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Das Konkubinat ist für Mütter eine Armutsfalle
Von Bloggerin Nathalie Sassine-Hauptmann
Neu gibt es ab 2017 bei einer Trennung wesentlich mehr Unterhalt. Ein grosser Nachteil des Konkubinats gegenüber Ehepaaren ist damit abgemildert. Dennoch bietet das Konkubinat auch künftig weniger finanzielle Sicherheit als die Ehe. Lilly Toriola von scheidungsagentur.ch sagt uns, was ab Januar 2017 genau anders ist und worauf Paare, die ohne Trauschein leben, achten sollen.
Lilly, was ändert sich 2017 für Konkubinatspaare?
Lilly Toriola: Bei einer Trennung von unverheirateten Eltern bestand bisher nur Anspruch auf Unterhalt für das Kind, nicht aber für sich selbst. Viele unverheiratete Mütter – denn in den meisten Fällen sind es noch immer die Frauen, die die Betreuung der Kinder übernehmen – rutschten deshalb nach einer Trennung in die Armutsfalle. Ab Januar 2017 besteht neu zusätzlich Anspruch auf Betreuungsunterhalt. Er deckt die Lebenshaltungskosten jenes Elternteils, der die Kinder hauptsächlich betreut. Mit dem neuen Unterhaltsrecht gibt es zumindest in diesem Bereich künftig eine etwas bessere Absicherung.
In welchen Bereichen fehlt denn im Konkubinat immer noch eine Absicherung?
Das Konkubinat bringt gewisse steuerliche Vorteile mit sich. Der grosse Nachteil aber ist, dass es rechtlich weitgehend ungeregelt ist. Kompliziert wird es insbesondere dann, wenn ein Paar Kinder kriegt, ein Partner das Arbeitspensum reduziert, aber nichts geregelt wird. Viele unverheiratete Eltern sind sich nicht bewusst, welches Risiko sie eingehen, wenn sie beispielsweise keinen Konkubinatsvertrag abschliessen. Wer Sicherheit möchte, muss sich im Konkubinat selbst aktiv darum kümmern. Wer heiratet, ist dagegen in den meisten Bereichen automatisch abgesichert.
Wo entstehen Probleme?
Im Konkubinat gibt es – im Gegensatz zur Ehe – keine gesetzlich geregelte Absicherung für den wirtschaftlich schwächeren Partner. Das zeigt sich dann sehr schmerzlich, wenn der Partner beispielsweise bei einem Unfall plötzlich stirbt: Im Konkubinat gibt es keine Witwenrente seitens AHV oder Unfallversicherung. Das lässt sich leider auch mit einem Vertrag nicht ändern, aber mit einer Todesfallrisikoversicherung zumindest etwas abfedern. Als Konkubinatspartner erhält man auch keine Hinterlassenenleistung der Pensionskasse. Bei vielen Pensionskassen besteht aber mittlerweile die Möglichkeit, den Partner als Begünstigten eintragen zu lassen. Für den überlebenden Konkubinatspartner gibt es zudem keinen gesetzlichen Erbanspruch. Mit einem Testament kann man den Partner zwar begünstigen, aber nur im Rahmen der freien Quote. Nichts zu regeln, kann bei einem plötzlichen Tod des Partners für eine Familie also dramatische Folgen haben. Auch bei einer Trennung entstehen oft diverse Probleme.
Wo sind dort die Fallstricke?
Bei einer Scheidung wird das Vermögen, das während der Ehe entstanden ist, zwischen beiden aufgeteilt. Das gilt auch für AHV- und Pensionskassenguthaben, die während der Ehe angespart wurden. Im Konkubinat muss bei einer Trennung laut Gesetz nichts geteilt werden. Egal wie lange man zusammen war: Es besteht kein Anspruch auf eine Teilung des Vermögens oder auf so etwas wie eine Abfindung für die geleistete Familienarbeit. Das schockiert viele bei einer Trennung. Wenn man keine Ausgleichzahlungen vereinbart hat, rächt sich das leider später sogar noch einmal. Nämlich dann, wenn man pensioniert wird. Wenn beispielsweise eine Frau nach der Geburt ihr Arbeitspensum reduziert, kann sie dadurch weniger Pensionskassenguthaben ansparen. Gibt sie ihre Stelle ganz auf, äufnet sie auch kein AHV-Guthaben mehr. Über die Jahre entsteht so schnell eine Vorsorgelücke von mehreren Tausend Franken, während beim vollverdienenden Partner die Altersvorsorge gesichert ist. Es droht also nicht nur die Armutsfalle bei der Trennung, sondern auch Altersarmut.
Was kann man konkret tun?
Im Konkubinat sollte man spätestens dann, wenn Kinder geplant sind, die Vor- und Nachteile der Ehe und des Konkubinats abwägen. Regeln lassen sich im Konkubinat letztlich die meisten Punkte, aber mit mehr Aufwand. Das setzt voraus, dass man als Paar offen über die verschiedenen Punkte diskutieren kann. Viele regeln nichts, weil sie nicht über finanzielle Fragen sprechen können, ohne sich in die Haare zu kriegen. Also lassen sie es lieber ganz sein. Andere wiederum machen den Fehler, dass sie Verträge in einer gut funktionierenden Beziehung für unnötig halten. Dabei wäre genau das der richtige Moment, um Vereinbarungen zu treffen: Verträge müssen in guten Zeiten geschlossen werden. Steht man vor einer Trennung, lassen sich finanzielle Fragen oftmals nur noch schwer diskutieren.
Eine Checkliste der zu regelnden Angelegenheiten, ist weiter unten zu finden. Ausserdem kann man Lilly Toriola auf www.scheidungsagentur.ch kontaktieren.
Lilly Toriola (34) ist Mit-Gründerin von scheidungsagentur.ch. Die Agentur begleitet sowohl Verheiratete als auch Konkubinatspaare in einer Trennung umfassend. Toriola ist als Scheidungsberaterin und Mediatorin tätig.
12 Punkte: Was im Konkubinat geregelt werden sollte
1. Unterhaltsvertrag: Dieser wird meist bei der Geburt gemeinsam mit der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB erarbeitet. Darin wird vereinbart, wie viel Unterhalt bei einer Trennung bezahlt werden muss.
2. Konkubinatsvertrag: Wenn ein Paar Kinder hat, empfiehlt es sich, nicht einfach eine Vorlage aus dem Internet auszufüllen, sondern sich vom Anwalt beraten zu lassen. Im Konkubinatsvertrag können alle Vereinbarungen detailliert festgehalten werden, die einem Paar wichtig sind. Möglich ist auch, Vereinbarungen für eine allfällige Trennung zu treffen.
3. Aufteilung Lebenshaltungskosten und Vermögensausgleich: Wie werden die Lebenshaltungskosten aufgeteilt und wie handhabt man es, wenn beide Partner nicht gleich viel Vermögen ansparen können? Diese wichtigen Fragen sollten im Konkubinatsvertrag, beispielsweise mit einem konkreten Verteilschlüssel, geregelt werden.
4. Ausgleichszahlungen für Vorsorgelücke: Reduziert ein Partner das Pensum, kann für den jährlich entstehenden Pensionskassen-Fehlbetrag eine Ausgleichszahlung vereinbart werden. Regeln lässt sich das im Konkubinatsvertrag.
5. AHV-Beitragslücken: Ist eine Seite nicht erwerbstätig, müssen trotzdem AHV-Beiträge bezahlt werden. Im Konkubinatsvertrag kann beispielsweise vereinbart werden, dass der erwerbstätige Partners die Beiträge bezahlt.
6. AHV-Erziehungsgutschriften: Im Konkubinat macht es Sinn, die Erziehungsgutschriften vollumfänglich jenem Elternteil gutzuschreiben, der sein Pensum reduziert oder die Kinderbetreuung gänzlich übernimmt. Regeln lässt sich dies im Konkubinatsvertrag, gemeldet werden muss dies der zuständigen Ausgleichskasse.
7. Begünstigungserklärung Pensionskasse: Viele Pensionskassen bezahlen unter gewissen Voraussetzungen Todesfallleistungen an Konkubinatspartner. Der Partner muss dazu aber als Begünstigter eingetragen sein. Informieren Sie sich bei Ihrer Pensionskasse.
8. Begünstigungserklärung Säule 3a: Bei der Säule 3a kann ebenfalls eine Begünstigungserklärung mit dem Namen des Partners hinterlegt werden.
9. Erbvertrag/ Testament: Mit einem Erbvertrag oder Testament können sich Konkubinatspartner im Rahmen der freien Quote gegenseitig als Erben einsetzen. Auf diesen Erbteil fallen aber je nach Kanton und Höhe der Erbschaft hohe Erbschaftssteuern an.
10. Todesfallrisikoversicherung abschliessen: Mit der Todesfallrisikoversicherung kann der hinterbliebene Partner finanziell abgesichert werden. Damit kann der Ausfall der Witwenrente kompensiert werden, auf die Konkubinatspartner keinen Anspruch haben.
11. Patientenverfügung/ Schweigepflichtentbindungserklärung: Wird der Partner notfallmässig ins Spital eingeliefert, geben Ärzte keine Auskunft über den Gesundheitszustand des Konkubinatspartners. Wichtig ist deshalb, dass beide Partner eine Schweigepflichtentbindungserklärung oder eine Patientenverfügung ausfüllen.
12. Auflösungsvertrag bei Trennung: Sollte es zu einer Trennung kommen, können Vereinbarungen in einem Auflösungsvertrag schriftlich festgehalten werden.
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Nathalie Sassine-Hauptmann (1973) gehört zu den Müttern, die ihr schlechtes Gewissen wie ein Baby mit sich rumtragen. Dennoch würde sie ihren Beruf nie aufgeben. Mit ihrem Buch «Rabenmutter - die ganze Wahrheit über das Mutterwerden und Muttersein» spricht sie vielen berufstätigen Müttern aus der Seele. Denn als Unternehmerin weiss sie, dass ihre Kinder sie zwar glücklich machen, aber erst ihr Job ihr den Ausgleich garantiert, den sie braucht. Sie führt sowohl ihr Familienleben als auch ihre Firma mit viel Leidenschaft und macht sich in diesem Blog Gedanken zur Vereinbarkeit von beidem. Und sie hat keine Angst davor, sich eine Feministin zu schimpfen. Alle Blog-Beiträge von Nathalie Sassine-Hauptmann finden Sie hier.