Impfendebatte
Sind Impfungen schädlich?
Bis ein Kind 17 Jahre alt ist, hat es in den meisten Fällen Impfungen gegen 13 Infektionskrankheiten hinter sich: Masern, Mumps, Röteln, Diphtherie, Keuchhusten, Wundstarrkrampf, Kinderlähmung uns so weiter. Mädchen wird seit einigen Jahren auch eine Impfung gegen die Viren empfohlen, die Gebärmutterhalskrebs verursachen.
Bei so vielen Impfungen und so vielen Gängen zum Arzt (Erstimpfungen müssen je nach Impfung aufgefrischt werden) ist es nicht erstaunlich, dass es Eltern gibt, die das für völlig übertrieben halten. Die Zahl der Impfgegner hat in den letzten Jahren zugenommen. Sie empfinden das staatlich verordnete Impfprogramm als einen Eingriff in die persönlichen Grundrechte, gar als eine Form von Körperverletzung. Der hohe medizinische Versorgungsstandard in entwickelten Gesellschaften sei schädlich, sagen Impfgegner, und benutzen nicht selten die Masernerkrankung, um ihre Argumente zu stützen: Eine echte Masernerkrankung gewähre im Gegensatz zur Impfung lebenslange Immunität. Kinder von Müttern, die eine Masernerkrankung durchgemacht hätten, seien in den ersten Lebensmonaten vor einer Maserninfektion geschützt. Kinder von geimpften Müttern nicht. Es gibt medizinische Studien, die das belegen.
Impfen verursacht Schäden
Ein weiteres Argument der Impfgegner: Oft würden Impfungen Komplikationen nach sich ziehen. Das European Forum for Vaccine Vigilance (EFVV), das Impfkritiker in ganz Europa vereint, hat über 1000 Berichte von Impfgeschädigten gesammelt und ausgewertet. Häufige Folgen von Impfungen, so das EFVV, seien Allergien, Haut- und Atemwegserkrankungen, Astma, Lähmungen und Hirnschäden. Das Forum kritisiert zudem, dass die Impfstoffe standardisiert seien, jeder Mensch aber individuell auf Krankheiten reagiere.
Vor allem die Masernimpfung ist umstritten. 2011 grassierte in einigen Gegenden in der Schweiz eine kleine Masernepidemie, weil nur drei von vier Kindern mit den nötigen zwei Dosen geimpft waren. Zwischen Ende 2010 und Mitte 2011 wurden rund 400 Masernfälle in der Schweiz gemeldet. Alleine im Umfeld der Rudolf-Steiner-Schule in Basel, schreibt der «Beobachter», gab es 40 Masernfälle. Anthroposophen lehnen in der Regel Impfungen ab.
Sektenfachmann Hugo Stamm beobachtet auch, dass «sowohl fundamentalistische Mitglieder von Freikirchen als auch radikale Esoteriker» Impfungen verweigern.
Kinderkrankheiten in Schach halten
Solange Impfgegner in einer kleinen Minderheit bleiben, können die Behörden damit leben. Die Durchimpfungsrate in der Schweiz geht immer noch gegen über 90 Prozent, was reicht, dass Kinderkrankheiten hierzulande in Schach gehalten werden können.
In den USA heisst es, «no shots, no school» – ohne Impfung, kein Schule. Soweit will in der Schweiz niemand gehen. Doch warnen die Behörden und Ärzte vor den Folgen des Nicht-Impfens. Oft gehe vergessen, dass Kinderlähmung eine ganze Zukunft zerstören kann. Oder dass Mumps bei jedem dritten Jungen eine schwere Hodenentzündung auslöst, die zu Unfruchtbarkeit führen kann. Röteln während er Schwangerschaft ist fürs Ungeboren höchst gefährlich. Und auch wenn die Masern bei den allermeisten Kindern ohne Komplikationen wieder abklingen, können sie bei fünf Prozent der Patientinnen und Patienten zu Lungenentzündung oder Hirnerkrankung führen. Einer von 3000 Masernpatienten stirbt an der Krankheit. Weltweit sind das 200 000 Personen jährlich.
Das Argument der Impfgegner, dass Kinderkrankheiten durchmachen zur Entwicklung eines Kindes gehöre und es stärke, lassen Impfgegner nicht gelten. Zu oft kommt es ihrer Ansicht nach zu Komplikationen. Je älter eine Person ist, die sich mit einer Kinderkrankheit ansteckt, desto öfters treten Komplikationen auf. Es sei nicht erwiesen, dass Impfungen Langzeitschäden verursachen, sagen Impfbefürworter. Heftige Reaktionen auf den Impfstoff seien sehr selten. Zudem würden die Impfstoffe gründlich geprüft, bevor sie zugelassen würden. Für die Impfbefürworter überwiegt der gesellschaftliche Nutzen von Impfungen, auch wenn ein Kinder kurzzeitig auf eine Impfung reagiert und sich ein paar Tage unwohl fühlt.