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Frauen an den Herd
zvg
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Ist ja wahnsinnig aufregend. Da kratzt man als ignoranter Deutscher sein Sprachvermögen für eine Runde SRF «Arena» zum Thema Gleichberechtigung zusammen, und dann so was: Echte Frauen und Männer zu diesem brandheissen Thema im Publikum. Hurra aber auch! Und brandheiss versprach es zu werden. Zumindest hatte das Thema der Sendung schon am Vortag für ordentlich Furore in der Presse und den sozialen Medien gesorgt. Beim Tagesanzeiger war man angesichts der bevorstehenden Debatte weniger vorfreudig als vielmehr ermüdet und genervt. Auch auf Twitter fragte man sich, was der ganze Unfug soll. Vielleicht diskutieren wir ja nächstens, ob das Wahlrecht für zarte Frauengemüter nicht ein bisschen zu viel sein könnte. Sind Mütter, die arbeiten gehen, eigentlich weiblich genug? Will Mann die dann noch?
Überhaupt wäre es doch mal wieder Zeit ein paar «Warum haben Frauen …» Witze hervorzukramen. Kleine Füsse, damit sie näher am Herd stehen, und schmale Finger, damit sie besser in den Ecken putzen können. Muahahaha, lustig. Nicht!
Aber man hätte es ahnen können. Ist ja nicht das erste Mal, dass die «Arena» mit bizarren Fragestellungen auffällt. Ob es nun 2016 «Herd oder Job – für Mütter oft eine schwierige Frage!» ist oder 2015 «Homo-Ehe, Homo-Adoption - brauchen wir das wirklich?». In beiden Fällen sind die Themen interessant und relevant, die Perspektive jedoch eine sehr vorgestrige. Was heisst hier «brauchen wir das wirklich»? Wer ist denn bitteschön «wir»? Wieso fragt sich dieses «wir» nicht, ob ihm seine Selbstgerechtigkeit gegenüber Schwulen und Lesben wirklich so gut zu Gesicht steht, wie es glaubt. Und warum beschäftigt sich dieses «wir» (ja, es ist definitiv dasselbe) nicht mal damit, wie man Care-Arbeit gesellschaftlich gerecht verteilen kann. Während anderswo längst die Care Revolution ausgerufen wird, will das SRF wissen, ob es eine gute Idee sein kann, aus konservativen «Weltwoche» Rollenklischees auszubrechen. So als wüsste man nicht, dass Pflege-, Erziehungs- und Hausarbeit an sich kein Geschlecht haben. Es sei denn natürlich, «wir» reden es herbei. So wie Anita Weyermann, die für alle verbindlich festlegen möchte, dass Kinder gefälligst nicht fremdbetreut werden sollten. Oder Philipp Gut, den seine Kolumne für «Ladies Drive» und seine Vorliebe für das Herleiten von Geschlechterrollen aus dem Tierreich laut Selbstaussage zum «Feministen» machen. So sehr mich Gleichstellungsthemen interessieren: Irgendwann wird’s mir dann doch zu doof. Zum Beispiel in der «Arena».
Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.