Aus dem Vaterland
«Dann trink doch etwas kaltes Wasser!»
Wie behandelt man seine Kinder, wenn sie sich wehtun? Unser Kolumnist Beni Frenkel weiss Rat. Und verdient damit mindestens den Facharzttitel Dr. Vater.
Wir haben drei Kinder und leben in einer kleinen Wohnung. 70 Quadratmeter, aufgerundet. Die Kinder stossen sich jeden Tag an einer Kante, einem Stuhl oder verursachen einen Zusammenstoss. Manchmal hören wir einen Schrei aus dem Kinderzimmer und können ziemlich genau vorhersagen, ob das Mädchen in ein Playmobil-Schwert trat oder über ein Duplo-Steinchen stolperte.
In dieser Hinsicht bin ich meiner Frau ebenbürtig. Grosse Unterschiede offenbaren sich aber in der Behandlung. Ich habe es nämlich auch nach sechs Jahren als Vater immer noch nicht geschafft, meine Kinder adäquat zu behandeln. Wenn der Knabe heulend zu mir rennt und auf seine geschwollene Stirn deutet, gebe ich ihm ein Stück Schoggi und singe «Heile, heile Säge». Meine Frau hingegen nimmt eine grosse Box, schmiert eine Salbe auf die Beule, nimmt so einen kalten Umschlag aus dem Kühlschrank und wickelt einen Verband um seinen Kopf. Das sieht immer toll aus, bei ihr.
Anderes Beispiel: Die Tochter hustet in der Nacht ununterbrochen. Ich geh wieder zum Schrank mit den Süssigkeiten. Eine Schokolade stecke ich mir selber in den Mund und will dann mein Mädchen trösten. Doch da ist schon meine Frau bei ihr. Sie guckt ihr in den Hals, in den Mund und in die Ohren. Dann kommen Zäpfchen, Pillen, Umschläge an die Reihe. Ich stehe fasziniert vor diesem Schauspiel und esse die zweite Schokolade.
Natürlich schäme ich mich ein wenig. Ich würde das auch gerne so gut können wie meine Frau. Manchmal lese ich diese Ratgeber in den Zeitungen, die Anfängern wie mir das nochmals beibringen wollen. Also, was man machen muss, wenn sich ein Kind das Knie aufschlägt oder seit drei Tagen nichts mehr trinkt. Aber leider verletzen sich meine Kinder nie gleich nach der Lektüre, sondern erst eine Woche später. Und da habe ich längst wieder alles durcheinandergebracht.
Da ist noch etwas: Ich bin Lehrer. Leider verletzen sich viele Kinder auch auf dem Pausenplatz. Es kommt immer wieder vor, dass ein Kind Sturm läutet beim Lehrerzimmer. Ich mache dann auf und sehe auf ein Kind hinab, das aus dem Kopf blutet. Es hat gerade einen Wettbewerb gewonnen. 13 Stufen ist es die Treppe hinuntergesprungen. Neuer Rekord. Die B-Note zählte nicht, es fiel nämlich auf den Kopf. Ich renne zur Sekretärin, vierfache Mutter. Die kommt mit mir zurückgerannt und verarztet den Champion. Ich stehe dumm daneben und versuche wenigstens etwas zu lernen.
Während der Unterrichtsstunden passiert weniger. Manchmal streckt ein Kind auf und sagt, dass es sich elend fühlt. Ich antworte immer so: «Dann trink doch etwas kaltes Wasser», oder: «Dann geh doch für zwei Minuten an die frische Luft.»
Einmal aber ist einem Jungen eine Warze am Rücken aufgeplatzt. Mitten im Unterricht. Es war ziemlich eklig. Natürlich habe ich da nicht gesagt: «Trink doch etwas kaltes Wasser», nein, ich rannte runter zur vierfachen Sekretärin und hetzte sie in mein Klassenzimmer. Und wieder stand ich dumm daneben und schwor mir, endlich etwas in meine Weiterbildung zu investieren.
Doch was? Ich überlegte so lange, bis ich kaltes Wasser trinken und an die frische Luft gehen musste. Ich melde mich wieder für den Nothelferkurs an! Ich kann das allen Vätern nur empfehlen. gal, ob Sie neben unmotivierten 18-Jährigen sitzen! Im Nothelferkurs konnte ich endlich wieder mal einen Druckverband üben. Jedes Mal wenn der gelangweilte Kursleiter nach einem Freiwilligen fragte, schnellte meine Hand in die Höhe! Die Mühen haben sich nämlich gelohnt. Mein Sohn hat sich letzte Woche wieder verletzt und kam zuerst zu mir angerannt! Er fragte: «Dörf ich es Schoggi ha?»