Geburt – Vorbereitungskurse
Gebären lernen
Auf meine erste Geburt habe ich mich mit einem DVD-Film namens «Fit für die Geburt» vorbereitet. Okay, im Schwangerschaftsyoga war ich auch noch. Aber sonst haben mich Erzählungen von Freundinnen über Geburtsvorbereitungskurse, bei denen sie mit ihren Männern händchenhaltend um ein Nestli tanzen mussten, eher abgeschreckt. Ich bin halt nicht so der «gschpürige» Typ, deshalb die DVD, die ihren Zweck übrigens erfüllt hat: Ich hatte eine tipptoppe Geburt auf natürlichem Weg. Jetzt, vor der Ankunft meines zweiten Kindes, ist alles etwas anders. Die Momente, in denen ich mein Schwangersein so richtig geniessen kann, sind selten. Der Alltag mit Kind, Mann und Job steht im Vordergrund. Umso wichtiger scheint mir die Zeit, in der es nur um mich, das Ungeborene und die bevorstehende Geburt geht. Deshalb habe ich mich durch den dichten Dschungel von Angeboten zur Geburtsvorbereitung geschlagen. Und fünf verschiedene Kurse besucht, von supersportlich bis superesoterisch.
Hypnose und Geburt
«Nein, eine Geburt hat nichts Esoterisches an sich, sondern ist das natürlichste Ereignis der Welt!», nimmt mir Susanne Keller Loomans schon am Telefon erste Bedenken. «Ich bin keine, die Stäbchen wirft und Räucherkerzen anzündet», doppelt die diplomierte Hypnosetherapeutin und Dreifach-Mutter nach, als sie mich in ihrer hellen Praxis in Zürich Wipkingen zu einer Privatsitzung empfängt. Zwei Stunden, mehr braucht es ihrer Meinung nach nicht, um vorbereitet zu sein für eine selbstbestimmte Geburt. Im ersten Teil der Sitzung sprechen wir über meine erste Niederkunft und wie ich mir die anstehende vorstelle. Es ist, als ob ich einer guten Bekannten erzählen würde. Frau Keller Loomans erklärt mir, welche körpereigenen Hormone bei einer Geburt wann ausgeschüttet werden. Erstes Aha-Erlebnis: Mein Körper verfügt von Natur aus über alle Instrumente für eine gute Geburt! Mein Hirn schüttet zuerst das Hormon Oxytocin aus, welches Gebärmutter-Kontraktionen auslöst, die Geburt vorantreibt und wenn die Wehen einsetzen Unmengen von Endorphinen, unserem körpereigenen Schmerzmittel. Es ist alles in mir, wieso hat mir das vor der letzten Geburt bloss niemand gesagt? Mithilfe von Selbsthypnose, die wir im Anschluss üben, kann ich mich während den Wehen und Austreibungsphase entspannen. Sie unterstützt den natürlichen Ablauf zusätzlich. Es fällt mir aber trotz einlullendem Vogelgezwitscher aus dem CD-Player und Frau Keller Loomans sanfter Singsang-Stimme schwer, mich ganz fallenzulassen. Bin ich vielleicht hypnoseresistent? Die Hypnose soll mich auf eine imaginäre Reise zu Orten führen, an denen ich mich entspannen kann. Für mich ist es unser Garten im Sonnenschein, dazu ein warmes Windchen und Kinderlachen im Hintergrund. Dorthin soll ich mich zwischen zwei Wehen gedanklich zurückziehen. Um mich dann, wenn die nächste Wehe heranrollt, in einen konzentrierten Energiefluss zu begeben, ähnlich wie ich ihn sonst beim Schreiben erlebe. Das macht total Sinn, theoretisch. Damit es auch in der Praxis funktioniert, wird die ganze Hypnose-Session auf CD aufgenommen, fürs Üben auf dem Sofa. Zum Schluss gibt mir Frau Keller Loomans noch Folgendes auf den Weg: «Ganz egal, welchen Verlauf die Geburt nimmt, auch einen unerwarteten, mit Notfall-Kaiserschnitt oder PDA: Du kannst die hier gelernte Ruhe in jeder Situation anwenden. Es gibt nichts Schlimmeres, als Frauen, die sich als Versagerinnen fühlen, weil sie nicht natürlich geboren haben. Jede Geburt ist ein Ereignis!»
Fazit: Wer nicht glaubt, dass Selbsthypnose auch unter der Geburt funktioniert, schaut sich den Film auf der Website an. Er zeigt eine Mutter, die scheinbar entspannt und geräuschlos in den Wehen liegt, und erst zehn Minuten vor der Geburt aus ihrer Hypnose fällt. - Eine 2h-Einzelsitzung kostet 225 Franken www.geburtundhypnose.ch
Bauchtanz für Schwangere
Ein helles Klimpern liegt in der Luft. Es kommt von den mit Münzen bestickten Tüchern, die sich die Schwangeren unter ihren Bäuchen um die Hüfte geschlungen haben. Bauchtanz stärkt das Körperbewusstsein und die Beckenbodenmuskulatur, und die weichen, fliessenden Bewegungen sollen auf spielerisch-tänzerische Art auf die Geburt vorbereiten. So steht es jedenfalls auf der Website vom «Zentrum für orientalische Tanzkunst». Ich denke mir: Wann sonst bauchtanzen als jetzt mit Babybauch? «Das passt optimal», bestätigt Lehrerin Julie in breitestem Berndeutsch. «Schliesslich ist Bauchtanz ursprünglich ein orientalischer Fruchtbarkeitstanz, also perfekt für Schwangere.» Und los geht meine erste Tanzstunde. Zuerst zeigt uns Julie die Grundbewegungen – es sind nicht viele und es ist nicht allzu schwer – und hängt diese dann zu einer Choreographie zusammen, die ich nachzutanzen versuche. Schon schwerer. Die grossen Spiegel rund um uns kennen kein Pardon: Während Julie einer sinnlichen Prinzessin aus Tausendundeiner Nacht gleicht, fühle ich mich daneben eher wie ein schwitzendes Trampeltier. «Es geht nicht um Perfektion, sondern, dass ihr euch bewegt. Das ist auch für euer Baby schön!» ruft Julie wohlwollend dazwischen. Na ja. Ich gebe mir Mühe, das Becken horizontal in einer Acht kreisen zu lassen, mit leicht gebeugten Knien und graziös zur Seite gestreckten Armen. Immerhin, die fliessenden Wasserfall-Bewegungen mit den Händen kriege ich nicht schlecht hin. Mein Baby im Bauch ist unterdessen friedlich eingeschlummert. Aber jetzt kommt der «Milkshake-Move», bei dem wir unsere Brüste mal nach rechts, mal nach links schütteln, die Schultern dabei aber ruhig unten lassen. Mit meinen schon beachtlich grossen Brüsten finde ich das nicht sehr angenehm. Nach ein paar Atem- und Kraftübungen am Boden, einem Mix aus Schwangerschaftsyoga und -pilates, folgt eine Gesprächsrunde, in welcher Fragen besprochen werden. Und in der vor allem die Lehrerin von ihren eigenen zwei Geburten erzählt. Bereits warten hinter uns die nächsten Tänzerinnen. Diesmal ohne Babybauch. Beschwingt setze ich mich auf meinen fliegenden Teppich in Gestalt eines Linienbusses und schwebe entspannt nach Hause.
Fazit: Bauchtanz eignet sich für Frauen, die ihre Weiblichkeit in der Schwangerschaft besonders zelebrieren wollen. Bauchtanzkurse für Schwangere und Frauen mit Kindern im Tragetuch gibts in verschiedenen Städten im Zentrum für orientalischen Tanz ZeoT, mit Kinderhütedienst. - 6er-Abo für 150 Franken www.zeot.ch
Schwangerschafts-Fitness
Es muss ja nicht immer Schwangerschaftsyoga oder Pilates sein. Manchmal tut schon etwas betreute Fitness gut. Früher sagte man Schwangerschaftsgymnastik dazu. Und so finde ich mich in einem charmefreien Raum im Untergeschoss der Rheumaklinik am Zürcher Universitätsspital wieder, in einem Kreis von zwölf gut gelaunten, schwangeren Frauen die aus Thailand, Polen, Littauen, China und anderen entlegenen Ecken der Welt kommen. Wir sitzen auf Gymnastikbällen und lassen unsere unterschiedlich grossen Bäuche rauf und runter hopsen. Unter der Anleitung von Viviana, einer auf Geburtsvorbereitung spezialisierten Bewegungspädagogin, werden hier Schwangere ab der 15. Woche kostenlos eine Stunde pro Woche auf Trab gehalten. «Dreissig Minuten ausser Atem kommen am Tag ist gut für den Kreislauf, und das Baby wird mit einer Extraportion Sauerstoff versorgt», sagt die Kursleiterin zwischen zwei Übungen. Zusammen mit einer gesunden Ernährung sei das die beste Prophylaxe gegen Schwangerschaftsdiabetes und Herz-Kreislauf-Krankheiten. Schwangeren-Beschwerden wie Rückenschmerzen oder schwere Beine können durch die Bewegung ebenfalls gelindert werden. Nicht zu unterschätzen seien auch die sozialen Kontakte, die oft im Kurs entstehen und sich zu Freundschaften entwickeln. Unterdessen stehen wir, machen zu mit Beats unterlegtem indischem Gesang aus dem Kassettenrekorder eine Art Schwangeren-Aerobic, und ich komme ziemlich ins Schnaufen. Die Schwangere aus Frankreich hat ihren kleinen Sohn mitgebracht, der uns verwundert zuschaut, wie wir mit unsern dicken Bäuchen die Arme durch die Luft rudern lassen. Irgendwann stinkt es ihm und er hängt sich seiner Maman heulend an den Bauch. Zum Glück ist die Stunde schon fast um. Als Abschluss üben wir auf der Matte mit Stillkissen ein paar Atem- und Entspannungsübungen, die wir auch unter der Geburt anwenden können.
Fazit: Super für bewegungsfaule Schwangere, die ab und an einen Kick von aussen brauchen und keine Mühe mit Spital-Atmosphäre haben. Der kostenfreie Bewegungskurs sowie weitere Angebote rund um Fitness und Ernährung vor und nach der Geburt werden von der Plattform www.buggyfit.ch durchgeführt, auch in anderen Schweizer Städten.
Fresh-Up für Zweit- und Mehrgebärende
Dank diesem Abendkurs weiss ich jetzt, was im Falle einer Sturzgeburt zu tun wäre: Ein paar saubere Tücher ausbreiten, sitzend an eine Wand lehnen, das Kind gebären, sofort zu mir nehmen und mit zusätzlichen Decken wärmen. Erst dann die Ambulanz anrufen und mit einem Nabelset herbestellen. Auf keinen Fall selber abnabeln! Meine vier hochschwangeren Kursgschpändli und ich schauen unsere Kursleiterin schockiert an. «Keine Sorge, das ist in meiner langen Karriere als Geburtsvorbereiterin noch nie vorgekommen», beruhigt uns Sandra Ackermann sogleich lachend. Aber falls doch, wüssten wir ja jetzt Bescheid. Beim zweiten Kind soll es ja bekanntlich schneller gehen mit der Geburt. Den Kurs «Fresh-up für Zweit- und Mehrgebärende» bietet Sandra Ackermann erst seit kurzem und aufgrund grosser Nachfrage von Frauen an, welche sie bereits durch eine Geburt begleitet hat und die zu ihr ins Rückbildungsturnen oder ins Schwangerschaftsyoga kommen. Abgesehen vom Kursort – einem etwas tristen Heilsarmee-Quartiertreff beim Kreuzplatz in Zürich – war dieser Kurs für mich total aufschlussreich. Nachdem wir in der Runde von unseren ersten Geburten erzählt haben (ich könnte stundenlang zuhören!) – was vielleicht schiefgelaufen ist, wie wir es uns dieses Mal vorstellen – geht die Kursleiterin auf praktische Themen ein, wie etwa Betreuung der Geschwisterkinder während der Geburt, wann als Zweitgebärende der richtige Zeitpunkt ist, um ins Spital oder Gebärhaus aufzubrechen, wie man die Wünsche im Gebärsaal am besten anbringt und was man sich dort nicht mehr gefallen lassen sollte. Mithilfe eines Beckenmodells aus Schaumstoff und einer Puppe demonstriert Sandra Ackermann, wie sich das Kindchen optimal durch den Geburtskanal bewegt. «Bitte visualisiert diese Bewegung, dann kommt es gut!» Wir stellen Fragen, die uns schon lange beschäftigen, reden unverkrampft über Ängste und üben zum Schluss zu Musik einige Atem- und Entspannungsübungen. Oder wie wir uns mithilfe von Vokalen in verschiedenen Tonlagen durch die Wehen singen können. Ooooooh, uuuuuuuuh, aaaaaaaber bitte doch lieber im Spital, und nicht in unserer Küche!
Fazit: Tolle Auffrischung und Austausch in kleiner Runde vor der zweiten oder dritten Geburt. Und mit 45 Franken für 90 Minuten ein super Preis-Leistungs-Verhältnis! Fresh up Abend für Zweit- und Mehrgebärende in Zürich, weitere Kursangebote rund um die Geburt:
Sanfte Geburt
Wer auf Rosenquarz, sphärische Klänge und vitalisiertes Wasser steht, ist in Urs Camenzinds Gesundheitspraxis in Cham goldrichtig. Im zweitägigen Wochenendkurs bereitet der Hypnosetherapeut und Naturheilpraktiker Schwangere nach dem selbstkonzipierten Programm «Sanfte Geburt» auf eine angstfreie Entbindung vor. An diesem frühlingshaften Sonntagmorgen begrüsst Urs Camenzind zehn Paare, allesamt erstgebärend, ausser mir und noch einer Schwangeren, die ebenfalls allein gekommen ist. Zuerst einmal erklärt uns Urs Camenzind stolz, dass er 2006 in Europa der Erste war, der das derzeit angesagte «Hypnobirthing» nach Dr. Marie Mongan erlernt und unterrichtet hat. Die Sanfte-Geburt-Methode sei eine Weiterentwicklung der Mongan-Theorie, weil ihm diese zu starr war. So reicherte er sie unter anderem mit Elementen aus dem hawaiianischen Schamanismus an. Ich schaue mich um: Einige der Männer machen den Eindruck, als ob sie bei dem schönen Wetter lieber eine Wurst grillieren würden, als hier über ihre Geburtsängste zu sprechen. Aber was tut man nicht alles für seine schwangere Frau. Fakt ist: Die Sanfte-Geburt-Kurse sind stets schnell ausgebucht, die Leute kommen von nah und fern. «Sogar aus Mallorca.» Rund 4500 Teilnehmer hat Urs Camenzind in den letzten sieben Jahren auf eine sanfte Geburt vorbereitet, mit zu 95 % positiven Rückmeldungen, wie er sagt. «Ihr werdet sehen, das wird eine grandiose Erfahrung für euch, denn es gibt niemanden mit mehr Erfahrung als mich.» Auf die Frage, weshalb ausgerechnet er als Mann uns Gebärende berät, antwortet er: «Ich habe Schmerzerfahrungen mit Feuerlaufen gemacht und mich narkosefrei unterbinden lassen.» Das Konzept dabei sei immer dasselbe: Der Geist dämpfe die Schmerzen. Für Zweifel bleibt keine Zeit, schon kriegen wir ein Handbuch überreicht und sind mittendrin. Wir schreiben das Drehbuch für unsere Wunschgeburt: Wann sich das Kind in Geburtsposition begeben, wann das Fruchtwasser abgehen und sich die Plazenta nach der Geburt lösen soll. Jedes Detail wird festgehalten, der perfekte Ablauf somit verinnerlicht. Dann ganz wichtig: Die Atmung – denn wer diese im Griff hat, beherrscht jede Angst. Wir üben in der Gruppe, wie wir das Kindchen rausschnaufen können, indem wir es lautstark Richtung Becken schieben, wo wir eine aufgehende Blüte visualisieren sollen, aus der das Kind austritt. Die Männer schnaufen jetzt engagiert mit, der Kursleiter hat Freude. Dazu lernen wir die Technik der Selbsthypnose, an der ich unterdessen grossen Gefallen gefunden habe. Auch interessant: Unter der Geburt sollten keine negativen Begriffe verwendet werden, wenn möglich bitte von niemandem im Gebärzimmer. So wird die «Wehe» zur «Welle», «Schmerzen» zu «Empfindungen» und die «Austreibungsphase» zur «Austrittsphase». Ich frage mich, wie ich mit dieser Wortwahl wohl im Spital ankommen werde. Es sind viele Infos, die wir uns fleissig ins Handbuch notieren. Und zu Hause gehts dann weiter mit Übungen, die wir jede Stunde (!) wiederholen sollten, dazu gibts CDs mit Anleitungen zur Tiefenentspannung und bis zur Geburt jeden Tag eine Inspiration per E-Mail. «Eine Sportlerin trainiert schliesslich auch intensiv auf einen Marathon», sagt Urs Camenzind. Da hat er bestimmt recht, nur leider kenne ich keine unsportlichere Person als mich.
Fazit: Es gibt keine umfassendere Vorbereitung. Im zweitägigen Intensivkurs (750 Franken mit Partner) werden Schwangere ganzheitlich auf eine natürliche Geburt vorbereitet. Empfehlenswert vor allem für Erstgebärende, die empfänglich sind für Naturheilpraktiken und viel Zeit investieren können. Für alle anderen gibts neu einen Eintageskurs.
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