutung führt und eine gedrosselte Durchblutung der Schleimhäute Erkältungsviren sozusagen den Weg ebnet.
Fazit: Falsch, aber auf Umwegen doch richtig.
Hühnersuppe hilft immer
Yep. Richtig. Wissenschaftler* innen der Universität von Nebraska haben Grosis Geheimwaffe gegen Schnupfen und Halskratzen getestet und festgestellt: Jawoll, die Hitze der Suppe tötet (bestimmte) Viren. Die heissen Suppendämpfe machen die verstopfte Nase frei. Entzündungen werden gelindert und Fleisch und Gemüse liefern Zink und viele Vitamine. Die zusätzliche Flüssigkeit ist zudem gut, um Krankheitserreger aus dem Körper zu spülen. (Merke: Tütensuppen wurden nicht untersucht.)
Fazit: Daumen hoch! Hühnersuppe scheint so etwas zu sein wie der Zaubertrank für Asterix.
Hals her, kalter Wickel
Als wären Halsschmerzen nicht schon schlimm genug, zieht so ein eiskalter Lappen um die Kehle die Laune noch zusätzlich nach unten. Aber: Tatsache ist, der kalte Wickel wirkt entzündungshemmend. Und da sich auch der kälteste Wickel irgendwann erwärmt, lindert die dann entstehende Wärme auch noch die Schmerzen.
Fazit: Genehmigt. Wenn auch vom Patienten nur zähneknirschend.
Fettcreme drauf, dann gehts
Jein. Enthält die Creme zu viel Wasser, kühlt sie sogar zusätzlich aus und es besteht die Gefahr von Erfrierungen. Spezielle Kälteschutzcremes mit extrem hohem Fett- und geringem Wasseranteil schützen empfindliche Gesichtshaut draussen zwar zuverlässig vor Minusgraden, werden aber innerhalb von Räumen unangenehm. Besser schnell abwaschen und neu auftragen.
Fazit: Gewusst welche und wie lange.
Orangen, Zitronen, Kiwi – Vitamin C ist Trumpf. Auch als Pülverchen und Tablette
Äh, nein. Klar, Obst und Gemüse sind gesund. Zusätzliche Vitamin-C-Präparate aber so überflüssig wie Schnee an Pfingsten. Das beweist der sogenannte Cochrane-Review, in dem 55 Studien aus insgesamt 65 Jahren ausgewertet wurden. Die Devise «Viel hilft viel» ist Unfug. Da Vitamin C ein wasserlösliches Vitamin ist, wird es nicht gespeichert, sondern schlicht mit dem Urin ausgeschieden, sobald der Bedarf gedeckt ist. Sprich: Man könnte das Geld für Vitamin-C-Pillen auch gleich in die WC-Schüssel werfen. Vorausgesetzt natürlich, dass Obst und Gemüse gegessen werden.
Fazit: Gesundes Essen: top. Vitamin C-Tabletten: (meist) flop.
Nicht heulen, abhärten
Abreibungen mit Schnee (falls jemand auf den aberwitzigen Gedanken gekommen sein sollte) und eiskaltes Abduschen zur Abhärtung nutzen zur Erkältungsprophylaxe vermutlich nichts. Hurra! Saunagänge hingegen schon. Auch Kinder können übrigens mitschwitzen, sofern es ihnen angenehm ist, sie auf dem untersten Bänkchen hocken, die Temperatur nicht über 75 Grad liegt und sie nur so etwa drei Minuten drinbleiben.
Fazit: Wir pfeifen aufs Abhärten und gehen lieber schwitzen.
Nimmst du halt noch ein Paar Socken zusätzlich
Man nehme die von der Cousine geerbten Winterstiefel, ziehe drei Paar Socken an und das Kindergequengel wegen kalter Füsse hat ein Ende. Das Gequengel wegen der Kälte vielleicht schon, dafür kommt jetzt das Gequengel wegen Blasen an den Füssen. Mehrere Strümpfe übereinander schubbern nämlich gegeneinander – und scheuern dann. Besser: ein Paar qualitativ hochwertige Socken und warm gefütterte Schuhe, vielleicht mit zusätzlicher Wärme-Sohle.
Fazit: Klassischer Fall von «Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben». Blasen sind auch nicht besser als kalte Füsse.
Verhalt dich am besten ruhig!
Hat einen wahren Kern. Natürlich muss kein Kind wegen eines Schnupfens das Bett hüten oder mit einem kleinen Husten platt auf der Couch liegen. Durch Studien belegt aber ist, dass Stress den Körper – egal ob der von Kindern oder von Erwachsenen – anfälliger für Viren macht.
Fazit: Stress und Kind – sollte ohnehin unvereinbar sein!
Schnee essen macht Bauchschmerzen
Vor allem, wenn das Kind ganze Schneemänner futtert… So ein bisschen zum Dran-Lecken ist sicher nicht schlimm, aber es gilt zu bedenken: Schnee ist so etwas Ähnliches wie kaltes destilliertes Wasser, es entzieht dem Körper Elektrolyte und sorgt schnell für Durchfall. Schnee enthält zudem den Dreck der Luft, Hundehinterlassenschaften oder Spuren von Streusalz.
Fazit: Tatsächlich kein ideales Dessert.
So, jetzt mummle ich dich richtig schön ein
Babys können ihren Temperaturhaushalt noch nicht von sich aus regulieren. Sie kühlen schneller aus als Erwachsene, auch die Durchblutung an Händen und Füssen funktioniert noch nicht richtig. Am Einmummeln führt also kein Weg vorbei. Allerdings: Bitte nicht ein einziges polartauglich dickes Kleidungsstück, sondern lieber den Zwiebellook wählen. In übermässig dicken Teilen fängt ein Baby nämlich schnell an, zu schwitzen, Schweiss wiederum ist nass und nass macht kalt.
Fazit: Achtsam mummeln.
Unter 5 Grad? Mütze auf!
Am Kopf sind Blutgefässe dicht unter der Hautoberfläche, Wärme wird hier also besonders schnell abgegeben. Ausserdem haben Kleinkinder und Säuglinge für gewöhnlich noch sehr dünnes Haar, das als Wärmeschutz kaum was bringt.
Fazit: Die Mütze mag unbeliebt sein, doch es führt kein Weg an ihr vorbei.
Kalt macht krank oder: Die lange Unterhose wird angezogen.
Seit 1878 hält sich die Mär, dass Kälte einen quasi umgehend aufs Krankenlager wirft. Schuld an dem Ammenmärchen ist Louis Pasteur, der ein Versuchshuhn in Eiswasser steckte. Mit misslichen Folgen für das Huhn. Heute sagen wissenschaftliche Studien anderes. Nämlich, dass der Körper sich gegen Kälte recht gut wehren kann. Sogar gegen nasse Füsse. Die Erkrankungswahrscheinlichkeit steigt erst rapide an, wenn die Körpertemperatur unter 37 Grad sinkt. Erst dann schlägt die Stunde der Viren.
Fazit: Ein Mensch ist kein Huhn und – alles eine Frage des Masses oder der Gradzahl.
Kind, zieh den Schal an, du erkältest dich sonst
Einer der Top-Eltern-Nervsätze. Und: wahr. Denn je besser die Durchblutung von Hals und Rachen, desto besser gegen Kratzen und Co.
Fazit: Richtig. Nervig hin oder her.
Waaas, du willst bei dem Wetter mit nassen Haaren raus?
Viren ist der Zustand von Haaren vollkommen schnurz. Richtig jedoch ist, dass bei ausgekühlter Kopfhaut und bei ausgekühltem Körper die Schleimhäute schlechter durchblutet werden, sodass Viren leichteres Spiel haben.
Fazit: Halb berechtigter Einwand.
Und jetzt ein schönes Bad
Das ist gemütlich und macht schön mollig warm. Kommen noch Kiefernnadel-, oder Eukalyptusöl (bei kleinen Kindern weglassen) ins Badewasser, werden auch gleich noch die Atemwege frei. Danach eine Lösung mit Salbeiblättern zum Gurgeln (desinfiziert den Hals!) und Zwiebelsaft (mit Honig oder Kandis leidlich trinkbar gemacht) gegen den Husten, und die fieseste Erkältung wird erträglich.
Fazit: Richtig. Badeente nicht vergessen.
Nicht hochziehen, das Zeug setzt sich fest!
Nein, stimmt nicht. Das Geräusch mag eklig sein, schaden tut das Hochziehen nicht. Im Gegenteil. Der hochgeschnufte Schnodder rutscht einfach nur eine Etage höher; allerdings nicht bis ins Gehirn, oder was Eltern sich sonst noch für Schauermärchen einfallen lassen. Da das Geräusch aber wirklich widerwärtig ist, sollte vielleicht dennoch dem Schneuzen der Vorzug gegeben werden. Jedoch bitte nicht mit zu hohem Druck und Nasenloch für Nasenloch, sonst droht eine Nebenhöhlenentzündung. Taschentuch voll? Wegwerfen. Und zwar in die Toilette und nicht in den Papierkorb. Hilfreich sind Nasenduschen mit Salzwasser, die helfen beim bessern Atmen und machen nicht abhängig wie Nasenspray.
Fazit: Hochschnörgeln ist und bleibt fies. Auch wenn gesundheitlich nix dagegen spricht.
Bewegung an der frischen Luft bringts
Wir reden hier nicht von Leistungssport, gell? Denn alles, was den Körper zu sehr anstrengt, öffnet Erkältungsviren Tür und Tor. Bewegung in ganz normalem Rahmen dagegen ist super und gesund. Was aber tun, wenn das Kind es nicht so mit Wald und Flur hat und bei Kälte schon mal gar nicht? Ideen haben! Wie wärs mal mit: einer Fackel- oder Laternenwanderung? Einer winterlichen Schatzsuche? Material sammeln für den Adventskranz? Schneeballschlacht – bei Schnee, klar – geht auch immer.
Fazit: Die Investition in eine Matschhose und Co. ist eine Investition in die Gesundheit.
Caren Battaglia hat Germanistik, Pädagogik und Publizistik studiert. Und genau das interessiert sie bis heute: Literatur, Geschichten, wie Menschen und Gesellschaften funktionieren – und wie man am besten davon erzählt. Für «wir eltern» schreibt sie über Partnerschaft und Patchwork, Bildung, Bindung, Erziehung, Erziehungsversuche und alles andere, was mit Familie zu tun hat. Mit ihrer eigenen lebt sie in der Nähe von Zürich.