Interview
Der Papa-Influencer
Jonas Kozi ist einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Papablogger auf Instagram und Vollzeithausmann. Der ehemalige Kitaleiter erzählt, warum er manchmal ein dickes Fell braucht und weshalb viele Eltern zu verkopft seien.
wir eltern: Jonas Kozi, bist du gerne Papa?
Jonas Kozi: Ja. Definitiv.
Was gefällt dir besonders am Papasein?
Für mich ist es diese Liebe, dieses Gefühl, das man zurückbekommt von seinem Kind. Meine Tochter Thea begleiten und wachsen sehen, gemeinsam mit ihr diese Entwicklungsschritte zu gehen, ist unfassbar schön.
Wie hast du deinen eigenen Vater erlebt?
Mein Papa war anders als ich. Der war unter der Woche arbeiten und dann so der Wochenend-Daddy, der mit seinen Kindern zum Fussball und Sport gegangen ist. Im Endeffekt lag der Hauptschwerpunkt der ganzen Care-Arbeit und des ganzen Mental Load um uns herum bei meiner Mutter.
Hat er dir gefehlt als Kind?
Nein, ich hatte nie das Gefühl, etwas zu vermissen oder zu verpassen. Aber ich machte mir später schon Gedanken, wie ich selber als Papa sein möchte. Durch meinen Job als Erzieher wurde mir klar, dass ich das aktive Vatersein leben möchte, dass die klassische Rollenverteilung nicht zu mir passt.
Warum hast du diesen Beruf gewählt?
Das war eigentlich ein ganz lustiger Zufall. Tatsächlich war es in der neunten Klasse nicht meine Intention, Erzieher zu werden. Ich war ganz gut in Chemie, doch beim Praktikum bin ich immer wieder umgekippt wegen der ganzen Dämpfe im Labor. Meine Mutter meinte dann, mach doch das Praktikum in dem Kindergarten, wo du selber als Kind warst, weil da eine Freundin von ihr gearbeitet hat. Das gefiel mir dann so gut, dass ich wusste, das ist der Weg, den ich einschlagen will.
Du bist mit 26 Jahren Papa geworden. Ganz schön früh für heutige Verhältnisse.
Ja genau, das war immer schon ein Wunsch von mir, weil ich noch jung, fit und aktiv sein und mit dem Kind viel Zeit verbringen wollte. Und glücklicherweise ist es so gekommen.
Wie haben du und deine Frau Anika euren Alltag geregelt nach der Geburt von Thea?
Wir wollten gleichberechtigt für sie da sein und haben dann Elternzeit sowie Kinderbetreuung, Job und Geldverdienen aufgeteilt.
Einkaufen, putzen, all den Haushaltskram erledigen, wer macht das bei euch?
Wir sitzen öfter zusammen und diskutieren unsere To-do-Listen, sodass im besten Fall nichts auf der Strecke bleibt und jeder seinen Anteil trägt. Das funktioniert mal mehr, mal weniger und führt sicher auch schon zu Diskussionen. Über die Jahre haben wir jedoch einen guten, gemeinsamen Weg gefunden.
Wie habt ihrs hingekriegt?
Der wichtigste Punkt ist wohl der, dass man sich damit zufriedengeben muss, dass der Partner oder die Partnerin Aufgaben vielleicht mit einem anderen Anspruch oder anderem Niveau erledigt als man selber und das anerkennt und wertschätzt. Ob die Tassen oben in die Spülmaschine kommen oder unten ist im Endeffekt egal, Hauptsache, die Tassen sind nachher sauber. Das sind aber so Punkte, die in vielen Familien zu Streitdiskussionen führen können.
Die Wahl der «falschen» Jacke, oder wie man die Windeln zu kleben hat, kann unter Eltern zur Eskalation führen.
Absolut. Bei uns ist das zum Glück kein Thema, doch es ist das, was ich durch meine Arbeit oft so mitbekomme. Aber ob in der Vorstellung der Mutter jetzt die Leggings zum Oberteil passen oder kunterbunt sind, müsste eigentlich völlig egal sein. Leider resultiert daraus oft der Rückzug der Väter, die dann denken, dass sie sowieso alles falsch machen, was total schade ist. Für alle.
Jonas Kozi (29) ist ehemaliger Kitaleiter, Papablogger und Content-Creator auf Instagram @jonaskozi. Er lebt mit seiner Partnerin Anika (33) und Tochter Thea (3) in Deutschland. Im Dezember kommt die zweite Tochter des Paars zur Welt.
Was machen Väter anders als Mütter?
Ich glaube, das ist ganz individuell und persönlich. Je nachdem, was man für ein Charakter ist, wie man sozialisiert wurde und gross geworden ist. Grundsätzlich können Mamas nicht mehr als Papas, abgesehen vom Stillen. In Bezug auf die Erziehung muss es gar nicht so grosse Unterschiede geben und Väter können genauso gut da sein für die Kinder wie die Mütter. Das wird gesellschaftlich aber immer noch schlechtgeredet. Mir ist es wichtig, dass ich anwesend bin im Alltag meiner Tochter, dass sie mich als männliche Bezugsperson positiv wahrnimmt. Auch, damit sie sich nicht später falsche Männervorbilder sucht.
Wie fühlst du dich in dieser heute immer noch eher weiblichen Rolle als Vollzeitpapa und -hausmann?
Ich finds gut so, cool. Man braucht aber ein relativ dickes Fell und ein gesundes Selbstbewusstsein um für das, was einem so entgegenschwappt, gewappnet zu sein.
Was sind die Reaktionen?
Wenn man so als einziger Papa auf dem Spielplatz ist, bekommst du schon Blicke. Oder die Kassiererin, die fragt: «Ach, ist die Mama krank?», nur, weil das Kind mit dem Papa unterwegs ist. Wenn Thea sich entschieden hat, barfuss in den Supermarkt zu gehen, ist es der Papa, der vergessen hat, dem Kind die Schuhe anzuziehen. Solche Dinge ärgern mich total. Für viele ist es immer noch was Neues, was Fremdes, aktive Väter mit ihren Kindern zu sehen. Wir werden noch viel, viel Zeit brauchen, bis wir in dieser Hinsicht auf einem guten Niveau sind.
Dafür braucht die Gesellschaft Väter wie dich.
Ja, ich hoffe, dass ich Vorbild sein kann für die vielen Väter da draussen. Aber auch für diese Generation Kinder, dass es für sie mal normal ist, dass der Papa Wäsche wäscht, die Spülmaschine ausräumt und sich ums Kind kümmert. Dass das der Status quo ist, auf dem dann die Zukunft aufgebaut wird. Natürlich muss jede Familie schauen, was für sie passt. Nicht alle können oder wollen das Modell so leben, wie wir das tun.
Fühlst du dich von anderen Männern ernst genommen?
Tatsächlich kommt meine Rolle als Papa und Hausmann positiv an bei anderen Vätern in der Familie und im Freundeskreis. Sie sind interessiert und finden das alle gut. Bei meinen Kumpels bin ich der Erste, der Papa wurde. Sie machen sich auch Gedanken, wie sie später mal ihre Paparolle leben möchten.
Du bist erfolgreicher Content-Creator auf Instagram mit aktuell über 107 000 Followern. Wie kams dazu?
Dass es irgendwann mal so viele Follower, oder besser gesagt Followerinnen, werden, hätte ich tatsächlich nicht für möglich gehalten. Angefangen habe ich, bevor wir Thea hatten, neben meinem Job als Erzieher. Seit letztem November ist es mein Vollzeitjob und macht mir einfach unfassbar Spass.
Wie erklärst du dir diesen Erfolg?
Ich denke, es ist, weil ich authentisch bin. Ich schreibe über Themen, die Eltern beschäftigen. Etwa, dass Kinder auch mal ganz schön stressig sein können. Aber wenn man weiss, dass das Kind ein gewisses Verhalten nicht macht, um einen zu ärgern oder damit man zu spät zur Arbeit kommt, dann macht das mit einem persönlich ganz schön viel, und man kann mit solchen Situationen besser umgehen.
Du machst dich für Kinder stark auf Instagram?
Absolut. Kinder funktionieren nicht und müssen nicht funktionieren, sie sind keine Maschinen. Ich finde, da wird oft mit zweierlei Mass gemessen. Dinge, die wir Erwachsenen einräumen, werden Kindern abgesprochen. Wenn Erwachsene willensstark und durchsetzungsfähig sind, ist das eine positive Eigenschaft. Bei Kindern wird dasselbe negativ bewertet, von wegen: es tanzt einem auf der Nase rum. Das ist unter anderem auch eine Aufgabe von mir auf Instagram, ich will die Leute inspirieren, nachzudenken und alte Denkmuster aufzulösen.
Du plädierst auch für Gelassenheit, etwa in Themen wie Ernährung und Schlafen.
Genau. Von der Gesellschaft wird unglaublich Druck gemacht, es gibt unzählige Ratgeber, die uns die Welt erklären und Eltern unter unfassbaren Stress setzen. Mein Standpunkt ist halt immer: Warum nicht? Warum soll Thea kein Eis zum Frühstück bekommen, wenn sie danach noch Obst isst? Wer sagt das? Es ist ja nicht die Norm, warum dann nicht mal fünf grade sein lassen? Oder warum soll sie in ihrem eigenen Bett schlafen müssen, wenn es für uns Eltern okay ist, dass sie in unserem schläft? Das ist doch auch cool. Meist haben die Leute auf meine Gegenfrage auch keine Antwort.
Du zeigst einfachste Bastel- und Spielideen. Der Beitrag, bei dem Thea mit roten Linsen Kochen spielte, hatte mehr als 3000 Likes und viele positive Kommentare. Erstaunlich, dass so einfache Dinge so gut ankommen.
Ich glaube, dass gerade, was so Spielideen angeht, viele Eltern sehr verkopft sind. Ich will die Angebote relativ niederschwellig halten, damit viele Eltern und Kinder die Möglichkeit haben, das zu Hause nachzumachen. Ich glaube, einfache Beschäftigungsideen sind genau das, wonach viele Eltern suchen.
Von Männern bekommst du auch mal negative Kommentare. Wie geht es dir dabei?
Mich persönlich verletzt das nicht mehr, mir tun schon eher die Männer leid. Da sind wahrscheinlich nicht erfüllte Bedürfnisse nach mehr Zeit mit dem Kind, mit der Familie, nach mehr gesehen werden, weniger arbeiten vielleicht und weniger Stress. Es ist aber nicht meine Aufgabe, von Männern gemocht zu werden. Zum Glück ist das nicht der Alltag. Rund vier Prozent meiner Follower sind Männer, mit denen sind der Kontakt und der Austausch sehr positiv.
Von aussen betrachtet scheint es, als laufe dein Alltag recht easy. Kommst du mit Thea auch mal an Grenzen?
Ich behaupte von mir selbst, dass ich ein relativ ruhiger und entspannter Mensch in vielen Dingen bin. Dabei hilft mir natürlich auch mein Background als Erzieher. Auch ich habe Situationen, wo ich ins Nachdenken komme, mich selbst reflektiere, um das nächste Mal besser oder anders damit umzugehen. Wenn meine Tochter einen Wutanfall hat, filme ich das natürlich nicht, sondern bin dabei, sie zu unterstützen, mit ihrer Wut umzugehen. Aber ich spreche in meinen Beiträgen solche Situationen auch an.
Wie gehst du mit der Kritik um, dass du Thea auf Instagram zeigst?
Wir sind bedacht, sie zu schützen und was wir von ihr preisgeben. Für mich wäre es nicht authentisch, sie zu verpixeln oder nicht zu zeigen, denn sie gehört zu meinem aktiven Vatersein dazu. Und ich glaube, dass Kinder in unserer Gesellschaft eh schon mundtot gemacht und nicht gesehen werden. Der wichtigste Punkt ist aber, dass die grösste Gefahr für Kinder und die Kindheit nicht das Internet birgt, sondern das private, soziale Umfeld.
Im Dezember kommt Baby Nr. 2. Du schreibst, dass du dir Gedanken machst. Was treibt dich um?
Ich bin sehr gespannt. Baby Nr. 2, auch ein Mädchen übrigens, wird vermutlich komplett anders sein als Thea. Genau auf diese Herausforderung freue ich mich. Herauszufinden, wie es ist mit der Liebe zu diesem Kind, wie entwickelt sich die Partnerschaft und wie finden wir den Weg in unserem neuen Familienkonstrukt.
Du sagst auch, dass du Bedenken hast, wie die Beziehung zu Thea sich entwickeln wird.
Absolut. Sie ist mein erstes Kind und ich würde von uns behaupten, dass wir eine sehr enge Beziehung haben. Da bin ich natürlich gespannt, wie sich das auf uns auswirken wird und wie die Bindung zu meiner zweiten Tochter werden wird. Das sind so Sachen, die ich jetzt noch nicht weiss, aber die sehr viel Spannungspotenzial mit sich bringen. Ich freue mich drauf.
Als Quereinsteigerin in den Journalismus schreibt Anita Zulauf erst für die «Berner Zeitung», die Migrationszeitung «Mix», nun bei «wir eltern» und als freie Journalistin bei dem Kulturmagazin «Ernst». Sie mag Porträts und Reportagen über Menschen-Leben und Themen zu Gesellschaft und Politik. Als Mutter von vier Kindern hat sie lernen müssen, dass nichts perfekt, aber vieles möglich ist.