
Alexandra Gerrard
Monatsgespräch
«Die Mutter muss den Brei mögen»
Von Denise Erni
5 Kinder, 11 Enkelkinder – und alle sind sie mit Bio-Brei aufgewachsen. Mit jenem, den der Vater und Grossvater Claus Hipp vor über 50 Jahren erfunden hat. Hier erklärt er die Erfolgsgeschichte der biologischen Babynahrung gleich selber.
wir eltern: Im vergangenen Oktober feierten Sie Ihren 75. Geburtstag – und sind immer noch täglich in der Firma anzutreffen. Können Sie nicht kürzertreten?
Claus Hipp: Solange meine fünf Kinder der Meinung sind, ich kann helfen, mache ich das gerne. Sie alle arbeiten in der Firma. Und sagen mir dann schon, wann ich mich zurückziehen soll.
Sie haben bereits vor 50 Jahren auf Bio gesetzt. Damals war «grün» und «natürlich » noch nicht «en vogue». Haben Sie mit einem solchen Erfolg gerechnet?
Den Anfang machten bereits meine Eltern. Wir bekamen damals viel Missbilligung zu spüren, als wir uns Bio verschrieben haben. Mein Mentor war der Naturwissenschaftler und der Begründer der organisch-biologischen Landwirtschaft Dr. Hans Müller aus dem Emmental. Er hat mich vor Anfeindungen gewarnt und mir stets geraten, stark zu bleiben. Ich war immer überzeugt, dass wir mit Bio auf dem richtigen Weg sind.
Was war denn Ihre Motivation, auf Bio zu setzen?
Die Überzeugung, dass es der richtige Weg ist, um saubere Lebensmittel auf dem Tisch zu haben. Und um damit die Schöpfung zu erhalten.
Sie sind praktizierender Katholik – was bedeutet Ihnen der Glaube?
Täglich gibt es Entscheidungen zu fällen, die so oder anders getroffen werden können. Der Glaube ist für mich ein Geländer, an dem ich mich festhalten kann. Es gibt sicher viele Menschen, die ohne Geländer laufen, aber für mich ist es ein Halt. Mein Tag beginnt mit dem Aufschliessen der Wallfahrtskapelle in Herrenrast, bei Pfaffenhofen, wo ich kurz innehalte. Die Kapelle gehört der Kirche, meine Aufgabe ist es, mich um sie zu kümmern.
Kommt bei Ihnen persönlich nur Bio auf den Tisch?
Nein. Ich esse überall und bin froh und dankbar, dass ich etwas zu essen habe. Es muss nicht immer Bio sein, es gibt heutzutage gute, nichtbiologische Lebensmittel. Dennoch: Als Bio-Pionier sollteich doch einigermassen ökologisch bewusst leben.
Eigentlich Nikolaus Hipp, kam als zweites von sieben Kindern 1938 in München zur Welt. In seiner Kindheit verbrachte er viel Zeit in der Schweiz, der Heimat seiner Mutter. Nach Abschluss seines Jura-Studiums stieg Hipp 1964 in die Firma seines Vaters Georg Hipp ein. Nach dessen Tod 1968 übernahm er das Unternehmen, das sich auf biologische Babynahrung spezialisiert hat. Hipp ist verheiratet und hat fünf Kinder. Vor wenigen Wochen kam das elfte Enkelkind zur Welt. Seine fünf Kinder sind alle im Unternehmen tätig. Hipp hat Produktionsstätten in Deutschland, Kroatien, Österreich, Russland, Schweiz, Ukraine und Ungarn. Das Unternehmen, zu dem auch die Bio Familia Müesli gehört, beschäftigt insgesamt 2500 Mitarbeiter. Unter seinem Geburtsnamen Nikolaus Hipp ist der praktizierende Katholik seit 1970 auch sehr erfolgreich als freischaffender Künstler.
Das Unternehmen «Hipp» arbeitet mit über 6000 Bauernhöfen europaweit zusammen. Aus welchen Ländern stammen die Produkte für den Babybrei?
us Deutschland, Österreich und Frankreich, die Bananen beziehen wir aus Costa Rica. Produkte aus der Schweiz verwenden wir etwas weniger. Mit den Zollbestimmungen ist der Export nach Deutschland schwierig. Die meisten Schweizer Produkte verarbeiten wir für die Bio Familia Müesli, die in Sachseln in der Innerschweiz produziert werden.
«Hipp» ist in der Babynahrung erfolgreicher als Nestlé. Wie behaupten Sie sich als kleines Familienunternehmen gegen den Grosskonzern?
Die Kunden haben grosses Vertrauen in ein Unternehmen, in dem die Manager immer die gleichen sind. Bei einem Grosskonzern wird der Chef nach oben befördert und ist irgendwann weg. Das Konstante, wie es bei uns der Fall ist, ist sicher ein Vorteil.
Die erste feste Mahlzeit, die Babys in der Schweiz essen, ist Rüebli-Brei. Wie sieht es mit den Geschmäckern in anderen Ländern aus?
Die Ernährungsgewohnheiten sind unterschiedlich. In Deutschland, Österreich und der Schweiz stehen die Karotten zuoberst. Weil in Ungarn Kürbis ein sehr wichtiges Lebensmittel ist, essen die Babys dort als erste Mahlzeit Kürbis-Brei. In England wiederum ist Fisch-Brei sehr beliebt.
Probieren Sie die neusten Kreationen selber aus?
Wir kreieren laufend neue Produkte. In der Entwicklungsabteilung arbeitet eine meiner Töchter – somit bin ich immer über die Neuheiten informiert. Und ich probiere die Sachen auch selber. Jedes Jahr unterziehen wir 20 Prozent all unserer Produkte einer Neuerung. Das heisst, alle fünf Jahre ist das Sortiment neu.
Und was schmeckt Ihnen am besten?
Am liebsten mag ich den Aprikosen-Brei. Ein solches Glas habe ich stets im Auto, falls ich mal nicht zum Essen komme.
Gibt es einen Trend in Sachen Bio- Babynahrung?
Nein, einen Trend gibt es nicht. Aber obwohl es demografisch bedingt immer weniger Kinder gibt, spüren wir, dass das Interesse an Bio-Produkten weiter steigt. Denn immer mehr Erwachsene kaufen Babynahrung für sich selber. Junge Frauen, Jugendliche, ältere Menschen, Spitzensportler – sie alle greifen auf Babybrei zurück, weil der Körper damit weniger Kraft für die Verdauung braucht. Gerade Sportler können so ihre Leistung besser umsetzen.
Vor Jahren wagten Sie es, Knoblauch in ein Menü zu mischen. Das kam nicht gut an und das Produkt wurde vom Markt genommen. Gab es weitere solche Reinfälle?
Der Knoblauch kam bei den Müttern gar nicht gut an, weil die Windeln der Babys danach komisch rochen. Einmal haben wir – noch zu Zeiten meines Vaters – einen Salatbrei mit Bananen auf den Markt gebracht. Das wäre für die Babys eigentlich gesund gewesen, aber die Mütter mochten das Produkt nicht, und da haben wir es wieder aus dem Sortiment genommen. Die Mütter müssen das Produkt mögen, das ist ganz wichtig.
Sie sind halber Schweizer – Ihre Mutter Anna stammte aus Solothurn. Was ist typisch schweizerisch an Ihnen?
Eine gewisse Langsamkeit … und dass ich beim Reden vorher denke. Nicht wie viele Deutsche, die die Luft unten raus lassen, ohne sie übers Gehirn zu leiten. Zudem ist mir die typisch deutsche Angeberei fern.
Claus Hipp
Und was verbindet Sie heute mit der Schweiz?
Die Schweiz ist mein Mutterland. Meine Vorfahren kommen aus Solothurn und Balsthal. Meine Mutter besuchte als junge Frau ihren Onkel, der Schweizer Generalkonsul war, in München. Dort lernte sie meinen Vater Georg kennen. Ihre Schweizer Familie war lange gegen eine Heirat mit einem Deutschen. Deshalb besuchte meine Mutter den Wallfahrtsort Flüeli-Ranft bei Sachseln und bat den Einsiedler aus dem 15. Jahrhundert, Bruder Klaus, darum, meinen Vater heiraten zu dürfen. Sie versprach Nikolaus von der Flüe, sollte sie einmal einen Sohn gebären, diesen Klaus zu taufen. So kam ich zu meinem Namen.
Meine Verwurzelung in der Schweiz ist also gross. Alle drei bis vier Wochen bin ich für einige Tage in Sachseln. Ich bezahle sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz Steuern. Und ich stimme auch immer ab.
Eigentlich hätten Sie auch als Kunstmaler Karriere machen können. Ihre Bilder verkaufen sich zu hohen Preisen, Sie haben eine Professur für Kunst an der Universität in Georgien. Weshalb setzten Sie nie voll auf die Kunst?
Ich bin froh, dass ich mich für die Firma entschieden habe. Als junger Mensch dachte ich daran, nur von der Kunst zu leben. Aber es ist für mich besser, begrenzte Zeit für die Kunst zu haben – dafür viele Ideen.
Neben der Professur für Kunst haben Sie eine weitere Professur an der Fakultät für Betriebswirtschaft an der staatlichen Universität in Tiflis. Was verbindet Sie mit Georgien?
Ich spiele im Münchner Behördenorchester zweite Oboe, erste Oboe spielt ein Profimusiker aus Georgien. Einmal organisierten wir eine Spende für ein Kinderheim in Georgien. Danach haben die Georgier im staatlichen Museum eine grosse Ausstellung für mich gemacht, und kurz darauf fragte mich die Akademie, ob ich Lust hätte, zu unterrichten ...
... und 2008 wurden Sie sogar vom damaligen georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili zum Honorarkonsul von Georgien für Bayern und Baden-Württemberg ernannt ...
Als Honorarkonsul bin ich dafür zuständig, georgischen Bürgern bei Problemen zu helfen, etwa wenn sie ihren Pass verloren haben oder ein Grundstück kaufen möchten. Zudem versuche ich, für georgische Politiker Kontakte zu Schweizer Politikern herzustellen.
Sprechen Sie Georgisch?
Ich habe vor Jahren damit begonnen, aber Georgisch ist viel schwieriger als Russisch. Die Menschen schätzen es sehr, wenn ich ihre Sprache verstehe und reden kann. Ich bin alle zwei Monate in Georgien.
Warum sind Sie eigentlich nie den Grünen beigetreten?
Ich bin in keiner Partei, da ich meine Produkte allen verkaufen möchte.
Und welche Pläne haben Sie noch?
Solange meine Kinder mich brauchen, arbeite ich im Betrieb. Weitere grosse Pläne habe ich nicht. Ich lasse mich überraschen von dem, was kommt und reagiere dann darauf.