Schlimmer als jammernde Männer sind nur beleidigte Männer. Das behauptet die Frau unseres Kolumnisten. Er ist anderer Meinung.
Ich kann es nicht mehr hören, dieses ewige Gejammere der Männer über den ganzen Stress mit den Kindern, über das Zusammenklappen des Kinderwagens bei klirrender Kälte. Ich habe dieses Dauerbeklagen satt, wie sehr der Beruf darunter leide, das Sexleben. Treffen sich zwei Väter über Mittag (abends gehts ja nicht mehr), hauen sie sich, gebeugt über ihre Salatschüsseln, ihre Leidensgeschichten um die Ohren. Und weil es ihnen am Ende dann doch ein wenig unangenehm ist, sagen sie nebenher: «Aber die Kleinen sind schon auch süss.»
Und das Schlimmste am Ganzen ist: Ich bin auch so ein Jammerlappen.
Woher kommt das? Wie ist es nur soweit gekommen?
Ich rufe meinen Vater an, vielleicht habe ich dieses Verhalten ja jemandem abgeschaut.
Ich: «Sag mal, wie habt ihr früher untereinander über eure Kinder gesprochen?»
Er: «Was willst du wissen?»
Ich: «Na ja, du und deine Freunde in der Kneipe, was habt ihr euch über uns erzählt?»
Er: «Gar nichts.»
Mein Vater gehörte zur Vätergeneration, die morgens um sieben das Haus verliessen und ohne schlechtes Gewissen spät abends wiederkamen, da waren wir meistens schon im Bett. Wer nichts mit den Kindern zu tun hat, hat auch nichts zu lästern. Natürlich gab es Ausnahmen, nur – mein Vater war keine. Ich war sein Sohn und bin es noch, alles okay, aber er hat verbal nie geäussert, was ich genau für ihn bedeute.
Das alles hat sich in den letzten dreissig Jahren verändert. Es mag banal klingen, aber es stimmt: Männer reden mehr darüber, was sie beschäftigt, und damit meine ich nicht nur die Vorfreude auf das Champions-League-Finale. Nur in geografischen Randregionen wie Lappland dürfen beste Freunde einfach nur schweigen und Rentier schiessen. Aber hier? Wer in der Schweiz nicht über sich spricht, gilt als Kauz.
Treffe ich also einen frischgebackenen Vater über Mittag (abends geht’s ja nicht mehr), lästern wir über unsere Sommerferienpläne (Bauernhof-Hotel im Thurgau?), weil wir es zu Hause nicht tun dürfen, klar. Keine Frau hält einen dauernörgelnden Mann aus. Schlimmer als jammernde Männer sind nur beleidigte Männer, sagt meine Frau.
Aber wir nörgeln auch, weil wir Nähe symbolisieren wollen. Nörgeln gehört zum Männer-Bonding. Wir zeigen uns unsere Freundschaft, indem wir unser Windeleimer- Leben bemitleiden und zugeben, es manchmal einfach nicht mehr zu schaffen. Und wir hauen uns zum Abschied auf die Schulter, um uns «für diese Offenheit» zu bedanken.
Das Problem ist nur: Das ist alles nur Tarnung.
Wir tun nur so, als ob wir über Intimstes sprächen, dabei verstecken wir uns hinter Floskeln, wie: «Früher war das Leben glamouröser. » Viel entblössender wäre es nämlich, wir würden schwärmen und zugeben, wie glücklich wir sind, wenn wir unsere Kinder sehen. Es würde uns empfindsam zeigen, doch das wollen wir nicht, deshalb sprechen wir nur über das Negative. Weil es einfacher ist. Feiger aber auch. Schlappschwänziger.
Das nächste Mal, wenn ich mich über Mittag mit einem meiner Kumpel treffe, werde ich auf die griesgrämige Frage «Und, wie gehts mit den Kindern?» sagen: «Super toll. Das beste, was mir in meinem Leben passiert ist. Nebst meiner Frau.»
Es wird ein Schock.
Sacha Batthyany
Sacha Batthyany (41) ist Redakteur beim «Magazin» und hat 4-jährige Zwillinge und eine 6-jährige Tochter.