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Weihnachten wird grauenhaft! Schon wieder.
zvg
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Ich hasse die Weihnachtszeit! Nein, nicht den Familienbesuch, die frühe Dunkelheit oder die dicken Mäntel. Das mag ich wirklich gerne. Genau wie mit den Kindern backen, Schlittschuhlaufen, Kamin anzünden und Geschichten vorlesen. Oder Pfefferminztee. Aber was ich wirklich hasse ist dieses zwangsverpflichtende Shopping. Vielleicht liegt es an meiner ostdeutschen Herkunft. In der ehemaligen DDR habe ich in einem ziemlich bekannten Knabenchor gesungen und wurde dafür als Kind tatsächlich einmal jährlich, direkt vor Weihnachten bezahlt. Mit dem absurden Ergebnis, dass ich zu dem Zeitpunkt über mehr Geld als meine Eltern verfügte. Davon habe ich mir dann das Fahrrad gekauft, das ich unbedingt haben wollte, und ein bisschen Schnickschnack obendrauf – und hatte immer noch mehr als die Hälfte. Es gab einfach nichts mehr, was ich hätte kaufen können oder wollen.
Vielleicht liegt es auch daran, dass ich mich für den Konsumkapitalismus nicht so richtig erwärmen kann.
Ich mag gebrauchte Sachen, ich kaufe nicht gerne neue. Ich repariere gerne die Dinge, mit denen ich lebe, und schaue der Chefin von dem Ganzen dabei zu, wie sie Möbel restauriert. Wenn meine Kinder etwas wollen oder brauchen, gehen wir auf Flohmärkte und kaufen oder tauschen es. Das heisst, dass wir nicht wirklich auf ein bestimmtes Datum zusteuern, an dem dann all die grossen und kleinen Wünsche des Nachwuchses erfüllt werden. Ein Fahrrad gibt es dann, wenn eines benötigt wird. Ungefähr 330 Tage im Jahr geht das auch ganz gut.
Aber in der Weihnachtszeit muss dann konsumiert oder Konsum zumindest vorgetäuscht werden. Weil es sich so eingespielt hat, weil es irgendwie dazu gehört. Freunde und Verwandte sind nicht so begeistert davon, den Kindern gebrauchte Geschenke zu kaufen. Die wollen, dass was «Anständiges unter dem Weihnachtsbaum liegt». Ständig flattern Kataloge in den Briefkasten, Schulfreunde fragen, ob man nicht mit ihnen shoppen gehen will. Weihnachten macht uns zu Konsummaschinen. Und ich bin beileibe nicht der erste, der das kritisiert. Weihnachtszeit ist auch schon mal «Orgie der Wertvernichtung» genannt worden und Kirchen kritisieren die Umdeutung dieses religiösen Festes schon seit langem. So weit würde ich gar nicht gehen. Trotzdem nervt es. Und ich sehe mich wieder mal dazu genötigt, meinen Kindern zumindest ein bisschen die Konsumlaune zu verderben, damit ich nicht völlig durchdrehe. Mal sehen, wie es wird.
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Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.