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Ehe für alle heisst Ehe für mich
zvg
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Jetzt ist es also so weit. Endlich. Die Bundeskanzlerin Deutschlands hat in einem ihrer üblichen merkelschen Schwurbelsätze «irgendwie» den Fraktionszwang aufgehoben, und die SPD hat feststellen können, dass sich jenseits der Union durchaus Mehrheiten organisieren lassen. R2G nennt sich das, wird sehr beargwöhnt und scheint doch ziemlich handlungsfähig zu sein: Rechtsausschuss, Tagungsordnungsentscheidung, Abstimmung – all das war nach Jahren und Jahrzehnten stumpfsinnigen Aussitzens plötzlich binnen weniger Tage möglich. Da half es der CDU auch nicht, sich öffentlichkeitswirksam überrumpelt zu fühlen und die «Wir sollten zunächst ernsthafte Gespräche führen» Karte zu spielen. Nicht nur der hart nachhakende Reporter des Nachrichtenkanals Phönix mochte sich einen solchen Unfug einfach nicht länger anhören.
25 Jahre lang wurde das Thema intensiv gesellschaftlich debattiert und von entsprechenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts flankiert.
Irgendwann ist Schluss mit der Warterei. Ich habe Lust aufs Heiraten. Die Chefin von dem Ganzen und ich sind seit einer gefühlten Ewigkeit miteinander verlobt, wir haben 4 gemeinsame Kinder und können uns trotzdem und wohl auch gerade deshalb immer noch ziemlich gut leiden. Darüber hinaus sind wir seit über 20 Jahren ein Paar und müssen nun wirklich keinen Willen zur Ungebundenheit oder Bindungsängste mehr vortäuschen. Sie und ich – das ist der Plan. Die Ehe war also stets sehr naheliegend. Trotzdem wollten wir nicht. Unsere lesbischen und schwulen Freundinnen & Freunde durften nämlich nicht. Zuerst überhaupt nicht, dann nur auf KFZ-Zulassungsstellen und dann aber gefälligst bloss ohne Adoptionsrecht. Wegen der Kinder. Wer weiss, was bei so crazy Minderheiten alles passieren kann. Fand noch am Abstimmungstag ein anonymer Autor in der FAZ, der mal eben eine erhöhte Gefahr sexuellen Missbrauchs von Kindern durch homosexuelle Eltern ins Spiel brachte.
Meinungsfreiheit tut manchmal weh. #faz #EheFuerAlle @faz pic.twitter.com/bv9xDSetdN
— Ralf Wiegand (@rtwSZ) June 29, 2017
Widerlicher Scheissdreck eben. Und genau in so einen Scheissdreck wollten sich die Liebste und ich nicht mit reinziehen lassen. Nicht mit uns und nicht in unserem Namen. Auch sonst nicht. Denn selbst wenn man mit diesem Thema überhaupt keine persönlichen Berührungspunkte hätte, müsste man die Ehe für alle schon aus rein egoistischen Gründen befürworten. In einem Staat, der Menschen aus fadenscheinigen und (sagen wir es ruhig) niedrigen Beweggründen ihre Bürgerrechte vorenthält, läuft man immer Gefahr, der oder die nächste zu sein.
Hochzeit also. Oha: Termin finden, Feier planen, Freunde einladen, Kleid kaufen. Vielleicht ein langes, cremefarbenes mit Schleppe und Schleier. Und wer weiss: Womöglich zieht sich die Liebste auch was Schickes an.
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Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.