Veloreise
Drei einfache Velotouren mit Kindern
Mit dem Velo durch die Schweiz radeln und an coolen Orten übernachten. Unsere Autorinnen haben die Velos gesattelt und drei mehrtägige Touren mit ihren Kindern getestet.
Die Thermentour
Drei Tage entlang von Limmat, Aare und Rhein radeln und abends die müden Knochen im warmen Quellwasser der Thermen wiederbeleben.
Text: Claudia Jucker
Tag 1:
Stadt Zürich–Baden– Windisch–Schinznach Bad
Wir kehren Zürich den Rücken zu und folgen der Route 66 von schweizmobil.ch, die uns direkt der Limmat entlang durch die Agglomeration führt. Unser erstes Ziel: Baden. Es fährt sich ohne grosse Anstrengung fast wie von selbst. Würden wir hier Pausen einlegen wollen, wäre es schwierig, zu entscheiden, wo es am schönsten ist. Wir fahren auf Kieswegen, und wenn es Gegenverkehr und Breite des Weges zulassen, sogar zu zweit nebeneinander. Bei Oetwil an der Limmat entdecken wir zugespitzte Baumstämme am Ufer: unverkennbare Biberspuren. In Würenlos passieren wir denn die blaue Überführung und sind vom Perspektivenwechsel fasziniert. Normalerweise preschen wir hier mit 120 Stundenkilometern am Fressbalken, wie hier die Autobahnraststätte genannt wird, vorbei. Wir sind seit zwei Stunden unterwegs. Noch 30 Minuten bis zu unserem ersten ausgedehnten Halt in Baden. Wir essen etwas auf der Terrasse der Triebguet-Frischluftbar (bei schönem Wetter offen ab April).
Ausgeruht und gestärkt lassen wir uns vom Smartphone auf den regulären Radwegen entlang der Hauptstrasse in Richtung Brugg navigieren, weil Gewitter im Anzug sind. Route 5 und 77 wären bestimmt schöner gewesen, aber wir entscheiden uns, so schnell wie möglich unsere Unterkunft, das Centurion Towerhotel in Windisch, anzupeilen. Dort angekommen, legen wir erst mal die Beine hoch. Für unseren Abendausflug holen wir nochmals die Räder aus dem Keller. Gewappnet mit Badezeug, fahren wir auf der Route 5 durch ein Auengebiet auf einem holprigen Feldweg der Aare entlang, bis wir nach einer halben Stunde beim Thermalbad Schinznach sind. Das heisse Thermalwasser ist genau das Richtige für unsere (wortwörtlich) geräderten Körper, die sich so lange Radstrecken nicht gewöhnt sind. Der Zweistundeneintritt reicht und wir entscheiden uns, im hauseigenen Aquarena-Restaurant zu essen, das bis 23 Uhr geöffnet hat. Im Dunkeln fahren wir, begleitet von Froschgequake, zurück in unser Nachtquartier. Wir hatten Glück: Die Gewitterwolken haben sich verzogen.
Tag 2:
Windisch–Döttingen–Koblenz–Bad Zurzach
Nach dem reichhaltigen Frühstück warten wir den Schauer ab und besteigen erneut unsere Drahtesel. Wir folgen der Aare Route 8, die uns durch Wälder und Felder, mitten durch die Natur, führt. Wir sehen viel von der Aare, die um einiges breiter als die Limmat ist. Döttingen haben wir bereits hinter uns und auch ein paar langatmige steile Strecken, die den einen oder anderen Fluch entlockt haben.
Dafür werden wir am Klingnauer Stausee von einem Vogelgrossaufgebot überrascht und lesen, dass dieser Ort Lebensraum für 220 Vogelarten bietet und von internationaler Bedeutung ist. Einen Eisvogel sehen wir nicht, dafür unzählige Seevögel. Eine schöne Abwechslung, bevor wir den Endspurt nach Bad Zurzach antreten. Bereits am Nachmittag beziehen wir unsere Unterkunft. Dieses Mal laufen wir zu Fuss zur Therme und schliessen unsere Räder über Nacht in den Schopf. Für den Besuch in der Therme reichen auch hier zwei Stunden. Wer mag, isst ebenfalls direkt im Restaurant vor Ort. Leckeres und günstiges Essen gibt es aber auch im BarBar an der Hauptstrasse.
Tipp: In Bad Zurzach gibt es wenig bezahlbare Familienunterkünfte. Früh buchen oder in die Umgebung ausweichen. Wir haben im Hotel zur Post übernachtet. Zwar sehr zentral, aber teuer.
Koordinaten Thermentour
Unterlag: meistens Feld- und Waldwege, zum Teil auf Teer
Tourinfo: Zürich–Schinznach Bad–Bad Zurzach–Zürich
Länge: 114 Kilometer
Höhenmeter:
Tag 1: 146 Höhenmeter
Tag 2: 162 Höhenmeter
Tag 3: 385 Höhenmeter
Belag: meistens Feld- und Waldwege
Altersstufe: ausprobiert mit zwei zwölfjährigen Mädchen. Empfohlen: für geübte Langstreckenradler* innen mit schon etwas längeren Beinen
Übernachten: Windisch-Brugg: Towerhotel Centurion ➺ centurion-towerhotel.ch Jugendherberge Brugg: ➺ youthhostel.ch/de/hostels/brugg/ Schinznach Dorf: B&B für Familien bis vier Personen ➺ bnb-schinznach-dorf.ch Gasthof Bären mit grossem Garten ➺ baeren-schinznach.ch/hotel
Highlights: zwei Thermenbesuche, Biberbauten, viel Wasser, Vogelbeobachtungen, eigenes Hotelzimmer mit Fernsehen Aquarena Schinznach Bad: ➺ bad-schinznach.ch Therme Zurzach Bad: ➺ thermezurzach.ch
Tag 3:
Bad Zurzach–Kaiserstuhl–Bachs–Stadt Zürich
Die dritte und letzte Etappe führt uns wieder nach Zürich. Anfangs noch leicht und unbeschwert, fahren wir den Rhein entlang auf Route 2. In Kaiserstuhl biegen wir auf die 32 und legen immer wieder Pausen ein, weil es stetig bergauf geht. Leichtere Räder haben hier einen grossen Vorteil. Die Wege sind geteert und in guter Form, trotzdem gehts an die Substanz. Die Mädchen fantasieren, wie es wäre, bei der nächsten Gelegenheit auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Erst nach Dielsdorf können wir ein Stück bergab fahren, bis es bei Regensdorf kurz vor dem Katzensee nochmals streng wird. Der Heimweg frisst nicht nur Energie, sondern auch ganze vier Stunden. Das Navi hat zwei Stunden 20 Minuten prophezeit. Müde und erschöpft fahren wir nach Hause. In drei Tagen haben wir 114,36 Kilometer aus eigener Kraft zurückgelegt. Wow. Wir sind stolz.
Die Fluss-Burg-Tour
Abwechslungsreich und fern von Verkehr und Hügeln von Biel bis nach Burgdorf.
Text: Katja Fischer De Santi
Am Anfang unserer ersten grösseren Velotour stand die Idee in der Burg-Jugi in Burgdorf zu übernachten. Unsere Jungs, damals sechs und acht Jahre alt, waren sofort Feuer und Flamme. Das Flämmchen drohte, abrupt zu ersticken, als wir angekündigten, mit den Velos dorthin zu fahren. «Soo weit?» und «Aber es darf nicht bergauf gehen, im Fall» tönte es. Immer schön flach zuerst der Aare, dann der Emme entlang, täglich nicht mehr als 25 Kilometer und alles Gepäck im Veloanhänger, so müsste das zu schaffen sein, befanden wir Eltern.
1. Tag:
Biel–Büren an der Aare–Nennigkofen
Bereits am Vortag waren wir mit dem Zug und unseren Velos nach Biel gereist und hatten es uns an der Seepromenade und auf der grossen Liegewiese der «Swiss Lago Lodge» gut gehen lassen. Die Zimmer des Hostels sind einfach, es gibt selbst gebrautes Bier und ein gutes Frühstück. Und das Beste: Es sind mit dem Velo nur fünf Minuten bis zum Nidau-Büren-Kanal, wo unsere Flussfahrt beginnt. Zwölf Kilometer lang ist der Kanal zwischen dem Bielersee und der Einmündung der Alten Aare bei Büren und genau dorthin wollen wir. Wir folgen dabei der offiziellen Veloroute 8 von schweizmobil.ch. Es ist eine ziemliche Etappe für unsere Kinder, die sie aber mit etwas Motivation und Windschattenfahren gut meistern. Wichtig sind viele Pausen und genug zu Knabbern. Comic lesen auf einer Wiese und etwas ausspannen hilft auch.
Unbedingt einen Abstecher wert ist das Naturschutzgebiet Häftli. Der Aare-Arm ist verwildert und verschlungen, es gibt wunderschöne kleine Standstrände und umgestürzte Bäume zum Klettern (siehe Bild auf S. 52), sogar ein Schwingseil übers Wasser haben wir entdeckt. Für unsere Buben ein Highlight.
Wichtig: Viel Zeit einplanen
Bei Büren an der Aare ist die gedeckte Holzbrücke mit Einbahnverkehr ein Erlebnis. An der hübschen kleinen Flusspromenade gibt es zur Belohnung eine grosse Glace. Mit diesem Versprechen haben wir sie die letzte Stunde vorwärtsgetrieben. Google Maps berechnet für diese Strecke knapp 40 Minuten – wir brauchten mit allen Pausen vier Stunden! Zeit zu haben, ist das Wichtigste, wenn man mit Kindern unterwegs ist.
Nach Büren verlassen wir den immer kurviger werdender Aarelauf und biegen ab auf die Route 44 Richtung Nennigkofen, wo wir ein B&B gebucht haben. Es sind nochmals zwölf Kilometer durch Felder und Wälder, vorbei an prächtigen Berner Bauernhäusern. Landschaftlich sehr schön, aber für unsere Kinder anstrengender, da es nun leicht hügelig wird und die Beine langsam müde werden. Es ist später Nachmittag, als wir den Kulturhof Weyeneth erreichen. Ein stattliches altes Bauernhaus mit Beiz, riesigem, verwunschenem Garten und das Beste, eine Spielgruppe hat hier auch ihre Zimmer und unsere Kinder dürfen einige Spielsachen mitbenutzten – mehr Glück geht grad gar nicht.
Koordinaten Fluss-Burg-Tour
Tourdaten: Biel–Nennigkofen–Burgdorf
Länge: 50 Kilometer
Höhenmeter: rund 180 Höhenmeter
Belag: viele Kies- und Feldwege
Altersstufe: auch für Vorschulkinder mit etwas Fitness zu machen, da kaum Verkehr und Steigung. Empfohlen ab sechs Jahren
Übernachten:
Biel: Swiss Lago Lodge ➺ lagolodge.ch Nennigkofen: ➺ kulturhof-weyeneth.ch Burgdorf: Jugendherberge in der Burg
Highlights: Übernachten in der 800-jährigen Burg, Fahren entlang der Aare und Emme, Naturschutzgebiet, Museum Route 8 und 4
Tag 2:
Nennigkofen–Gerlafingen–Burgdorf
Am nächsten Morgen verlassen wir den offiziellen Veloweg und suchen uns unseren Weg via Navi selbst über Landstrassen und Feldweg zur Emme hin. Das schöne Städtchen Solothurn lassen wir rechts liegen, um uns Kilometer und den Stadtverkehr zu ersparen. Zwischen Gerlafingen und Bätterkinden finden wir wieder auf die Route 44 und an die Emme. Diese führt uns nun wieder schön flach bis nach Burgdorf. Die Landschaft und die Wege sind abwechslungsreich. Mal fahren wir auf einem Damm, mal schlängeln sich schmale Pfade durch Waldgebiet und unser Veloanhänger holpert beträchtlich. Den Kindern gefällt es. Heute fahren sie die 25 Kilometer fast problemlos.
Wohl auch, weil der Höhepunkt unserer Tour – die Übernachtung in einer 800-jährigen Burg – immer näher rückt. Stolz thront sie auf einem Felsen über dem Städtchen Burgdorf. Es ist kurz so steil, dass wir die Räder schieben müssen. Über eine Brücke geht es ins Tor hinein, «alles wie bei richtigen Rittern», ruft der ältere Sohn, während der jüngere sofort auf den Turm klettern will. Zu sehen gibt es hier viel. 2020 wurde die Burg komplett saniert und beherbergt nun eine moderne, stilvolle Jugi mit 115 Betten, ein Museum, ein Trauzimmer und ein Restaurant.
Am nächsten Tag schlendern wir durch das kleine Städtchen Burgdorf und besuchen das Museum Franz Gertsch. Seine riesigen, fotorealistisch gemalten Bilder faszinieren die Kinder und uns sehr. Definitiv ein Besuch wert. Wir müssen uns aber losreissen und zum Bahnhof. Mit dem Zug geht es wieder nach Hause. Eines ist klar: Das war nicht unsere letzte Velotour.
Die kleine Seetour
Zwei Tage lang gemütlich den Murtensee umrunden und dabei am längsten Sandstrand der Schweiz verweilen.
Text: Claudia Jucker
Tag 1
Murten–Salavaux
Da wir mit dem Auto anreisen, parken wir es beim Segelhafen am Murtensee. Dort können wir es unbeschränkt stehen lassen und bezahlen mit der Easy-Park-App. Wir haben die Tour auf zwei Tage aufgeteilt, da unsere Siebenjährige noch nicht so lange Strecken fahren kann oder eher will. Geübtere Kinder schaffen es bestimmt auch in einem Tag. Unser Tagesziel ist der TCS Camping Salavaux Plage, der direkt am Murtensee liegt und an den längsten Sandstrand der Schweiz grenzt.
Die Wetterprognosen kündigen kein Strandwetter an, aber wir lassen uns davon nicht abhalten. Mit aufgeladenen Zuckerdepots lassen wir das mittelalterliche Städtchen hinter uns und folgen der Schweiz-Mobile-Route-480. Weg vom Getümmel, fahren wir auf einem ländlichen Weg und erspähen immer wieder den Murtensee, der sich gerade wie ein kleiner Ozean verhält und Segler und Surfer wild herum katapultiert. Die Strecke ist leicht, und so sieht man auch viel von der Umgebung. Die letzte Viertelstunde bis zum Campingplatz fahren wir auf einem asphaltierten Weg parallel zur Hauptstrasse. Wir waren für diese zehn Kilometer rund anderthalb Stunden unterwegs.
Hätte Petrus mitgespielt, könnten wir nun einen entspannten Nachmittag am Strand verbringen, aber es regnet. Stattdessen satteln wir unsere Räder ab und machen es uns in unserer frisch bezogenen Unterkunft gemütlich. Die Kinder feiern. Wir übernachten nämlich in einer Art Fass, einem sogenannten «Family Pod». Ihr Highlight der Tour. Im Bistro Chablais 06 kommen alle auf ihre Kosten: Flammkuchen, Burger und Salat. Wir verbringen den späten Nachmittag damit, verschiedene Gesellschaftsspiele auszuprobieren.
Koordinaten Seetour
Unterlag: Teer und Feldwege
Länge: 27 Kilometer
Höhenmeter: 350 Höhenmeter
Altersstufe: für verkehrssichere Kinder ab sieben Jahren, die sich auch vor etwas steileren Abschnitten nicht scheuen und zur Not ihr Rad ein Stück weit selbst den Berg hoch stossen können
Übernachten: Camping Salavaux
Highlights: Family Pod, Strand, Nidelkuchen, Aussicht auf zwei Seen
Tag 2
Salavaux–Mont Vully–Murten
Das Wetter meint es heute besser. Leider müssen wir aber schon weiter. Das Wasser ist so ruhig, dass man gar nicht glauben kann, wie tags zuvor alles wild und bewegt war. Wir fahren auf Feldwegen durch eine abwechslungsreiche Uferlandschaft. Bei Motier wirds zum ersten Mal richtig streng. Es geht bergauf in Richtung Mont-Vully. Wunderschöne Weinberge und eine atemberaubende Aussicht sollen die Belohnung für die Anstrengungen sein. Wir lassen die Kinder ihre Räder schieben. Sie beschweren sich und finden uns gemein. Wir nehmen eine Abkürzung und vertagen den Aufstieg zum Mont-Vully, um die Mädchen nicht nachhaltig zu verärgern. Unser Picknick geniessen wir auf einer Bank am Waldrand und überblicken den Neuenburger- und den Murtensee, die sich wie ein kitschiges Postkartenpanorama vor uns ausbreiten. Die Stimmung ist gerettet.
Nicht mehr ganz so steil, aber doch tendenziell ansteigend fahren wir auf einem Feldweg durch die Weinberge, parallel weit unter uns der Murtensee. Bei Vully gehts dann eine Weile bergab, leider auf der Hauptstrasse. Erst nach der Brücke bei Sugiez treffen wir wieder auf naturbelassene Feldwege und fahren das letzte Stück durch den Chablais, ein riesiges Waldgebiet. Das Fahren macht wieder Freude und das Ziel ist auch schon bald erreicht. Nach gut zweieinhalb Stunden und 17 Kilometern – Pausen, Proteste und Snacks inklusive – sind wir wieder in Murten bei unserem Auto.
Tipp: zwei Tage im «Family Pod» übernachten, um einen gemütlichen Strandtag einzuschalten.
Katja Fischer De Santi ist seit Mai 2022 Chefredaktorin von «wir eltern». Davor war sie 15 Jahre lang als Gesellschaftsjournalistin bei verschiedenen Tageszeitungen in leitenden Funktionen tätig. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Buben am Bodensee, weil dort die Gedanken so weit schweifen können.