Schwangerschaft
Warum Übergewicht für Mutter und Baby gefährlich sein kann
Stark übergewichtige Frauen sind für die Geburtsmedizin eine Herausforderung und gefährden sich selbst ebenso wie das ungeborene Kind. Es lohnt sich, frühzeitig Hilfe zu beanspruchen.
Der BMI (Body-Mass-Index) ist eine Orientierungshilfe zur Beurteilung des Körpergewichts. Normalgewichtig sind Frauen, die einen BMI zwischen 19 und 25 haben. Alles, was darüber liegt, wird als Übergewicht bezeichnet. Von Adipositas spricht man ab einem BMI von 30. Relevant für die Beurteilung der gesundheitlichen Risiken in der Schwangerschaft ist der BMI, der bei Schwangerschaftsbeginn gemessen wird. Der BMI berechnet sich aus dem Körpergewicht dividiert durch das Quadrat der Körpergrösse (kg/m2). Wer bereits übergewichtig ist, soll in der Schwangerschaft nicht mehr als 7 bis 10 Kilo zunehmen. Dies entspricht einer täglichen Mehraufnahme von 200 bis 300 Kalorien oder einem Joghurt und einer Banane. Bewegung und Sport sollten auch in der Schwangerschaft einen festen Platz im Alltag haben.
Gynäkologinnen und Hebammen betreuen immer mehr schwangere Frauen, die stark übergewichtig sind. Die Rede ist nicht von den paar Kilos zu viel, die uns von der Idealfigur trennen, sondern von dem, was Mediziner unter Adipositas oder Fettleibigkeit verstehen. Diese beginnt bei einem Body-Mass-Index von 30 (siehe Box) und die Zahl der Betroffenen hat sich laut Bundesamt für Gesundheit in den letzten 20 Jahren verdoppelt. «Ab diesem Ausgangs-BMI bei Schwangerschaftsbeginn muss mit Schwierigkeiten gerechnet werden», sagt Gabriella Stocker, stellvertretende Chefärztin der Geburtsklinik im Zürcher Stadtspital Triemli. «Je höher der BMI, desto grösser sind die Risiken für Mutter und Kind.»
Mehr Kaiserschnitte
Während Schwangerschaft und Geburt laufen im weiblichen Körper komplexe Prozesse ab, die ein junger und gesunder Organismus in der Regel problemlos meistert. Starkes Übergewicht belastet jedoch den Kreislauf und den Stoffwechsel zusätzlich, sodass Thrombosen, Schwangerschaftsdiabetes und lebensbedrohliche Schwangerschaftsvergiftungen (Präeklampsie) deutlich öfter auftreten. Zudem ist das Risiko für eine Fehl- oder Frühgeburt erhöht. Adipositas hat auch einen Einfluss auf die Geburt: Je schwerer eine Frau ist, desto schwächer und unwirksamer sind ihre Wehen und desto häufiger wird das Kind übertragen. «Möglicherweise liegt das daran, dass ein höherer Körperfettanteil den Hormonstoffwechsel verändert, endgültig geklärt ist dies jedoch nicht», so Stocker. Fakt ist, dass medikamentöse Geburtseinleitung und Kaiserschnitt bei adipösen Frauen überdurchschnittlich häufig vorkommen.
Ein weiteres Problem ist, dass die Körperfülle medizinische Diagnosemöglichkeiten und Interventionen erschwert. «Ultraschallgeräte kommen an ihre technischen Grenzen, wenn eine sehr dicke Fettschicht zwischen Gebärmutter und Ultraschallkopf liegt», sagt Stocker. «Die Folge davon ist, dass wir nicht so genau wissen, wie gross das Kind ist.» Dies kann die Erstversorgung nach der Geburt erschweren, denn Neugeborene von adipösen Schwangeren haben gemäss neueren Untersuchungen häufiger angeborene Fehlbildungen, darunter vor allem Neuralrohrdefekte und Herzfehler.
Parallel zum steigenden Ausgangs-BMI der Mutter nimmt auch das Geburtsgewicht der Neugeborenen zu, wie eine norwegische Studie unlängst zeigte. Ein besonderes Problem stellt dabei der Typ-2-Diabetes dar, der bei adipösen Schwangeren vermehrt auftritt. Ihr Blut enthält zu viel Zucker, der auch in den Organen des Ungeborenen gespeichert wird. Mit möglicherweise lebenslänglichen Folgen für die Kinder: Sie sind bei der Geburt nicht nur schwerer, ihr Risiko, im Erwachsenenalter selber übergewichtig zu sein, ist laut einer von der American Diabetes Association in Auftrag gegebenen Studie um 85 Prozent höher.
In Anbetracht all dieser Nachteile für Mutter und Kind müsste ein normales Ausgangsgewicht für Frauen mit Kinderwunsch Priorität haben. Gerade auch weil die Fruchtbarkeit klar tiefer ist bei Adipositas. «Uns sind jedoch die Hände gebunden», sagt Stocker. «Wir können die Frauen zwar über Risiken und gesunde Ernährung informieren, aber umsetzen müssen sie das Wissen selber.» Die Ärztin empfiehlt, Hilfe und Unterstützung von aussen in Anspruch zu nehmen, denn kaum etwas ist schwieriger, als ungesunde Ernährungsgewohnheiten zu ändern und dauerhaft das Gewicht zu reduzieren. «Ganz besonders wenn man ungünstige Gene hat. Denn ob man dazu neigt, viel zu essen und schnell zuzunehmen, ist zu einem grossen Teil auch eine Frage des Erbmaterials», so Stocker.
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➺ mycoach.ch
Ernährungspsychologische Beratung bei Übergewicht:
➺ epb-schweiz.ch
Kontrovers diskutiert wird, ob ein Magenbypass bei Frauen mit Kinderwunsch gemacht werden soll. Nimmt die Patientin nach einer bariatrischen Operation nicht zuverlässig die notwendigen Zusatzvitamine, wenn sie schwanger wird, erhält der Fötus nicht genügend Nährstoffe. «Es treten dann vermehrt Wachstumsstörungen der Feten auf, sie kommen zu leicht oder zu früh zur Welt», sagt Stocker.