Michalis Pantelouris möchte als Vater bei seinen Kindern einen guten Eindruck
hinterlassen. Für alle Ewigkeit. Bloss: Wie kriegt man sowas hin?
Tochter Nummer eins und ich sind eigentlich nicht so oft zu zweit unterwegs. Das ist überhaupt so eine Sache in Familien, dass man so selten zu zweit ist und deshalb dauernd jeder um Aufmerksamkeit kämpfen muss. Oder um Ruhe. Zu zweit ist alles einfach. Ich hoffe, Nummer eins erinnert sich an tolle Tochter-Momente mit ihrem Vater, wenn einmal die Zeit der Nostalgie kommt, und ich glaube, es werden Zu-zweit-Momente sein. Noch mehr glaube ich, es werden lauter falsche Momente sein und ich werde nicht besonders gut dastehen, aber ich versuche es, okay? Ich versuche es. «Nummer eins», beginne ich, als wir zu zweit den Gehweg entlanggehen zum Kino. Es ist eine perfekte Situation für einen Vater-Tochter-Moment, oder sogar – in zukünftigen Nostalgien vielleicht noch wertvoller – eine Vater-Tochter-Tradition! Wenn meine Tochter sich in zwanzig oder vierzig Jahren erinnern würde «Sonntags bin ich immer mit meinem Vater spazieren gegangen und habe mit ihm über das Leben geredet», wäre das nicht toll? Ich gehe zwar ungern spazieren und sonntags ist irgendwie ein doofer Tag, aber das könnte ich mir ja bis nächsten Sonntag nochmals genauer überlegen. Jetzt jedenfalls ist ein guter Moment, die Saat zu legen für meinen Platz in der Geschichte als Supervater. Ich hasse, nur so nebenbei, diese Superväter mit den Säuglingen in Tragetüchern und Vollbärten (die Väter) und sooo viel Geduld in der Umkleidekabine nach dem Schwimmkurs, aber ich rede ja auch nicht von jetzt, sondern von der zukünftigen Erinnerung meiner Tochter. Von der Nostalgie. Das sind unterschiedliche Dinge, okay? Jedenfalls: «Nummer eins», beginne ich, und dann überlege ich, was ich Weises, Warmes, Empathisches sagen kann, damit sie sich später dran erinnert, «also …». «Papa», unterbricht sie mich, «in einem Klavier sind so Saiten drin wie in einem Flügel, nur gehen die von unten nach oben und nicht zur Seite». Was soll man dazu sagen? «Das stimmt, Murkel.» «Wenn ich gross bin, dann möchte ich in einer Villa wohnen mit einem Flügel. Und Pferden.» «Okay.» Nummer eins kriegt Klavierunterricht. Und Reitunterricht. Ich habe nur Mädchen. Ich verbringe viel Zeit in Reitställen, und deshalb in Gedanken. Es ist unglaublich, wie schnell das alles vorbeifliegt, und wie selten man die Chance hat, irgendwo einen Eindruck zu hinterlassen. Es muss wichtige Momente geben im Leben meiner Töchter, aber wenn man kein Pferd ist und kein Klavier und nicht einmal ein Schwimmlehrer, dann ist man gar nicht so oft dabei. «Nummer eins», frage ich, «und was willst du werden, wenn du mal gross bist?» Es ist die absurdeste aller Fragen, wenn man weiss, dass das Leben eben nur eine Improvisation ist und man immer erst hinterher darauf kommt, was man in diesem oder jenem Moment eigentlich hätte machen sollen. Während man noch darüber nachdenkt, was für eine Art Vater man eigentlich sein möchte, wachsen die Kinder und sind aus dem Haus bevor man richtig angefangen hat. Sich zu überlegen, was für ein Vater man gerne wäre, ist wie Klamotten zu kaufen für den Körper, den man gerne hätte. «Pferdepflegerin», sagt Nummer eins. «Ich will Pferdepflegerin werden. Und du, Papa?» Als wenn ich das wüsste.
Michalis Pantelouris
Michalis Pantelouris (39), Journalist, lebt mit Frau und zwei Töchtern (6 und
10) in Hamburg — und kennt inzwischen jeden Ponyhof im Stadtgebiet.