Beruf und Bildung
Mehr als ein nettes Label
Die Versicherungsgruppe Sympany definiert Familienfreundlichkeit so: Frauen wie Männer sollen ihre Rollen als Mütter und Väter wahrnehmen – und zwar ohne auf interessante Arbeitsstellen und Karrieren verzichten zu müssen.
Das klingt gut. Was aber tut das Unternehmen dafür? «Einiges», heisst es auf Anfrage. Unter anderem gibt es flexible Arbeitszeiten, Teilzeitarbeit, Telearbeit. Möglich sind bis zu 16 Wochen Mutterschaftsurlaub bei 100 Prozent Lohn und fünf Tage bezahlter Vaterschaftsurlaub. Hinzu kommt finanzielle Unterstützung bei der Kinderbetreuung und betriebsinterne Beratung für werdende Mütter und Väter.
Rücksicht nehmen auf die Lebenssituation der Angestellten, mit Job-Angeboten, die es erleichtern, Privat- und Berufsleben zu managen – für Eltern, aber auch für Mitarbeitende, die sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern. Das ist der Bank Coop nach eigenen Angaben wichtig. Sie bietet unter anderem Teilzeitstellen auf allen Hierarchie-Stufen an. Gefragt sind diese Stellen vor allem im mittleren Management – rund 25 Prozent der Mitarbeitenden nutzen das Angebot. Auch auf der obersten Führungsebene arbeiten rund 3 Prozent der Angestellten Teilzeit. Ab einem Pensum von 60 Prozent funktioniere Teilzeit auch in einer Führungsfunktion, sagt Andrea Bernhard, Betriebsökonomin und bei der Bank Coop Mitglied des Kaders.
Sympany und Bank Coop tragen das Prädikat «Familie und Beruf». Es wird seit 2008 von der Fachstelle «UND Familien und Erwerbsarbeit für Männer und Frauen» vergeben. Der Wunsch nach einer solchen Auszeichnung kam von Unternehmen, die damit auch Image-Werbung betreiben wollten. Schliesslich lässt sich mit zeitgemässen Anstellungsbedingungen gutes Personal rekrutieren.
«Es geht nicht nur um ein gut zu vermarktendes Prädikat», sagt UND-Geschäftsführer Daniel Huber. Vielmehr um die Frage, wie ernsthaft Familienfreundlichkeit in der Unternehmenskultur verankert ist. Und dazu gehörten eine ganze Reihe von Kriterien: Betriebskindergärten oder Teilzeitmodelle sind das eine. Das andere, ob sich die Firmenleitung glaubhaft dafür einsetzt, dass Angestellte Beruf und Familie gleichermassen managen können. Ob Firmenchefs und Personalverantwortliche von sich aus danach fragen. Und ob Mitarbeitende mit Kindern tatsächlich die selben Aufstiegschancen haben wie kinderlose Kolleginnen und Kollegen. Nur jene Firmen, die eine Vielzahl der Kriterien erfüllen oder bereit sind, sie zu erarbeiten, dürfen sich familienfreundlich nennen. Neun Schweizer Unternehmen haben sich bislang zertifizieren lassen. Weitere sind auf dem Weg dazu, darunter auch KMU. Huber betont, dass Firmen nicht zwingend ein Label brauchen. Viele Betriebe setzten sich auch so für die Väter und Mütter unter ihren Angestellten ein.
«Ob mit oder ohne Label – die Investition in Familienfreundlichkeit lohnt sich», sagt Daniel Huber. Stimmen die Rahmenbedingungen, seien Mitarbeitende engagierter, loyaler, zufriedener. Hinzu kommen Fakten, die sich messen lassen: Familienfreundliche Personalpolitik zahlt sich mit einem Return on Investment von acht Prozent aus, heisst es in einer Studie aus dem Jahr 2005, die von vier Unternehmen und dem Volkswirtschaftsdepartement lanciert wurde. Der Wert war anhand einer Modellrechnung ermittelt worden.
Der Nutzen für die Unternehmen entsteht unter anderem dadurch, dass mehr Mütter nach der Geburt ihres Kindes ins Unternehmen zurückkehren. Es spart damit Kosten für die Wiederbesetzung von Stellen. Fazit: Familienfreundliche Rahmenbedingungen sollten nicht länger als soziale Wohltat verstanden werden, sondern als zentrales Element einer effizienten Personalpolitik.
- Fachstelle UND: www.und-online.ch
- Handbuch für KMU, die sich für familienfreundliche Strukturen einsetzen wollen: www.seco-admin.ch – Stichwort Vereinbarkeit von Beruf und Familie