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Du willst Stress mit mir, Kind? Kannst du haben!
zvg
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Meine Grossen sind bald 12 und 10. Sie haben schon ein paar Jahre Streit mit den Eltern auf dem Buckel und eine ziemlich gute Vorstellung davon, wie Auseinandersetzungen mit mir und der Chefin von dem Ganzen dimensioniert sind. Was wir tun und was nicht, wozu wir überhaupt willens und in der Lage sind, wie die Tagesform unsere Streitperformance beeinflusst – all das haben sie mehr oder weniger abgespeichert und können es abrufen, ohne darüber nachzudenken. Wie viele andere Kinder testen sie die Grenzen ganz besonders mit Mama und Papa aus, weil sie sich mit uns am sichersten fühlen und mit der Gesamtsituation am vertrautesten sind. Die damit verknüpfte Widersprüchlichkeit ist nur schwer zu ertragen. Menschen, von denen meine Kinder niemals so viel Liebe und Unterstützung erfahren haben wie von mir, werden respektvoller behandelt als ich. Gerade deswegen. Gerade weil sie nicht so viel bedeuten, müssen sie sich nicht annähernd so viel Scheissdreck anhören wie ich. Bei anderen Menschen sind sich die verdammten Mistkäfer nicht so sicher. Bei mir wissen sie genau, woran sie sind.
Hinzu kommt, dass (nicht nur meine) Kinder ein untrügliches Gespür für elterlichen Stress und Lücken in der Erziehungsansprache haben. Sie wittern Schwäche. Kämpfe werden also immer dann gesucht, wenn der Job gerade superanstrengend ist, man seit Tagen kränkelt und sowieso mit dem Kopf ganz woanders ist. Wenn man sich überhaupt nicht streiten will und einfach nur möchte, dass der Familienalltag halbwegs funktioniert, und es endlich Abend wird, damit man zumindest die nöligen Kleinen ins Bett stecken und von der Hacke haben kann. Es ist ihr Recht, sich ihre Kämpfe gerade dann zu suchen.
Und es ist meine Pflicht, mich aufzuraffen und dem zu begegnen. Das schulde ich nicht nur ihnen, sondern vor allem mir selbst. In dem Moment, wo ich eigentlich bereit bin, jede noch so löchrige Version von konsequenter Erziehung über Bord zu schmeissen und allem zuzustimmen, Eskalation zulassen. Mit allen eklig-nervigen Folgen. Rumgebrülle, Beleidigungen mit Whatsappnachschlag und tagelange miese Laune. Sachen absagen, auf die man sich selbst sehr gefreut hat. Der Arsch sein stand eben mit in der Jobbeschreibung als Vater. Da führt kein Weg dran vorbei. Und wenn man versucht, sich nicht davor zu drücken, ist man es interessanterweise nicht so häufig, wie man es sein könnte. Öfter mal der Arsch sein hilft, nicht so oft zum Arsch gemacht zu werden.
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Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.