Essbare Wildpflanzen
Schweizer Wildpflanzen im Teller?
Von Tabea Reusser (Text und Fotos)
Die Natur bietet einen Schatz an essbaren Pflanzen: Viele essbare Wildpflanzen wirken stärkend und heilend. Fast könnte man zum Selbstversorger werden. Auch Kindern macht das Sammeln Freude. Also auf zur Mission Wildkräuter!
Lernen Sie die Wildpflanzen, deren Wirkung und Nutzung kennen:
Brennnessel
Gänseblümchen
Giersch
Spitzwegerich
Löwenzahn
Schafgarbe
Blacke
Johanniskraut
Zurzeit diskutieren wir in der Familie oft darüber, wie wir unser Leben gestalten wollen. Ein grosses Thema ist auch das Essen. Wo kaufen wir ein, was kaufen wir? Verzichten wir komplett oder nur teilweise auf tierische Produkte? Was wollen wir konsumieren? Was ist überhaupt noch gesund, was tut uns wirklich gut? Dabei wurde uns klar, dass wir die Pflanzen, die bei uns in den Wäldern oder auf den Wiesen wachsen, viel zu wenig kennen. Viele sind essbar und besitzen, wie wir nach und nach herausfanden, eine immense Konzentration an Mineralstoffen, Vitaminen, Eiweissen sowie gesunden Fettsäuren – ein Vielfaches von jedem Salat und jeder anderen Kulturpflanze, die wir im Laden kaufen. Wildpflanzen benötigen keinen landwirtschaftlichen Anbau, sie müssen nur gesammelt werde. Also entschieden wir uns, gemeinsam mit unseren Kindern auf eine Entdeckungsreise durch die Wildnis zu gehen.
Dabei haben wir etwas Wichtiges entdeckt. Nicht nur die Inhaltsstoffe der Wildpflanzen haben eine heilende Wirkung. Auch die gemeinsame Zeit, das gemeinsame Suchen, das Pausemachen, das Draussensein; die Sonne, den Wind oder den Regen zu spüren, die Gegend zu erkunden, die verschiedenen Farben zu sehen; zu riechen und zu schmecken; die Dankbarkeit für die Vielfalt und Fülle, in der wir leben: All das hat uns unheimlich gut getan. Zur Nachahmung empfohlen!
Brennnessel
Was ist drin?
Die «Königin unter den Wildpflanzen» ist gesund, sie enthält viel Eiweiss, viel Eisen, Mineralstoffe, Vitamine und Spurenelemente – ein wahres regionales Superfood. Wer die Brennnessel in seinen Alltag integriert, lebt gesünder und kann womöglich sogar Krankheiten vorbeugen: Sie soll den Stoffwechsel fördern, Infektionen lindern und blutreinigend wirken, das Immunsystem allgemein stärken, krebsvorbeugende Wirkung haben und bei Akne und Rheumabeschwerden helfen. Die Brennnessel stärkt auch stillende Mütter.
Was verwenden?
Am besten sammelt man immer die obersten Spitzen der Brennnessel, doch auch den Stiel kann man essen sowie die weiblichen Samen, sie enthalten viel Vitamin E: Sie schmecken roh oder geröstet, im Salat oder Müesli. Ihr Geschmack ist nussig. Sie wirken wie ein Wachmacher gegen Müdigkeit.
Wo finden?
Die Brennnessel findet man in Gärten, im Wald, auf Wiesen, an Wegrändern oder an Flussufern. Beim Pflücken und Weiterverarbeiten kann man Handschuhe verwenden. Wir pflücken sie meistens von Hand unten am Stiel oder mit der Schere – klappt meistens ganz gut. Meistens.
Wann sammeln?
Blätter: März bis November; Samen (die weiblichen sind die guten): August bis Oktober
Was daraus machen?
Smoothie: eine Handvoll Brennnesselblätter mit reifen saisonalen Früchten sowie Wasser oder frischem Fruchtsaft mixen.
Tee: die frischen Blätter nur eine halbe bis eine Minute ziehen lassen.
Brennnesselchips: 30 Brennnesselblätter sammeln (nur die obersten Blätter), mit einem Tuch abreiben. Olivenöl erhitzen, Blätter darin braten, auf ein Papiertuch legen. Mit Salz würzen.
Schnelle Brennnessel-Glace: 1 Tasse Cashewnüsse, 1 Tasse Eiswürfel, 3 sehr reife Bio-Bananen, 2 Handvoll Brennnessel-Triebspitzen, 1-2 EL Zitronensaft, Mark von 1 Vanilleschote. Alles mixen und gleich geniessen.
Gänseblümchen
Jedes Kind kennt wahrscheinlich die Gänseblümchen. Sie eignen sich nicht nur für Blumensträusschen oder Haarkränze: Die Blume ist auch essbar. Und jeder Teller sieht mit Gänseblümchen dekoriert einfach schöner aus, sei es auf der Suppe, im Salat oder auf dem Brot.
Was ist drin?
Sie enthalten viel Vitamin A, C und E und sind reich an Mineralstoffen wie Kalium, Calcium, Magnesium und Eisen.
Was verwenden? Blätter und Blüten und sogar die Stiele können problemlos verzehrt werden.
Wann sammeln? Fast das ganze Jahr.
Was draus machen?
Gänseblümchen-Kapern: 200 g Gänseblümchenknospen in 300 ml Kräuter-Essig mit einer Prise Salz einlegen.
Gänseblümchen-Tee, zur Vorbeugung von Erkältungskrankheiten, bei Husten und Fieber: 1 EL frische oder 1½ EL getrocknete Blüten und Blätter pro Tasse mit kochendem Wasser überbrühen, 5 bis 10 Minuten ziehen lassen. Wer den bitteren Geschmack nicht mag, kann etwas Honig hinzufügen.
Gänseblümchen-Salat: Die Blätter roh evtl. mit anderen Wildkräutern in den Salat geben, der Geschmack ähnelt Nüsslisalat.
Giersch
Giersch wird oft für ein Unkraut gehalten, weil er im Garten auch ohne Pflege häufig wuchert. Doch Giersch ist vitamin- und mineralstoffreicher als zahlreiche Kulturgemüse und ist ein altes Heilmittel.
Was ist drin?
Besonders viel Vitamin C.
Was verwenden?
Sowohl Blätter als auch Blüten können verzehrt werden. Am besten wenn sie noch jung sind.
Wann sammeln?
Blätter: März bis Oktober; Blüten: Juni.
Was draus machen?
Gierschpesto: Giersch nach Belieben (plus andere Wildkräuter nach Gusto), Nüsse (wir wählen Baum- und Haselnüsse, die wir auch im Herbst sammeln können), Öl (z. B. Oliven-, Nuss- oder Kürbiskernöl), Pfeffer und Salz.
Zubereitung: Alles mixen und in ein sauberes Glas füllen.
Wahlweise dazu mixen: Pilze, Tomaten, Peperoni, Oliven, Kichererbsen, Randen und andere Wildkräuter. Auch Parmesan kann dazugegeben werden, dies verringert allerdings die Haltbarkeit.
Couscoussalat: Ein leckeres Couscous mit 100 bis 150 g jungem Giersch, saisonalem Gemüse, frischer oder getrockneter Minze, Zitronensaft, Olivenöl, Salz und Pfeffer. Couscous zubereiten. Feste Zutaten klein schneiden, beigeben, mit Öl, Zitrone und Gewürzen abschmecken.
Gierschonade: 15 Blätter Giersch, Gundermann, Gänseblümchen, Rosenblätter, Malve (was sich alles so finden lässt), einige Stängel Minze, 1 Zitrone, 1 Liter frischer Bio-Apfelsaft, 1 Liter Mineral- wasser. Aus den Kräutern einen Strauss binden, kräftig anquetschen und für mind. 3 Stunden in den Apfelsaft hängen, dann kurz vor dem Servieren den Zitronensaft und das Mineralwasser hinzugeben. Wer mag, lässt den Strauss als Dekoration drin. Gekühlt servieren.
Spitzwegerich
Vor allem die Blüten des Spitzwegerichs haben einen feinen Pilzgeschmack. Die Blätter lassen sich klein geschnitten wie Schnittlauch beispielsweise im Salat verwenden. Die Samen kann man aus der Blüte schütteln, roh essen oder getrocknet über Salate und Müesli streuen. Die Pflanze findet man eigentlich überall – am Wegrand, im Wald und auf der Wiese. Aus der unscheinbaren Heilpflanze kann man auch gut mit den Kindern eine Heilsalbe machen, da der Spitzwegerich antibakteriell und wundheilend wirkt. Oder wenn es mal schnell gehen soll, einfach ein Blatt zerdrücken, sodass der Saft austritt, und auf den Stich oder die Wunde tupfen. Selbst als Hustensirup oder «Anti-Juckpflaster» bei Insektenstichen hilft die Pflanze.
Was ist drin?
Spitzwegerich enthält Kieselsäure, Vitamin B und C, Kalium und Zink.
Wann sammeln?
Das ganze Jahr; junge Blätter können von April bis Juni geerntet werden.
Was draus machen?
Spitzwegerich-Risotto: etwa 25 g Blüten, 1 Zwiebel, 1 EL Pflanzenöl, Salz und Pfeffer, 3 El Mandelmus.
Zubereitung: Zwiebel würfeln, im Öl andünsten, Blüten hinzufügen und kurz mitdünsten. Risotto separat nach Packungsangabe kochen und am Ende mit den Blüten und dem Mandelmus vermengen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Wildkräutersalat: Allerlei Wildkräuter kombinieren mit Fenchel, grünem Salat, Äpfeln und Nüssen.
Spitzwegerich-Tinktur gegen Husten: Spitzwegerich sammeln, klein schneiden, in ein Glas füllen und mit hochprozentigem Schnaps begiessen, bis kein Blatt mehr hervorschaut. Nach 4–6 Wochen die Blätter absieben und den Alkohol in eine dunkle Flasche geben. Tröpfchenweise die Tinktur bei Husten einnehmen.
Löwenzahn
Das wahrscheinlich bekannteste «Unkraut» ist der Löwenzahn. Er ist fast auf jeder Wiese zu finden und vielseitig einsetzbar. Seine Blätter schmecken leicht bitter und nussig.
Was ist drin?
Löwenzahn enthält Bitterstoffe und um ein Vielfaches mehr Vitamin A und C, Eiweiss, Kalium, Magnesium und Phosphor als ein gewöhnlicher Kopfsalat, und ihm wird zudem eine blutreinigende und harntreibende Wirkung nachgesagt. Er regt die Verdauung an und hilft bei Blähungen und Blähbauch.
Was verwenden?
Neben den Blättern können auch Blüten und Wurzeln besonders gut in der Küche verwendet werden.
Wann sammeln?
April bis Oktober.
Was draus machen?
Junge Löwenzahnblätter passen gut zu Salaten, Suppen, Saucen oder einfach aufs Brot. Die Blüten eignen sich hervorragend als Deko auf Salaten oder Desserts. Aus ihnen lässt sich aber auch Gelée, Sirup, Tee oder eine Art Honig herstellen.
Kräutersuppe: 1 Zwiebel hacken und in Butter anschwitzen, mit 750 ml Bouillon aufgiessen, 2 Kartoffeln und saisonales Gemüse klein schneiden und beigeben, 2 Handvoll Wildkräuter hacken und zugeben, alles mixen und mit Kokosmilch oder Rahm verfeinern.
Schafgarbe
Man findet die Schafgarbe auf Wiesen. Äusserlich angewendet, kann sie Blut stillen. Innerlich hilft sie bei Beschwerden im Magen-Darm-Trakt und wirkt auch beruhigend bei Menstruationsschmerzen.
Wann sammeln?
Juni bis September
Was verwenden?
Blühendes Kraut/Blüten. Die Schafgarbe lässt sich auch sehr gut trocknen.
Wie verwenden?
Als Bad oder Teilbad für Blutstillung, als Öl für Menstruations- oder Bauchschmerzen. Als Tee aufgebrüht nicht mehr als 2 bis 3 Tassen pro Tag trinken. Schafgarbe macht sich auch im Salat gut.
Blacke
Die Blacke, auch Ampfer genannt, hat uns ihre Heilkraft eindrücklich unter Beweis gestellt: Mein jüngster Sohn fiel in die Brennnesseln, und wir machten einen Verband aus Blacken. Im Nu war er geheilt. Bevorzugte Standorte dieser Pflanze sind Wegränder, unbewirtschaftete landwirtschaftliche Flächen und Wildwiesen.
Wann sammeln?
April bis November
Was verwenden?
Die Blätter
Wie verwenden? Salbe: Aus einem Pflanzenöl kann man auch eine Salbe machen. Zuerst aus der Blacke (wie beim Johanniskraut erklärt) ein Öl erstellen. Bienenwachs schmelzen und es mit dem Öl mischen, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist. Diese Salbe lindert Blutungen, Verletzungen, leichte Verbrennungen, Hautausschläge, Hämorrhoiden und Entzündungen sowie Juckreiz, Schwellungen und Brennen nach Insektenstichen. Die Heilsalbe wirkt kühlend, wundheilend, entzündungshemmend, pilztötend und juckreizberuhigend.
Johanniskraut
Als Öl hilft das Johanniskraut sehr gut gegen Prellungen, Verstauchungen und stumpfe Sportverletzungen. Es wächst an Wegrändern, auf trockenen und mageren Wiesen oder auch auf Brachland.
Wann sammeln?
Juni bis August
Was ist drin?
Flavonoide, Gerbstoffe und ätherische Öle.
Was verwenden?
Blühendes Kraut für Tee, Blüten für Öl.
Was daraus machen?
Johanniskrautöl: Blüten sammeln, am besten wenn sie schon viel Sonne getankt haben. Die Blüten locker in ein Glas füllen. Kalt gepresstes Olivenöl darübergiessen, bis die Blüten bedeckt sind. Das Glas an einen warmen sonnigen Ort stellen. Ca. 3 bis 6 Wochen ziehen lassen, das Glas einmal täglich schütteln. Danach das Öl durch ein Sieb in ein sterilisiertes, am besten braunes Glas füllen. An einem dunklen Ort aufbewahren. Das Öl hält sich 1 bis 2 Jahre.
Anwendungen: Bei der schmerzenden Stelle einmassieren, bei Prellungen, Zerrungen, Hexenschuss, Nackenschmerzen, Nervenschmerzen etc. Oder als Badezusatz 1 bis 2 EL Johanniskrautöl auf ein Vollbad geben.
Johanniskrauttee: 3 frische Blüten pro Tasse mit kochendem Wasser überbrühen. Anwenden bei Stimmungsschwankungen, Wochenbettdepression, Unruhe, Schlafstörungen. Nicht mehr als 2 bis 3 Tassen täglich über einen Zeitraum von 4 bis 6 Wochen.