Was Kinder vom Wegwerfprodukt und Enttäuschungsgarant ferngesteuertes Auto lernen können.
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zvg
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«Be careful what you wish for», heisst es bei den Angelsachsen. Das scheint mir sehr trefflich. Denn manchmal wünscht man sich zu viel, respektive etwas, das man sich gewünscht hat, stellt sich als gar nicht wünschenswert heraus. Wenn es um Kinderwünsche, genauer: Bubenträume, geht, gibt es ein Paradebeispiel: das ferngesteuerte Auto. Eine tolle Sache, ein Unding, eine Lektion fürs Leben – das ferngesteuerte Auto ist (mindestens) dreierlei in einem.
Ich erkläre mich: Es gibt wohl keinen Jungen, der nicht irgendwann vom Konzept des ferngesteuerten Autos eingenommen wird. Autos sind schnell und cool und machen Lärm und da ist nun eine Mini-Variante davon – denn mit grossen fahren kann man erst, wenn man selbst gross ist – und sie lässt sich fernsteuern, von mir! Wahnsinn! Das ist quasi ein non-virtuelles Computerspiel. Ich schätze, jeder Bub kriegt zwischen 5 und 13 Jahren drei ferngesteuerte Autos. Und hasst diese nach rund 2 bis 5 Fahrten.
Warum? Er ist enttäuscht, weil das ferngesteuerte Auto seine Erwartungen nicht erfüllt hat. Es ist nicht so schnell wie gedacht. Es springt nicht so hoch wie in der Werbung. Es ist nicht mal halb so wendig wie angepriesen. Kurz: Es macht längst nicht so viel Spass wie erhofft.
Und so landen die ferngesteuerten Autos schnell im Keller oder im Estrich, das Kind vergisst sie, bis, ja bis es sich von Neuem dazu hinreissen lässt, vom Geschwindigkeitsrausch zu träumen. Der Bub wünscht sich ein neues, grösseres ferngesteuertes Auto und hofft, diesmal sei alles anders, alles richtig. Und muss doch erneut einsehen, dass die Maschine zu träge, zu sperrig, ist (die Eltern sind ja vorsichtig und wollen dafür auch nicht viel Geld ausgeben). Bei den einen Knaben dauert es nur zwei Autos bis sie desillusioniert sind, bei anderen fünf. Irgendwann muss aber jeder einsehen, dass einzig die Benziner so flitzen und jumpen, wie man sich das vorstellte.
Wer aber deshalb denkt, das ferngesteuerte Auto sei der absolute Zonk unter den Geschenken und zu nichts nütze, der irrt. Erstens werden die Teile immer noch zu tausenden verschenkt und zweitens ist das auch gut so. Weil die Buben mit der Maschine und mit der ihr verbundenen Enttäuschung etwas Wichtiges lernen. Nämlich:
Was wir uns ausmalen und wie es schliesslich sein wird, ist meistens nicht deckungsgleich.
Nur weil es als cool verkauft wird, bedeutet das nicht, dass es auch cool ist.
Manchmal bereitet es weniger Schmerz, auf etwas zu verzichten.
Oder: Frust aushalten zu können ist wichtig und stärkt uns.
Na, wenn sich dafür all dieser Elektroschrott nicht gelohnt hat.
Blogger Reto Hunziker
Reto Hunziker ist 1981 im Aargau geboren, aber das muss noch nichts heissen. Er hat Publizistik, Filmwissenschaft und Philosophie studiert und auch das muss noch nichts heissen. Er arbeitet als freier Journalist und als Erwachsenenbildner und versucht daneben, dem ganz normalen Wahnsinn in einer Patchwork-Familie (Frau, Tochter und Stiefsohn) mit Leichtigkeit und gesundem Menschenverstand zu begegnen – das will was heissen.
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