Interview mit der deutschen Journalistin und Buchautorin Birgit Kelle (38), überzeugte Vollzeitmutter.
wir eltern: Birgit Kelle, weshalb stehts heute um den Ruf der Hausfrau so schlecht?
Birgit Kelle: Leider haben gerade Frauen massiv daran gearbeitet, den Ruf von Vollzeitmüttern und Hausfrauen zu schädigen. Feministinnen wie Simone de Beauvoir oder Alice Schwarzer haben definiert, dass Frauen tun sollten, was die Männer tun. So hat sich die ganze Frauenbewegung darauf konzentriert, dass nur finanzielle Unabhängigkeit vom Mann und Erwerbstätigkeit wertgeschätzt wurden. Alles andere wurde als etwas Minderwertiges abgetan. Nun haben wir den Salat: Wir müssen zuerst klarmachen, dass Vollzeitmütter etwas sehr Wertvolles für unsere Gesellschaft tun. Und wir müssen uns zurückerobern, was wir schon mal hatten.
Die Feministin als Feindin der Mutter?
Zumindest vom Mütterstatus. Bei der französischen Feministin Elisabeth Badinter wird die Frau mit dem Muttersein zum Problemfall. Da wird das Kind zum Kollaborateur des Patriarchats, zum Helfer, der die Mutter ans Haus fesselt. Kinder hindern uns angeblich daran, was wir eigentlich sein könnten. Deshalb hat sich der Feminismus nie auf die Mütter konzentriert, sondern es war immer eine Bewegung weg vom Kind. Zum Glück bekommen aber viele Frauen immer noch gerne Kinder.
Sie haben ihre Karriere für ihre vier Kinder während zwölf Jahren unterbrochen. Wo haben Sie sich als Mutter Bestätigung geholt?
Bei meinem Mann, der schätzt, was ich leiste. Auch von den Kindern, die dankbar sind, dass ich für sie da bin. Es ist ein persönliches Glück, das man im Berufsleben nie erreichen kann. Das Problem ist aber, dass dieser Weg finanziell eine Katastrophe ist. Das Hausfrauendasein ist mit enormen Risiken verknüpft, die nicht selten in Altersarmut führen. Deswegen kämpfe ich dafür, dass nicht nur die Familie meine Arbeit schätzt, die Gesellschaft muss es ebenso tun.
Inwiefern?
Diese Frauen brauchen die Anerkennung, dass sie die nächste Generation von Steuer- und Rentenzahlern grosszieht, von denen letztendlich wir alle finanziell profitieren. Aber die Investitionskosten dafür bezahlen mein Mann und ich. Das ist einfach nicht fair. Ohne diese Kinder, die von Millionen von Frauen aufgezogen werden, wird unsere Generation keine Rente ausbezahlt bekommen. Es geht mir deshalb um mehr Gerechtigkeit zwischen Menschen mit und ohne Kinder.
Was ist mit den Kindern, die in Krippen betreut werden?
Da stelle ich mir natürlich die Frage, weshalb wir die staatliche Betreuung von Kindern so stark unterstützen, jedoch die private Erziehung von Kindern überhaupt nicht.
Als arbeitende Mutter ist man froh, wenn der Staat die Kosten für den Krippenplatz subventioniert. Sie haben ja als Vollzeitmutter keine anfallende Betreuungskosten.
Man darf nicht vergessen, dass bei unserem Modell ein ganzer Lohn ausfällt. Meistens derjenige der Mutter. Nur weil ich keinen Kita-Platz in Anspruch nehme, heisst das nicht, dass keine Kosten anfallen. Im Grunde genommen erspare ich dem Staat rund 1200 Euro pro Kind, wenn ich sie nicht staatlich betreuen lasse. Ich muss dieses Geld jedoch selber aufbringen. Das ist ja das Dilemma: Mit den Kindern fällt ein Gehalt weg, aber die Familienkosten steigen.
Wie können Sie sich dennoch leisten, zu Hause zu bleiben?
Wir müssen es uns leisten. Natürlich hätten wir mehr Sicherheit, wenn auch ich erwerbstätig wäre. Es ist eine schwierige Angelegenheit, mit einem Gehalt und vier Kindern über die Runden zu kommen. Wir machen viele Abstriche: Nur ein Auto, nur einmal Ferien pro Jahr, wir führen einen anderen Lebensstil als kinderlose Menschen.
Ihr Wunsch für die Zukunft?
Dass wir endlich aufhören mit dem Schubladendenken zwischen der berufstätigen Rabenmutter und dem blöden Heimchen am Herd. Ich kämpfe dafür, dass jeder gewählte Weg gleichwertig ist. Egal welcher. Und dass jeder Weg finanziell möglich gemacht wird. Erst dann haben wir endlich die Wahlfreiheit, von der wir zwar schon lange reden, aber von der wir noch meilenweit entfernt sind.
Birgit Heike Kelle ist deutsche Journalistin und Publizistin.