Finanzen
Frauen sind richtig gut im Investieren, wenn sie sich getrauen
Die Selfmade-Millionärin Carmen Mayer zeigt als Unternehmerin und Buchautorin auf, wie man an der Börse viel Geld verdienen kann. Ihr geht es darum, dass mehr Frauen finanziell unabhängig werden.
Stimmt es, dass der Wunsch, Millionärin zu werden, bei Ihnen mit der ersten Schwangerschaft aufkam? Warum ausgerechnet dann?
Carmen Mayer: Das war der Zeitpunkt, an dem ich mir für meine Familie ein Haus gewünscht habe. Zuvor lebten wir in München in einer 2-Zimmer-Wohnung. Aber ich hatte nicht mit diesen Hauspreisen gerechnet! Ich begriff, dass ich etwas an meiner finanziellen Situation ändern musste .
War diese so schlecht?
Nein, eigentlich nicht. Mein Mann und ich sind beide gut ausgebildet und haben gut verdient. Trotzdem: Es hätte niemals gereicht für ein Haus in München! Wir haben nicht verschwenderisch gelebt, deshalb dachten wir, dass es für uns einfach sein würde, ein Haus zu kaufen. Wir waren immer sehr bedacht – trotzdem reichte es nicht. Daraus entstand der Wunsch, mehr Geld zu haben– und am besten gleich Millionärin zu werden! Aus der Not heraus.
Ihr Startkapital für die ersten Aktien war dann doch 100000 Euro. So viel «Geld zum Zocken» muss man erst noch haben!
Wie gesagt, bei meiner Arbeit bei Roche habe ich nicht schlecht verdient. Aber klar, die Ausgangssituation ist für jeden anders. Trotzdem: Es ist wichtig, dass wir überhaupt damit beginnen, ein Vermögen aufzubauen. Egal von welchem Ausgangspunkt aus. Jeder soll für sich selbst entscheiden, was viel und was wenig ist. Für mich war eine Million viel – für jemanden, der Milliarden hat, ist eine Million wenig .
Sie haben es also selbst in die Hand genommen. Ansonsten überlassen Frauen die Finanzen noch immer gerne ihren Partnern. Frauen sind auch als Anlegerinnen in der absoluten Minderheit. Weshalb?
Früher habe ich Finanzfragen auch an meinen Partner abgetreten und mich kaum um Geld gekümmert. Ich hatte keine Ahnung. In unserer Gesellschaft ist Anlegen tatsächlich maskulin geprägt, viele Frauen nehmen Finanzkompetenz als leidiges und kompliziertes Thema wahr. Man verschiebt die Auseinandersetzung damit gerne auf später. Kein Wunder: Es wird jungen Frauen auch unattraktiv vermittelt.
Wie sieht denn bei Ihren Börsencoaching-Kursen das Geschlechterverhältnis aus?
90 Prozent sind Frauen! Natürlich spreche ich insbesondere Frauen an. Womöglich denken sich viele Teilnehmerinnen: Na, wenn es Carmen geschafft hat, die ja auch nicht aus der Börsensphäre kommt, schaffe ich es auch! Ich mache den Frauen in meinen Kursen Mut. Und glauben Sie mir, Frauen sind unheimlich gut im Investieren. Sie müssen sich einfach endlich an die Börse wagen und so ihre Situation verändern.
Haben Sie schon mal von einer Ihrer Kursteilnehmerinnen gehört, dass sie es ebenfalls auf eine Million Vermögen geschafft hat?
Beim Launch des Buches «Mami goes Millionär» – den Podcast und die Kurse mache ich ja schon länger – lagen mir bei der Lesung viele Frauen in den Armen und sagten: Carmen, dank dir bin ich mittlerweile finanziell frei! Dank dir muss ich nicht mehr arbeiten! Es ist nicht immer die Million, die jede anstrebt. Frauen möchten oft einfach weniger arbeiten und mehr Zeit für ihre Kinder haben.
Was heisst denn «finanziell frei» für Sie?
Finanziell frei zu sein, heisst für mich, bei gleichbleibendem Lebensstil nicht mehr arbeiten zu müssen. Wenn ich beispielsweise 3000 Euro pro Monat brauche und diese mit Investment einhole. Nicht jede Frau ist glücklich in ihrem Job.
Sie selbst haben immerhin beim renommierten Pharmariesen Roche gearbeitet. Ist das kein guter Arbeitgeber?
Ich mochte den Job! Aber nachdem das erste Kind geboren war, bin ich in Teilzeit wieder zurückgekehrt. Die grossen Projekte schaffte ich mit Kind nicht mehr, und die kleinen Projekte langweilten mich. Die berufliche Situation war also weder Fisch noch Vogel. Dafür hatte ich nicht promoviert. Es hat mich frustriert, nur noch Excel-Tabellen auszufüllen.
Es braucht Ellbogen, um aufzusteigen.
Die Ellbogen ausfahren wollte ich nie. Ich wollte freundlich bleiben. Zwar hätte ich in der Firma zwei Positionen höher steigen können – aber auch dann hätte es für ein Haus nicht gereicht. Ich brauchte grössere Nummern, um aus dem Hamsterrad aussteigen zu können.
Da suchten Sie nach Alternativen?
Reich kann man mit Unternehmertum, mit Immobilien oder Aktien werden. In Aktien zu investieren ist zunächst der einfachste Weg, sich Vermögen aufzubauen.
Geld und Reichtum scheinen Ihnen viel zu bedeuten, diese Ambition hat nicht jede verinnerlicht . Woher kommt dieser Antrieb bei Ihnen? Ist es Küchenpsychologie, wenn ich vermute, dass in Ihrer Kindheit Mangel herrschte?
Meine polnischen Grosseltern waren sehr vermögend, meine Eltern aber kamen mit nur zwei Koffern aus Polen nach Deutschland. Ich wuchs nicht arm auf, aber eben auch nicht reich. Ich sah in beide Welten hinein: Jene meiner Grosseltern und jene meiner Eltern. Es hat mich auch einfach frustriert, stets die billige Hose kaufen zu müssen anstatt die, die mir gefällt.
Dann wurden Sie selbst Unternehmerin ...
... weil ich sah, was man auch als Frau mit Investitionen und Unternehmertum erreichen kann. Das hat mich das unglaublich begeistert. Ich entwickelte einen Ehrgeiz, gut darin zu sein. Ich bin schon etwas getrieben, hatte immer hohe Ziele. Ich will etwas erreichen und nicht auf dieser Welt gewesen sein, um mir nachsagen zu lassen: Ist ja auch egal, ob sie da war oder nicht.
Sie haben zwei Kinder, vier und sieben Jahre alt. Wann kommen Sie überhaupt dazu, an der Börse zu handeln?
Der Handel an der Börse ist nicht zeitaufwendig! Ich handle nur an der amerikanischen Börse, und wenn diese offen ist, schlafen meine Kinder schon. Da reicht es, wenn ich abends von 21 bis 22 Uhr reingucke, manchmal auch nur einmal in der Woche. Allerdings war die Aufbauarbeit – eine Strategie zu finden und zu entwickeln – schon aufwendig: Wie handle ich? Wonach kaufe und verkaufe ich? Dafür habe ich viele Nächte am Bildschirm gesessen. Mittlerweile ist es ein Selbstläufer.
Spuren Sie bei Ihren beiden Mädchen bezüglich Finanzkompetenz bereits vor?
Die Leni, die Sie eben in unserem Videocall gesehen haben, geht in die erste Klasse. Sie hat eine starke Affinität zu Geld. Wir haben drei Hühner im Garten, und Leni meinte kürzlich: Mama, ich verkaufe die Eier. Dann kann ich mir damit noch ein Huhn kaufen. Dann habe ich noch mehr Eier, die ich verkaufen kann. Sie verkauft auch selbst gemachtes Apfelmus vor der Haustüre. Ich finde das cool und versuche, es zu fördern. Mit der aufkommenden KI müssen die Kinder in Zukunft wahrscheinlich sowieso nicht mehr so viel auswendig lernen wie wir. Es braucht vielmehr Fleiss, grosse Ziele, Lernwillen und Freude an der Sache.
Zurück zum Handel an der Börse: Birgt das nicht ein gewisses Suchtpotenzial? Ähnlich dem Spieleinsatz im Casino?
Ja, es gibt Leute, die Tag und Nacht handeln. Es spielt aber eine Rolle, was man handelt. Vornehmlich Männer handeln an der Forex-Börse, wo Währungen gegeneinander gehandelt werden. Diese sind immer offen, rund um die Uhr. Ich handle nur an der amerikanischen Börse. Diese öffnet unter Berücksichtigung der Zeitverschiebung bei uns um 15.30 Uhr und schliesst um 22 Uhr, und dies nur von Montag bis Freitag. Das hilft. Und ich war und bin zum Glück nicht suchtgefährdet.
Branchen wie Tabak, Waffen oder Öl liefern die höchsten Renditen. Was bedeutet Ihnen bezüglich Investitionen die Ethik?
Ich investiere bewusst nicht in die Rüstungsindustrie, obwohl diese im Moment wie verrückt läuft. Aber ich verurteile das auch nicht. Ich handle zum Beispiel Amazon-Aktien – das finden einige auch unethisch. Aber Amazon bringt mir ständig Pakete nach Hause, ich bin also Konsumentin. Dann kann ich auch Investorin sein. Das soll aber jede für sich selbst entscheiden.
Nennen Sie uns doch bitte noch zwei, drei börsennotierte Schweizer Unternehmen, von denen Sie Aktien erwerben würden. Beispielsweise von Ihrem ehemaligen Arbeitgeber Roche?
Diese läuft lahm und entspricht nicht meinen Kriterien, genauso wenig wie Nestlé und Novartis. UBS und ABB sind im Moment spannende Schweizer Unternehmen. Aber europäische Firmen sind nicht mehr wirklich auf Gewinne gepolt. Sie machen grosse Wasserköpfe, es arbeiten viele Leute in den Unternehmen, mit vielen Regularien. Die Gewinne schrumpfen. Die amerikanischen Börsen fahren hohe Gewinne ein – das ist für uns Aktionärinnen wichtig.
In Kryptowährung zu investieren, lohnt sich jetzt wahrscheinlich nicht mehr.
Falsch! Es lohnt sich immer noch, einzusteigen. Was die grossen Coins angeht, sind wir immer noch in einer frühen Phase.
Gerne noch zwei Tipps von Ihnen: Soll ich als Anfängerin lieber in Unternehmen investieren oder in Exchange Traded Funds (ETF), in börsengehandelte Indexfonds, wie es überall empfohlen wird?
Es gibt Unternehmen, die sich nicht erholen und ETFs, die sich nicht erholen. Nasdaq ist als ETF aber gut, weil viele Tech-Unternehmen dabei sind. Aber: Ich möchte den Menschen auch mitgeben, dass sie mit offenen Augen investieren. Die Börse kann jederzeit crashen und man sollte immer über einen Exit nachdenken. Gerade jetzt in etwas unsicheren Zeiten. Wir sollten nicht im Blindflug fliegen. Man muss sich nach unten absichern.
Die erste Million zu erreichen, sei die Schwierigste, heisst es im Volksmund. Steuern Sie schon auf die zweite Million zu?
Mittlerweile habe ich schon ein paar mehr. Aber ja, die erste Million ist die schwierigste. Um von 100 000 Euro auf eine Million zu kommen, braucht es 900 Prozent, um von 1 Million auf 2 Millionen zu gelangen «nur » noch 100 Prozent. Aber nur weil der Weg weit ist, heisst es nicht, dass es sich nicht lohnt. Man muss sich trauen, gross zu denken und neue Wege zu gehen.
Carmen Mayer, 39, ist promovierte Biochemikerin und lebt mit ihrem Mann und zwei Töchtern in München. Während der Schwangerschaft und Elternzeit entschied sie 2017, sich Fachwissen rund um das Investieren in Aktien anzueignen. 2022 strich sie ihre erste Million ein. Heute ist Carmen Mayer Unternehmerin und Coach für Börsenhandel. Ihr Buch «Mami goes Millionär» kam 2024 heraus, den gleichnamigen Podcast findet man auf allen gängigen Podcast-Plattformen.
«Mami goes Millionär», Campus Verlag, ab Fr. 29.–.