Familie / Gesundheit
Neue Ideen und Modelle
Von Anita Zulauf Fotos Fabian Unternährer
Was am Ende bleibt, wenn Kinder- und auch Hausärzte keine freien Plätze mehr haben, sind Kinder-Permanence-Kliniken, 24-Stunden-Betriebe, in Städten meist in der Nähe von Bahnhöfen. Oder, wenns eilt, der Spital-Notfall. Klar, die Betreuung dort ist gut. Doch die Nachteile liegen auf der Hand: Häufig wechselnde Kinderärzte und höhere Kosten. Das bedeutet: Durch den Wechsel der Ärzte können weder Eltern noch Kinder ein Vertrauensverhältnis über Jahre aufbauen. Auch der Arzt kennt die Familien nicht. Dazu Heidi Zinggeler Fuhrer: «Wenn einer meiner Patienten zu mir kommt, kenne ich seine Geschichte und weiss einfacher, was zu tun ist. Fehlt dieses Wissen, muss sich der behandelnde Arzt erst kundig machen und kann nicht auf frühere Erfahrungen zurückgreifen.» Das dauert länger, ist aufwendiger, braucht mehr Verlaufskontrollen und kostet daher mehr Geld.
Veränderte Lebensmodelle, veränderte Arbeits- und Freizeitbedürfnisse, politisch unsichere Zeiten, unklare Zukunftsaussichten: Diese Liste, nicht abschliessend, führt dazu, dass Praxen aus unserem Alltag verschwinden. Ist diese Negativspirale noch zu stoppen? «Dafür müssten die Bedingungen wieder attraktiver werden», so Zinggeler und meint damit mehr Ausbildungsplätze für Medizinstudenten, wovon mehr Hausund Kinderärzte werden, bessere, langfristige Rahmenbedingungen wie Lösungen für Notfalldienste, adäquate Abgeltung im Vergleich zu anderen Spezialisten, einfachere Zulassungsbedingungen, geringerer administrativer Aufwand, bessere dauerhafte Perspektiven.
Es braucht neue Ideen und Modelle, einige sind angedacht, andere bereits verwirklicht. Dieter Ambühl etwa nennt als Vision ein Pädiatrisches Zentrum, in dem verschiedene Fach- und Anlaufstellen untergebracht sind: Kinderärzte, Erziehungs- und Mütterberatung, Psychologen, eine Integrationsstelle und ein Treffpunktcafé mit Kinderspielplatz. Zusätzlich ein Therapiezentrum mit Physiound Ergotherapie, Heilpädagogischer Früherziehung und Frühlogopädie. «Verschiedenste Bedürfnisse würden vernetzt und Synergien könnten genutzt, interdisziplinäres Denken gelernt und Vielfalt und Individualität anerkannt und gefördert werden», sagt Dieter Ambühl.
Oder Modelle wie die Praxis Wirbelwind in Oberkirch (LU). Die drei Kinderärztinnen Karin Häfliger-Gräni, Martina Hurni und Franziska Marti, alle 35 Jahre alt, haben im Januar 2017 eine Praxis eröffnet. «Wir arbeiten alle in Teilzeit, allein wäre es daher kaum möglich gewesen», sagt Karin Häfliger. Die Medizin zu betreiben, von der sie überzeugt sind, das Bedürfnis der Eltern abzudecken, dass sicher immer eine der drei Ärztinnen in der Praxis anwesend ist, der fachliche Austausch untereinander, das Besprechen komplexer Patienten und somit die interne Qualitätskontrolle: Das alles waren Motivationen, die für die eigene Praxis sprachen. Alle drei sind gleichberechtigte Teilhaberinnen. «Die Mütter und Väter schätzen es, dass wir alle junge Frauen sind, die genau wissen, wovon die Eltern sprechen», so Häfliger. Die Wirbelwind- Praxis hat derzeit sogar noch freie Plätze.
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