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Endlich wieder gepflegte Weihnachtsstreitereien
zvg
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Dass ich die Vorweihnachtszeit für ziemlich überfrachtet halte, habe ich vor ein paar Wochen an dieser Stelle ja schon gestanden. Zur Erinnerung die Kurzform: Ich bin kein Freund von zwangsverpflichtendem Shopping und Konsum. Grundsätzlich fällt es mir schwer, mich für irgendeine Form von Zwang zu begeistern. Deshalb ist mir auch die zwingende Idee von Weihnachten als Fest der Harmonie und der Liebe suspekt. Und damit auch all die Texte, die jedes Jahr vor dem 24. aus den Archiven der Zeitungen und Magazine gekramt werden und die dabei helfen sollen, ein möglichst friedliches Miteinander zu realisieren.
«Alle helfen mit!»
«Freiräume lassen!»
«Höflich bleiben!»
Spricht im Prinzip nichts dagegen. Weihnachten ist nur einmal im Jahr, manche Familienmitglieder und/oder Freunde sieht man nur zu dieser Gelegenheit. Alles soll besinnlich und auf den Punkt sein: Essen, Baum, Geschenke, Stimmung. Dafür werden zur Not auch Kompromisse eingegangen, auf die man sich gewöhnlich nicht einlassen würde. Ob die Kinder nun vor dem Essen beten sollen, irgendjemand rassistische Kommentare macht, die man lächelnd abzunicken hat, oder die Eltern nicht wissen, was sie mit den 30 Tonnen Süssigkeiten machen sollen, die sie unbedingt als Geschenk vermeiden wollten – der Ratschlag lautet immer gleich:
«Reizthemen vermeiden, nicht auf Diskussionen einlassen!»
Ist es das wirklich wert? Dass sich alle tagelang auf die Zunge beissen und diesen Eiertanz aufführen? Zumal man gerade 2016 auch mal fragen kann, was denn bitteschön kein Reizthema mehr ist. Es gibt jedenfalls auch andere Meinungen. Manchen rate man eher dazu, eine Streitkultur zu entwickeln, die Dinge auszutragen.
Gegen eine Kultur, «in der sich der Anspruch der Menschen auf Wohlbefinden und Harmonie bereits so weit entwickelt hat, dass die wenigsten Menschen einen Konflikt ertragen können oder wollen». Denn Emotionen verschwinden nicht, wenn man sie herunterschluckt. Und das Konfliktpotential war doch zumeist schon vor dem Fest da. Weihnachten ist oft nur der Anlass nachzuschauen, wie tief die trennenden Gräben im Laufe der Zeit gezogen wurden. Wenn wir in der Lage wären, uns häufiger anlassbezogen bewusst zu streiten, dann würden andere Situationen womöglich nicht durch all die aufgestauten Gefühle so ausser Kontrolle geraten.
In diesem Sinne wünsche ich produktive Weihnachtsstreitereien. Ich bin ja mal gespannt, wie meine werden.
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Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.