Elternkolumne
«Mein Körper fällt auseinander»
Von Lilla Lukacs
Echt jetzt?! Die Journalistin Lilla Lukacs hadert als junge Mama mit ihrem Aussehen und hat eine Rektusdiastase. Wieso nur redet niemand darüber, dass ein guter Drittel der Frauen schon nach der ersten Geburt unter einer Diastase leidet?
Mein Körper hat sich nach der Geburt drastisch verändert. Nein, nach drei Tagen hatte ich nicht wieder einen flachen Bauch. Instagram ist fake. Als ich mit meinem riesigen kugelrunden Bauch schwanger war, habe ich die Frauen auf Instagram bewundert, die ein paar Tage nach der Geburt wunderschön erholt, perfekt geschminkt und in High Heels Selfies von sich schiessen. Die haben irgendwie alles im Griff. Dachte ich.
Natürlich habe ich gehofft, dass mein Walfischbauch keine Spuren hinterlassen würde. Fehlanzeige. Ich litt stattdessen an einer üblen Rektusdiastase. Das ist ein Spalt in der Mitte des Bauchs. Mein Arzt meinte, das komme von der enormen Dehnung, die so ein grosser Bauch mit sich bringt. Die Muskeln bräuchten noch eine Weile, bis sie (falls je) wieder zusammenwachsen.
Das postet natürlich niemand auf Instagram. Ich wusste nicht einmal, dass es so etwas gibt. Wieso redet man nicht darüber, dass 37 Prozent der Frauen nach der ersten Geburt an einer Diastase leiden und 67 Prozent nach der zweiten? Und dass es viel Zeit braucht, bis diese zusammenwächst? Laut einer norwegischen Studie weist jede dritte Frau noch ein Jahr nach der Schwangerschaft einen solchen Bauchspalt auf.
Bei gewissen Bewegungen hat es sich angefühlt, als würde ich gleich auseinanderfallen. Die Balance war weg, die Muskeln in meiner Körpermitte hatten überhaupt keine Spannung mehr. Man sollte öfter Übungen machen, damit sich die Muskeln zusammenschieben. Doch wer hat vier Mal die Woche Zeit dafür, neben Babybrei, Windeln und Co?
Nach der Geburt fiel mir zudem fast die Hälfte der Haare aus. An jenen, die noch da waren, hat sich meine kleine Tochter gern wie ein Schimpansen-Baby festgehalten. Egal, man wird praktisch.
Früher habe ich Mütter mit Abscheu beobachtet, die nur noch Funktionskleider anhatten, ihre Haare plötzlich kurz trugen (wie kleine Buben) und die Beine nicht mehr rasierten. Doch Outdoor- Kleider sind halt einfach praktisch mit Kleinkindern. Also los, dachte ich, ich kaufe mir eine Jacke oder einen Fleecepullover von Goretex oder Jack Wolfskin. Den Rasierer lasse ich verrosten. Atmungsaktiv, breit geschnitten, unauffällig – man bewegt sich ja im Dschungel oder auf einem Trekking-Trip, nicht in der Grossstadt oder auf einem ungefährlichen Kinderspielplatz …
Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie man sich so gehen lassen kann. Doch es ging schneller, als ich denken konnte. Ich schlief kaum noch, hat keine Zeit, mich gesund zu ernähren und auch nicht zu überlegen, was ich anziehe. Ohne es zu merken, kam ich an den Punkt, wo es mir komplett egal war, wie ich aussehe.
Ich lief ungeschminkt und mit einem Nest auf dem Kopf in der Gegend umher. Das war natürlich auch für die Beziehung nicht vorteilhaft. Zwischendurch aber holte ich die Yoga-Matte hervor, statt zum 1000sten Mal das Kinderzimmer aufzuräumen, Wäsche zu waschen oder Brei zu kochen. Ich wollte mich einfach wieder wohlfühlen in meinem Körper.
Das fiel auch meinem Partner auf – woraufhin er mir ein paar Eintritte in einem dieser hipsten Fitnesscenter schenkte, wo man gratis Wasserflaschen und Kaffee bekommt und sich extra Kleider fürs Training kaufen kann. Es war ein peinlicher Moment, als ich mit ungewaschenen Haaren und Mama-Hosen die Yoga-Stunde aufsuchte.
Scheinwerfer-Schlampen! dachte ich, als ich die anderen Frauen sah. Seit wann geht man mit dem Bikini-Oberteil ins Fitness-Studio? Selbst die Männer können fast den Spagat und beherrschen die Yoga-Posen besser als ich. Mit meiner Rektusdiastase schaffe ich nicht mal die Kuh-Position im Vierfüsslerstand. Das tue ich mir nicht noch einmal an. Lieber übe ich die Beckenboden-Übungen zu Hause. Und eines Tages, das schwöre ich, mache ich einen Instagram-Post, als hätte ich alles im Griff.