Pipi ist ihre Mission. Therapeutin und Autorin Rita Messmer kämpft seit Jahren gegen zu langes Windel tragen bei kleinen Kindern. Und erst recht bei grossen.
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Rita Messmer ist Autorin, Therapeutin und Gründerin der Schule: «Der kleine Homo sapiens». Dort bildet sie Fachpersonen und Eltern unter anderem in «Hello Nappy» aus. In ihren Büchern «Ihr Baby kanns!» (2013) und «Der kleine Homo sapiens kanns!» (August 2018, beide Beltz-Verlag) schreibt sie über die Förderung von Selbstbewusstsein und Selbstständigkeit von Kindern, inklusive ausführlicher Anleitung zur Abhalte-Methode. Messmer ist Mutter von drei Kindern und lebt in der Nähe von Bern.
wir eltern:Rita Messmer, was haben Sie eigentlich gegen Windeln?
Rita Messmer: Gar nichts. Aber neulich habe ich Windeln für 13–15-Jährige entdeckt! Teenager! Das Leiden der Kinder muss man sich mal vorstellen.
Vielleicht sind sie krank.
Ach was, konditioniert. In ihrer sensiblen Phase, wenn das Baby bereit ist, sauber zu werden, werden die entsprechenden Signale nicht wahrgenommen. So als würde man gar nicht drauf achten, wenn sie weinen, weil sie Hunger haben. Ein Kind hat es für gewöhnlich nicht gern, in seinen eigenen Exkrementen zu liegen. Es zeigt, wann es sein Geschäft erledigen muss.
Wie?
Der Blick kehrt sich irgendwie nach innen. Schon Neugeborene geben Signale, die zeigen sich an der Mimik, der Gestik, wenn sie unruhig werden, leicht weinen. Aber fragen sie mal Mütter, die ihre Kinder gut beobachten. Sie sehen es ihrem Kind an, wann es muss.
Und dann?
Dann hält man es zum Beispiel über das Klo oder ein Plastikbecken beim Wickeltisch und gibt ihm ein akustisches Signal wie «psss». Auch das Öffnen des Wasserhahns ist eine gute Idee. Diesen Vorgang wiederholt man jedes Mal nach dem Aufwachen, beim Windelwechseln, bevor man aus dem Haus geht und vor dem Schlafenlegen. Später, wenn die Kinder sitzen können, kommen das Töpfchen oder die Toilette ins Spiel. Bester Zeitpunkt, um endgültig auf Windeln zu verzichten, ist der Sommer, wenn die Kinder wenig anhaben. Der Klogang wird zur Selbstverständlichkeit.
Oder eben nicht.
Oder eben nicht. Ich habe in meiner Praxis immer wieder Kinder, die sich vehement weigern, aufs Klo zu gehen. Beispielsweise einen 11-Jährigen, der nur loslassen kann, wenn er die vertraute Windel am Po spürt. Das gilt es gezielt anzugehen.
Aber wir erinnern uns noch an die rigide Reinlichkeitserziehung von früher.
Ja, da wurde mit Strafen und Drohen gearbeitet. Das will kein Mensch. Aber ich möchte Eltern ermuntern, zu versuchen, ihr Kind zu lesen und über seine Zeichen nicht einfach hinwegzugehen.
Und bei einem Ausflug in die Stadt?
Da darf ruhig mal eine Windel her. Das versteht ein Kind auch als Vorsichtsmassnahme. Nur sollte es nicht die Regel sein. Sinnvoller als die herkömmlichen Windeln sind Stoffwindeln oder Backups, also Mulltücher, die in Stoffwindeln gelegt werden. Da spürt das Kind wenigstens, dass es nass wird, für sein Gehirn ein wichtiges Signal. Erst ist es mehr Arbeit, längerfristig deutlich weniger. Und die Würde der Kinder bleibt erhalten.