Partnerschaft in der Krise
Einmal Service für die Liebe, bitte!
Wenn es in der Partnerschaft knirscht, kommt der Gedanke an eine Paartherapie. Nur – was genau erwartet einen da eigentlich?
Der Streit wird häufiger, der Sex seltener und wann war eigentlich das letzte gute Gespräch? Irgendwas ruckelt in der Beziehung. Alles Herumdoktern, Reden, Weinen und Ablenken ist bislang ins Leere gelaufen. Was jetzt? Hilfe holen. Geschätzte 10 Prozent der Schweizer Pärchen machen irgendwann einmal eine Paartherapie, um die Liebe zu beleben. Vielleicht wären es mehr, gäbe es im Vorfeld nicht ein ziemliches Dickicht an Unsicherheit. Die häufigsten Fragen und Antworten.
Berater, Coach, Therapeut: Worauf muss ich bei der Berufsbezeichnung achten?
«Paar-Therapeut», «Beziehungscoach», «Sexual- und Eheberater» sind Berufsbezeichnungen, die nicht geschützt sind. Jeder – auch wenn er vielleicht nur ein Wochenendkürslein besucht hat – darf sich so nennen. Entsprechend üppig gedeiht der Wildwuchs. Dennoch gibt es darunter natürlich sehr kluge und hilfreiche Leute mit zum Teil grosser Erfahrung. Beispielsweise machen viele Sozialarbeiter eine Zusatzausbildung zum Therapeuten. Es lohnt sich also, beim Erstkontakt detailliert nach Ausbildung, Qualifikation und Werdegang zu fragen.
Anders sieht es aus, wenn die Hilfestellung von einem «Psychotherapeuten» beziehungsweise einer «Psychotherapeutin» angeboten wird. Um sich so nennen zu dürfen, muss ein Studienabschluss in Psychologie oder Medizin vorliegen. Ausserdem eine therapeutische Zusatzausbildung sowie klinische Erfahrung. Auch ein «Psychiater» hat studiert: Medizin. In beiden Fällen ist also davon auszugehen, dass auch tiefer gehende Probleme wie Sucht, Depressionen oder Erfahrungen mit Gewalt aufgefangen werden können.
Wie finde ich einen Therapeuten, der zu uns passt?
Mundpropaganda ist ein gutes Recherchemittel: die Freundin fragen, die nette Arbeitskollegin ... Hilfreich sind auch die Internetseiten der Berufsverbände. Etwa www.psychologie.ch. Dort kann man die Suche nach Problemstellung und Region einschränken. Auch kirchliche (www.eheundfamilie.ch, [www.evangelische-beratung.info](http://www.diakonie.de/index.html 2www.evangelische-beratung.info"), www.kathbern.ch...) und städtische (www.leb-zug.ch; www.zefzh.ch; www.fabe.ch...) Beratungsstellen sind seriös, und ein moralischer Zeigefinger muss auch bei den kirchlichen nicht befürchtet werden.
Und jetzt? ...
... zählt das Bauchgefühl. Wie sympathisch ist der Berater/die Beraterin am Telefon. Wie offen reagiert er/sie auf Fragen? Ist einem die Stimme angenehm? Ist es möglich, sich erst nach einer Art «Probestunde» zu entscheiden? Wie hat sich diese Sitzung angefühlt? Hatten beide das Gefühl: Jawohl, da versteht jemand unser Problem? Haben beide das Gespräch als unparteiisch wahrgenommen? Der Therapieerfolg ist ganz entscheidend davon abhängig, ob die Chemie stimmt.
Welche Probleme sind überhaupt behandlungsbedürftig?
Alle, die sich problematisch anfühlen. Die häufigsten sind:
- Entfremdung. Zwischen Job, Kindern und Haushalt hat man sich irgendwann verloren.
- Dauer-Streit.
- Die Endlosschlaufe von Zank, Frust und Unwillen, überhaupt daheim zu sein, macht so müde.
- Sex. Der eine will, der andere nicht. Beide wollen, aber nicht so. Lustlosigkeit, fremdgehen.
- Nähe und Distanz. Wie eng hätten wirs denn gern?
- Die Kinder leiden. Vielleicht will man sich trennen, aber mit möglichst geringen Kollateralschäden.
Was verbirgt sich hinter den psychologischen Ansätzen, mit denen einzelne Anbieter werben?
- Tiefenpsychologisch, psychoanalytische Ausrichtung: Ein Ansatz, der eigentlich auf eine einzelne Person zugeschnitten ist. Deren individuelles Problem – beziehungsweise die jeweils speziellen Schwierigkeiten der beiden Parteien – steht im Mittelpunkt, dazu ist es zuweilen notwendig, Verhaltens- und Gefühlsmuster aus der Vergangenheit desjenigen anzuschauen.
- Systemische Ausrichtung: Paartherapie hat meist hier ihren Schwerpunkt. Grundlage ist die Frage: Was geschieht zwischen den beiden Menschen? Was läuft da schief? Wie bedingen die beiden sich gegenseitig? Beispiel: Sie klammert, er fühlt sich bedrängt und entzieht sich; sie klammert mehr, er entzieht sich noch mehr ... Ziel des Ansatzes: Eingefahrene Muster und Wahrnehmungen sollen aufgebrochen und positiv verändert werden.
- Verhaltenstherapeutische Ausrichtung: Ursprünglich ist auch diese Variante primär auf das einzelne Individuum zugeschnitten, wurde aber für Paare weiterentwickelt. Zentrale Frage: Wie lässt sich ein als belastend empfundenes Verhalten beseitigen? Etwa übersteigerte Angst vor dem Alleinsein. Sauberkeitsfimmel. Kontrollzwang. Zudem sollen, sehr pragmatisch, besser funktionierende Kommunikationsweisen erlernt werden.
Üblicherweise sind geschulte Therapeuten zwar mehr oder weniger einer Schule behaftet, wählen jedoch je nach Situation und Problem mal eher das eine, mal das andere Verfahren oder sie mischen. Die «reine Lehre» gibt es nur selten.
Was, wenn nur das Liebesleben ein wenig fad geworden ist, der Rest aber völlig okay läuft?
Je nach Leidensdruck. Oft braucht es gar keine Therapie, sondern ein Urlaub zu zweit, ein Workshop oder ein Wochenendseminar reicht völlig. Die Homepage des Instituts für Sexualpädagogik und Sexualtherapie Uster www.sexualpaedagogik.ch oder des «Integration Body an Mind»-Institutes in Winterthur www.ibp-institut.ch helfen mit einer Link- und Literaturliste weiter.
Wers mag: Tantrisches findet sich etwa bei Diana Richardson www.loveforcouples.com, und Frauenspirituelles bei Maggie Tappert www.maggietappert.com. Billig sind die Nachhilfestunden nicht.
Wie teuer ist eine Paartherapie?
Unterschiedlich. Kirchliche und städtische Anbieter sind sehr günstig, manchmal sogar kostenlos, oder richten sich nach dem Einkommen. Der Richtpreis der Berufsverbände für eine Beratungsstunde eines selbstständigen Therapeuten liegt bei etwa 200 Franken. Manche bieten aber auch einkommensabhängige Bezahlung an. Auf der jeweiligen Homepage nachlesen und vorab klären!
Übernimmt die Krankenkasse teile der Kosten?
In der Regel nicht. Es sei denn, im Rahmen einer Psychotherapie, die einzeln wie eine Krankheit abgerechnet wird, scheint es wichtig, den Partner beizuziehen.
Wie lange dauert das?
Das hängt von den Schwierigkeiten ab. Manche Paare brauchen bloss einen kleinen Denkanstoss oder einen Tipp, wie sie ihr Leben anders und besser organisieren könnten; andere dagegen müssen alte und tiefe Verletzungen bearbeiten. Es können also, je nach Problem, zwischen 5 und 30 Sitzungen sein. Nach
5 Sitzungen sollte sich aber eine erste Veränderung in der Beziehung feststellen lassen. Falls nein, müssen ein paar Fragen geklärt werden: Sind wir eigentlich wirklich motiviert? Passt der Therapeut zu uns?
Wie oft pro Woche müssen wir da hingehen?
Das variiert. Am Anfang und bei akuten Problemen einmal pro Woche. Die Abstände fallen aber für gewöhnlich deutlich grösser aus. Therapeuten geben nämlich häufig «Hausaufgaben» und «Übungen». Die brauchen Zeit zum Wirken.
Was können wir erwarten?
Keine Wunder. Studien sagen, dass Paare rund sechs Jahre, nachdem sich ein Problem manifestiert hat, Hilfe suchen. Für viele kommt sie damit zu spät. Laut Statistik trennen sich 50 Prozent der Paare, die sich professionelle Unterstützung holen. Die niedrig aussehende Erfolgsquote liegt mit darin begründet, dass längst nicht immer beide Partner ernsthaft an der Rettung der Partnerschaft interessiert sind. Manchmal kann jedoch auch eine Trennung als Ergebnis der Therapie als Erfolg gewertet werden: Etwa wenn sie einem der beiden Mut zu einem Neuanfang macht, statt in einer chronisch unglücklichen Beziehung zu verharren. Oder wenn eine überfällige Trennung durch die fachliche Begleitung zivilisierter, fairer und mit weniger Groll abläuft. Oder vielleicht tut auch nur das Gefühl gut: Wir haben zumindest alles versucht.
Gibt es eine andere Möglichkeit, falls der Partner beharrlich eine Paartherapie verweigert?
In über 80 Prozent der Fälle sind es Frauen, die eine Therapie initiieren. Sie leiden meist mehr, geben der Beziehung ein stärkeres Gewicht und sind eher gewohnt, über Gefühle und persönliche Schwierigkeiten zu reden. Die hohe Dichte an esoterisch gefärbten Angeboten fördert nicht gerade die Bereitschaft von Männern, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Ein möglicher Ausweg: online coaching. Sehr gut geeignet, wenn man nur mal ein paar Fragen hat, sich generell lieber anonym äussert, vom Partner schnell tot geschwatzt wird oder sich generell besser schriftlich als mündlich äussern kann. Die Angebote sind zwar oft preiswerter, fördern allerdings langfristig nicht das Gespräch der beiden Parteien untereinander. «online-coaching Beziehungsprobleme» googeln. Angebote meist in Deutschland.