
Esther Michel
Burnout
«Endlich den Mama-Alarm abschalten»
Einen Job, zwei Kinder, für alles verantwortlich, und dauernd brennt es irgendwo: Simone brauchte dringend eine Auszeit und einen Plan, wie sie besser zur Ruhe kommt.
Esther Michel
Burnout
Von Manuela von Ah
Einen Job, zwei Kinder, für alles verantwortlich, und dauernd brennt es irgendwo: Simone brauchte dringend eine Auszeit und einen Plan, wie sie besser zur Ruhe kommt.
« Es begann nach den letzten Sommerferien. Ich fühlte mich danach überhaupt nicht erholt – im Gegenteil, ich war müder als zuvor. Dass meine heftigen Rückenschmerzen psychosomatischer Natur sein könnten, darauf kam ich gar nicht. Ich konnte auch kaum mehr schlafen, hatte schlimme Migräne-Episoden. Trotzdem arbeitete ich weiter als Hochschuldozentin. Daheim funktionierte ich. Doch irgendwann ging es nicht mehr: Ich hatte einen Zusammenbruch und wurde von meiner Hausärztin krankgeschrieben.
Im Rückblick erkenne ich, dass ich schon länger oft am Limit lief. Eigentlich, seit ich Mama geworden war. Mein Mann arbeitete damals als Gastrounternehmer im Schicht- und Wochenendbetrieb, immer mindestens 150 Prozent. Obwohl er mental stark ist, war auch er überlastet. Zu Hause trug ich fast die ganze Last allein. Unsere jüngere Tochter ist mit ihrer ADHS-Diagnose ein meinungsstarkes Kind, es gab Schwierigkeiten seit dem Schuleintritt. Die Ältere ist neurosensitiv, wie ich auch. Mit dem Druck von allen Seiten hatte ich zunehmend das Gefühl, dass es überall brennt. Oft wusste ich gar nicht, welches Feuer ich zuerst löschen soll.
Von Psycholog:innen nur Absagen
Nach der Krankschreibung rutschte ich zunächst noch tiefer ab, war appetitlos, kam morgens kaum aus dem Bett. Mein Mann verstand nicht wirklich, was mit mir los ist. Schliesslich hatte er nach einem Job-Wechsel geregelte Arbeitszeiten und wir teilten uns den Mental Load. Nun musste sich etwas bewegen. Ich schrieb über zehn Psycholog:innen an – ohne Erfolg. Ich bekam Absagen oder es gab monatelange Wartelisten. Als Notfall gilt offenbar nur, wer suizidal ist. Es wird einem immer gesagt, dass man sich Hilfe holen soll, wenn es nicht mehr geht und die unzähligen präventiven Angebote nutzen. Auf meiner Suche nach einer Anlaufstelle fühlte ich mich aber hilflos und alleingelassen. Ich wurde zunehmend wütend aufs System.
Erst auf der Akutambulanz der Universitären Psychiatrischen Klinik unseres Kantons fiel das erste Mal das Wort Erschöpfungsdepression. Doch eine Klinik kam für mich eher nicht infrage. Dort wäre ich von unzähligen anderen Menschen mit psychischen Problemen umgeben gewesen, was mich als hochsensible Person überfordert hätte. Als mir eine Freundin von ‹Hauszeit mit Herz› in Sursee erzählte – einem Angebot für Eltern zur Prävention von Burnout – sprach mich das sofort an. Sie hatten einen Platz frei, den ich sofort belegen durfte!
Endlich Zeit nur für mich
Für mich war es eine magische Zeit, ein Ort ohne Reizüberflutung und mit sehr wertschätzenden Begegnungen. Für zwei Wochen fühlte ich mich wie an einem Safe Place, an dem man sich um mich kümmerte. Ich wurde bekocht, hatte ein schönes Einzelzimmer, morgens und nachmittags Yoga, Körperarbeit, Massage und Coaching. Für mich in meinem überreizten Zustand war es ein heilsamer Ort. Ich konnte zur Ruhe kommen und zu mir zurückfinden.
Mir war bewusst, dass es schwierig für meine Familie war ohne mich. Aber ich wusste, dass ich nur als mental gesunde Mama eine gute Mama sein kann. Deshalb ging ich nicht nur für mich, sondern auch für meine Kinder in diese Auszeit. Und ich konnte darauf vertrauen, dass mein Mann und die Grosseltern meine Abwesenheit zu Hause grossartig überbrückten.
Ich bin auch nach dieser wertvollen Auszeit noch nicht aus der Erschöpfungsdepression heraus. Es ist ein langer Weg und braucht viel Geduld. Aber ich machte die wichtige Erfahrung, meinen Mama-Alarm zum ersten Mal überhaupt für zwei Wochen abzustellen und loszulassen. Ich erhielt im ‹Hauszeit mit Herz› Strategien und Werkzeuge an die Hand, um meine Resilienz zu stärken. Ich werde meine Selbstfürsorge nicht mehr aus den Augen verlieren. Wirbelt es mich wieder einmal durcheinander, meditiere ich, gehe spazieren oder tausche mich mit Freundinnen oder meinem Mann aus. Ich versuche, besser auf mich zu hören und schöne Momente in mich aufzusaugen. Ich mache jeden Tag Yoga, nehme die Alarmzeichen meines Körpers ernst und weiss jetzt, dass ich Puffer, viel Ruhe und Schlaf brauche. Zudem lerne ich, kompromissloser meine Grenzen und Pausen einzufordern und versuche, nicht mehr als einen Termin pro Tag wahrzunehmen. Und ich habe nach Monaten endlich eine Psychologin gefunden, bei der ich mich wohlfühle.»