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Die Kriege der Eltern und Kinderlosen
zvg
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Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit den Motiven und Ausprägungen der Eltern-Nichteltern-Kriege. Ich nenne diese Auseinandersetzung Kriege, weil es mir tatsächlich oft so scheint, als ginge es um alles oder nichts. Als müsste man den jeweils anderen vollständig verdunkeln, um sich selbst in möglichst hellem Licht sonnen zu können. Und ich würde mich dabei als Vater von vier Kindern auf die Behauptung festlegen, dass Eltern wesentlich häufiger und härter nach Kinderlosen treten als umgekehrt.
Die bevorzugte Waffe der Wahl scheint dabei bei beiden Parteien das Glück zu sein. Immer wieder wird der entsprechenden Gegenseite vorgeworfen, entweder überhaupt kein Glück zu empfinden oder die glückliche Empfindung nur vorzutäuschen. Menschen ohne Kinder wissen in diesem Zusammenhang gar nicht, was Glück ist. Weil sie nämlich nie so einen kleinen Menschen gehalten, die ganze Verantwortung und die unendliche Liebe gespürt haben, blablabla. Und Eltern tun immer nur so als ob. In Wahrheit sind die Kinder aber gar nicht nett, sie kriegen gar nicht alles auf die Reihe und überhaupt wünschen sie sich ganz oft, die Bälger wieder loswerden zu können, ebenfalls blablabla.
Es ist ein bisschen wie mit der Ehe für Alle, also der vollständigen Gleichstellung von Schwulen und Lesben im Hinblick auf die Ehe. Mit Betonung auf Vollständigkeit. Da wird auch ständig so getan, als hingen Wohl, Wehe, Fruchtbarkeit und Fortpflanzungswille von Heterosexuellen davon ab, was Homosexuelle dürfen und was nicht.
Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare? Ganz schlecht für die klassische Kernfamilie. Euch darf es nicht so gut gehen wie uns, sonst geht es uns schlechter. Warum auch immer, frag nicht so doof. Womöglich, weil man andernfalls falsch ist, falsch handelt und/oder sich falsch entschieden hat. In Bezug auf Eltern und Kinderlose scheint das zu bedeuten, dass man sich gegenseitig anpflaumt, um bei sich und anderen keinen Zweifel darüber aufkommen zu lassen, wie glücklich man mit seinem Lebensweg ist. So als wäre Glück einmal eine Torte, die man auf eine zu grosse Feier mitgebracht hat und sich nun ärgert, weil man die Stücke sehr schmal schneiden muss, obwohl man sich auf ein Riesenstück gefreut hat. Und ein anderes Mal eine Suppe, in die wir uns schon reingespuckt fühlen, wenn andere irgendwo in weiter Ferne ihr eigenes Süppchen kochen.
Sehr seltsam. Was ist eigentlich aus dem altmodischen leben und leben lassen? Oder mit der Idee, sich am Glück anderer zu erfreuen und womöglich etwas davon für sich mitnehmen zu können. Glück ist ein immaterieller Wert, der nicht dadurch kleiner wird, das man ihn teilt. Stattdessen verdorrt er, wenn man ihn vergiftet. Zeit, diese Strategie endlich aufzugeben. Für Eltern und für Kinderlose.
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Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.