Ferien
Ausprobiert: Surf-Ferien mit Kindern
Unsere Autorin ist mit Mann und Töchtern an die Atlantikküste gefahren, um das Glück auf der Welle zu finden – fast hätten sie es verpasst.
Bereits zum zweiten Mal haben wir während der Sommerferien die rund zehnstündige Fahrt an die Atlantikküste Frankreichs auf uns genommen, damit sich Mann und Kinder auf die Surfbretter schwingen können. Ich finde es schön, dass sie etwas gefunden haben, das sie begeistert und gepackt hat. Und um Missverständnisse von Anfang an zu vermeiden: Ich meine mit Surfen das Wellenreiten mit dem Board. Ohne Segel.
Was mich angeht, bin ich eher von der gemütlichen Fraktion und schätze es, wenn ich endlich mal ein paar Stunden lesen kann, ohne ständig unterbrochen zu werden. Vor einigen Jahren hatte ich auf Maui meine erste Surfstunde, bin aber leider kläglich gescheitert. Einerseits lag es am Wetterwechsel und am trüben Wasser, dazu gesellten sich die mir zu hohen Wellen und ein Surflehrer, der vor allem Augen für die zwanzig Jahre jüngere Surfstudentin hatte. Die Krönung waren Riesenschildkröten, die im unpassendsten Moment wie U-Boote mit ET-Gesichtern direkt neben mir auftauchten und mir jedes Mal einen riesigen Schrecken einjagten. Ich kämpfte gegen die Strömung, verfluchte meine untrainierten Arme und stieg noch vor Ende der Surflektion tränenüberströmt aus dem Meer. Danach hatte ich mir geschworen, dass ich mir diese Blösse nie mehr geben würde und dass ich das Surfen den wirklich Coolen überlasse. Oder eher den wirklich Harten, die bereit sind, auch unter dem Jahr im Hallenbad ihren «Crawl» zu trainieren und morgens um sechs auf der Yogamatte stehen.
Sturmböen auf dem Campingplatz
Ausgerechnet ich mache nun also mit meiner Familie Surfferien auf der Ile de Ré an der französischen Atlantikküste zwischen Nantes und Bordeaux. Mein Mann und die Kinder haben zwar weder Yoga gemacht, noch im Schwimmbad trainiert, sind aber hoch motiviert und können es kaum erwarten. Bevor wir aber überhaupt einen Fuss ins Meer dippen, müssen wir uns in Geduld üben. Die ersten paar Tage sind stürmisch und kalt. Es regnet in Strömen und die Schilder auf dem Campingplatz weisen darauf hin, dass wir, falls die Sturmböen zunehmen, mit einer Evakuierung rechnen müssen. Das kann ja heiter werden.
Das Wetter verlangt extreme Flexibilität
Wir harren also wie die Sardinen in unserem VW-Büssli aus und entkommen dem Lagerkoller dank der Hörspiele von «Die Drei ? ? ?» nur knapp. Fast eine Woche geht das so. Der Wetterbericht ist unser neuer bester Freund, den wir mal mehr, mal weniger mögen. Nach einer Woche sieht es endlich so aus, als könnten wir es wagen, die ersten Surfstunden zu buchen. Leider sind wir nicht die Einzigen mit dieser Mission. Das Nachholbedürfnis ist gross, entsprechend schwierig wird es, einen geeigneten Kurs zu finden.
Wir stellen unser Programm um. Die Wellen sind aber in der Zwischenzeit so klein geworden, dass mein Mann knurrend aufgibt und findet, so mache es für ihn keinen Sinn. Da ohnehin schon alles anders läuft als ursprünglich geplant, entscheiden wir uns kurzerhand, einen Privatlehrer zu buchen. Das ist zwar etwas teurer, aber dafür können die Kinder zusammen einen Kurs besuchen und viel mehr lernen.
1 Wer seine Kinder bereits ohne Surfcoach ins Wasser lässt, sollte ihnen ein leuchtendes Shirt überziehen. So sind sie leichter zu erspähen. Zudem gehören kuschelige Bademäntel (Ponchos) zum Aufwärmen und allenfalls sogar eine Fleecejacke und Mützen für die nassen Haare (je nach Wind und Jahreszeit) ins Gepäck. Surfen macht hungrig. Unbedingt genügend kalorienreiche Snacks und Getränke (vielleicht sogar eine Thermosflasche mit Tee) dabeihaben. Nicht vergessen: Sonnencreme und Handtücher. Wer hat, packt alles in einen Bollerwagen.
2 Kinder, die zum ersten Mal surfen, sollten unbedingt einen Kurs bei einem Surfcoach besuchen. Dort erlernen sie die wichtigsten Sicherheits- und Verhaltensregeln im Wasser.
3 Surfboards kann man stundenweise am Strand mieten. Für Anfänger:innen eignen sich Softboards. Diese bestehen aus besonders weichem Material.
4 Neoprenanzüge (Wetsuits) schützen vor Kälte und vor Schürfungen und gehören zum Surfen mit. Wenn man bereits weiss, dass man regelmässig surfen wird, lohnt sich die nicht ganz günstige Anschaffung. Es ist aber nicht zwingend nötig, da man die Anzüge für einen kleinen Aufpreis zusammen mit dem Surfboard mieten kann.
5 Wer seinen Urlaub nach dem Mond ausrichten kann, fährt damit bestimmt gut. Bei Neuund Vollmond kommt es zur sogenannten Springflut. Durch eine besondere Sonne-ErdeMond-Konstellation steigt oder sinkt der Meeresspiegel an den Küsten und das Wetter schlägt meistens von einem Tag zum nächsten um.
6 Wenn die rote Fahne weht, lässt man das Surfen für diesen Tag besser bleiben und nutzt stattdessen den Wind, um einen Drachen steigen zu lassen.
Hier surft es sich gut mit Kindern
In Europa sind alle Länder mit Atlantikküste für Surfanfänger geeignet: Aber Achtung: Die Jahreszeit ist entscheidend, damit die Wellen für Beginner noch nicht zu gross sind. Besonders familien- und anfängerfreundliche Orte:
Frankreich: Lacanau und Biarritz (im Sommer).
Spanien: San Sebastián, Razo und Cabopino (Ende Sommer-Herbst).
Portugal: Baleal, Albufeira, Algarfe (Sommer).
Mini-Wellen genügen den Kids völlig
Der Lehrer spricht Englisch und Französisch. Kein Problem. Endlich merken die Mädchen, dass es sich eben doch lohnt, in der Schule aufzupassen. War das Meer die Tage davor noch zu wild und zu stürmisch, so ist es jetzt fast so flach wie ein See, nachdem ein Motorboot vorbeigefahren ist. Zu meinem Erstaunen spielt das für den Surfkurs auf diesem Niveau noch keine grosse Rolle. Im Gegenteil.
Der Strand ist flach und sandig und die Mädchen haben sichtlich Spass an und auf den Mini-Wellen. Das liegt wohl auch daran, dass sie noch so leicht und die Bretter so lang sind. Der Surflehrer legt sich für sie voll ins Zeug und zieht wie ein Zauberer immer wieder neue Tricks aus seinem Zaubersurfkasten. Sie fahren rückwärts, halten sich an den Händen, plumpsen ins Wasser, tauchen wieder auf, lachen sich gegenseitig aus und klatschen begeistert in die Hände, sobald es eine der beiden schafft, bis ans Ufer zu surfen.
Das Schauspiel dauert zwei Stunden und ich vergesse dabei völlig, dass ich eigentlich lesen wollte. Kaum ist der Kurs vorbei, rennen sie auf mich und meinen Mann zu und sagen, sie möchten sich für den Rest des Tages ein eigenes Brett mieten und weitermachen. Natürlich willigen wir ein. Wir bestehen aber noch auf eine Trinkpause und darauf, nochmals ihre Gesichter einzucremen. «Egal, wie sehr meine Augen vom Salz brennen, es hat sich gelohnt», meint die jüngere Tochter, als sie am Nachmittag ihr Gesicht im Frotteetuch abreibt. «Und ich bin erstaunt, wieviel Geduld ich mit mir selbst hatte», sagt die Grosse. Noch am selben Abend müssen wir ihnen versprechen, nächsten Sommer wieder an den Atlantik zu fahren. Wer weiss, vielleicht gebe ich dem Surfen doch noch eine zweite Chance.