Partnerschaft / Geld
«Ein Budget zu machen gibt Freiheit»
Von der «wir eltern»-Redaktion
Klare Worte über Geld – oder fehlendes Geld: Ein Gespräch mit den Schuldenberaterinnen Esther Lustenberger und Nadia Toma Signer von der Firma Triangel in Zug.
wir eltern: Frau Lustenberger und Frau Toma, Journalisten habenbekanntlich eine Schwäche für die
Formulierung «immer mehr». Haben «immer mehr» Menschen Schwierigkeiten mit dem vernünftigen Umgang mit Geld?
Esther Lustenberger: Das kann ich nicht sagen. Aber die Anzahl unserer Beratungen hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Auf Pump zu kaufen ist einfacher geworden. Onlinebestellungen, Kundenkarten, Abzahlungsverträge machen es einfach, ständig zu konsumieren.
Wird das Thema Geld besonders zum Problem, wenn aus zweien Familie wird?
Nadia Toma Signer: Möglicherweise. Jedenfalls hat die Hälfte unserer Klienten Familie.
Woran liegt das? Daran, dass Kinder teuer sind?
Toma: Kinder kosten und haben so Einfluss aufs Budget. Deshalb ist es wichtig, dass Paare offen und sachlich über Finanzielles reden. Und – möglichst bevor sie Familie werden – Themen besprechen wie: - Kämen wir mit dem Geld aus, wenn wir nicht mehr zwei volle Gehälter hätten? - Wie wollen wir die Kinderbetreuung organisieren? Was kostet eine Krippe? - Was für Ausgaben kommen durch Versicherungen auf uns zu? - Welche Folgen hat es auf lange Sicht, wenn einer von beiden den Job reduziert? - Können wir uns die grössere Wohnung auch mit niedrigerem Arbeitspensum aber gestiegenen Kosten leisten?
Lustenberger: Leider wird ein detailliertes Budget von Pärchen und jungen Familien selten gemacht. Viele wissen gar nicht, wie viel sie für Lebensmittel ausgeben, was die Hausratsversicherung kostet, die Zigaretten, das Handy… Eine junge Familie, bei der es finanziell eng ist, können unerwartete Kosten aus der Bahn werfen. Vor allem, wenn noch der Zusatzaufwand fürs Kind oder Jobverlust dazukommt.
Warum tun sich Paare oft schwer, ohne Streit über ihre gemeinsamen Finanzen zu reden?
Lustenberger: Ich denke, dass vielfach eine Einstellung vorherrscht, die heisst «Geld hat man», aber man spricht nicht drüber. Aber es haben eben nicht alle. Manchmal spielen Paare sich zu Beginn des Kennenlernens etwas vor, über welche finanziellen Mittel sie angeblich verfügen.
Toma: Er lädt sie vielleicht zu Wochenendtrips ein, oder schenkt ihr etwas. Sie hinterfragt das nicht und lässt sich das gern gefallen ohne wissen zu wollen, woher eigentlich das Geld kommt.
Beim Date kann man schlecht direkt nach dem Kontostand fragen.
Lustenberger: Direkt nicht. Aber sobald es ernst wird, sollte man das unbedingt tun. Warum auch nicht? Wenn man Intimes teilt, dann sollte man auch den finanziellen Rahmen abchecken. Möglichst früh.
Toma: Wenn der neue Partner einen nötigt, einen Kredit aufzunehmen, es Gedruckse beim Thema Einkünfte gibt und wenn bei Geldsachen oft der Satz «Ach, das kommt schon gut» fällt, dann ist Vorsicht geboten.
Wissenschaftler sagen, es finden sich besonders gerne «Geizhals» und «Verschwender» zusammen. Das ergäbe dann ein Ganzes.
Toma: Das kann ich so nicht bestätigen. Wir beobachten eher, dass beide Partner nur zu bereit sind, nicht genau hinzuschauen.
Hilft es, aus verschiedenen Töpfen zu wirtschaften?
Toma: Das ist von Paar zu Paar unterschiedlich. Jeder, wie er mag. Aber man sollte gemeinsame Kosten auflisten: Steuern Miete, Krankenversicherung, Strom, Bilag … Der Rest kann ja nach Wunsch verteilt werden.
Erinnert mich an einen Bekannten, der seine Frau zur doppelten Buchrechnung genötigt hat. Sie musste alle Kassenbons sammeln und jede Kugel Eis verrechnen …
Lustenberger: Das finde ich übertrieben. Trotzdem: Ein Budget zu machen gibt Freiheit. Wenn der Partner weiss, «diesen Betrag hier kann ich nach Belieben ausgeben und die wichtigen Kosten sind dennoch gedeckt», das erleichtert.
Toma: Wenn man aber drastisch sparen muss, dann werden die meisten Menschen sehr emotional. Männer etwa wenn das Auto zur Debatte steht und bei Frauen fliessen die Tränen, wenn bei den Kindern gespart werden muss. Bei Klassenlager, Kino oder Zoobesuch …Lustenberger: Die Diskussionen um Geld sind oft Wertediskussionen: Was ist uns wichtig? Muss es ein besonders schickes Restaurant sein oder wird es genauso schön, wenn wir Freunde zum Spaghettiessen einladen?
Toma: Stark voneinander abweichende Wertesysteme machen eine Beziehung kompliziert.
Lustenberger: Man muss den richtigen Umgang mit Geld möglichst früh einüben. Kinder sollten Taschengeld bekommen, das sie frei einteilen können. Später einen Jugendlohn, mit dem sie Erfahrungen sammeln können.
Toma: Ich fände auch ein Schulfach «Geld» sinnvoll. Finanzen, Steuererklärungen – das wäre wichtig!
Zum Schluss: Haben Sie Geld-Tipps für Familien, um Zank zu minimieren?
Lustenberger: Wichtige Tipps sind: - Monatsbudget erstellen. Dabei die jährlichen Kosten auf den Monat umrechnen. - Verschiedene Konten einrichten. Eines für die monatlichen Kosten, eines für Rückstellungen und kommende Rechnungen. Dabei auch Rücklagen für Ferien bilden. Diese können auch auf ein drittes Konto überwiesen werden. - Steuern nicht vergessen. - Von Beginn an Transparenz schaffen. Einkommen, Ausgaben, Schulden – alles auf den Tisch. - Offenlegen, was einem viel bedeutet, wofür man das Geld ausgeben möchte. - Vor einem Kauf nochmals darüber schlafen. Manchmal ist das Gewünschte am nächsten Tag gar nicht mehr so wichtig. - Sich bewusst machen, weshalb einem etwas viel bedeutet. - Kritische Selbstbeobachtung: Kaufe ich nebenher? Online, auf Pump? Sind mir Label wichtig? Weshalb? - Nicht mehr als einen Drittel des Einkommens für die Miete aufwenden. - Langfristig planen: Was zieht etwa die grössere Wohnung nach sich? - In der Diskussion mit dem Partner im Hinterkopf haben: Geld zu thematisieren, bedeutet nicht, geizig zu sein! - Wenn immer möglich zuerst sparen und dann kaufen. - Finanzielle Engpässe nicht mit einem Kredit überbrücken, besser eine Beratung aufsuchen. - Von Anfang an mit den Kindern über Geld reden. Über den Rahmen, über Grenzen und darüber, was wichtig ist im Leben.
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