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Allein unter Müttern

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zvg
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Freitag, 9.00 Uhr, irgendwo in Norddeutschland. Ich habe es mit meiner jüngsten Tochter seit längerem endlich mal wieder zur Krabbelgruppe geschafft. Majestät pflegt um diese Zeit für gewöhnlich zu ruhen. Heute ist sie jedoch wach und krabbelt interessiert-belustigt durch eine Gruppe von Kindern. Einige sind am Spielen. Manche starren mich verwirrt an. Und ein paar deuten mit dem Finger auf mich und rufen «Mann… Mann… Mannnnnnnn!!!»
«Wir haben ja nicht so oft Männer hier» erklärt mir eine Mutter und ich versuche zuversichtlich zu lächeln. Womöglich sieht es aber eher resigniert aus. Das ist mein vierter Krabbelgruppendurchgang. Seit über einem Jahrzehnt finde ich in Räumen statt, in denen sich hauptsächlich Frauen aufhalten. Früher war ich darüber ziemlich wütend:
- Auf die Männer, die Kind und Kümmern mit grosser Selbstverständlichkeit von sich weisen und dabei auf Natur, Hormonspiegel und Geschlecht verweisen. Männer für die Sätze wie «Mit den Kindern ist er mir eine tolle Hilfe» erfunden wurden. Erziehungsaushilfskräfte eben.
- Auf die Frauen, die das richtig so finden, immer das gleiche erzählen und darüber kichern, dass ich auch einen «Frauenkaffee» trinke (viel Milch, bisschen Zucker).
- Und auf mich, weil ich die Leute ständig in irgendwelche Schubladen presse, anstatt mir die Mühe zu machen, sie richtig kennenzulernen. Weil ich alles hübsch nach Klischees ordne und meine, ich hätte das Ganze total durchschaut.
Mittlerweile hab ich nicht mehr viel Wut in mir. Stattdessen ziemlich viel Bedauern. Ich find es schade. Irgendwann muss man damit aufhören, Menschen vorzuwerfen, dass sie freiwillig Stereotypen leben, sonst wird man unfreiwillig selber eins. Bei näherer Betrachtung stellt sich die Situation nämlich deutlich differenzierter dar. Menschen reden über das, was sie tagtäglich umgibt und am meisten beschäftigt. Vor allem dann, wenn sie selten dazu kommen, sich mit jemandem darüber austauschen zu können. Siehe Mommy Talk. Und inzwischen kenne ich einige Väter (Mütter selbstverständlich auch), die liebend gerne in einer Krabbelgruppe sitzen und Kaffee trinken würden, aber zusehen müssen, wie sie die Familie finanziert kriegen.
Ich dachte wirklich, das würde sich alles sehr viel schneller ändern. Und die Anzeichen eines allmählichen Wandels will ich gar nicht leugnen. Aber an diesem Freitagmorgen ist der «Mannnnn!!» es einfach nur müde.
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Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.