Streaming
Wie kinderfreundlich sind Youtube, Netflix & Co.?
Wenn Eltern ihre Kinder Filme schauen lassen, nutzen sie immer öfter Streamingdienste. Wie unbedenklich sind diese? Was müssen Eltern wissen? Youtube, Netflix & Co. unter der Lupe.
Auf einer langen Fahrt in die Ferien, während eines Calls im Homeoffice, beim Kochen oder um zwischendurch einfach selbst mal Pause zu haben – ein grosser Teil der Eltern nutzt digitale Medien, um die Kinder zwischendurch zu beschäftigen. Was im Wartezimmer beim Arzt oder im Ferienrestaurant beim Blick auf die Tablets und Smartphones der jungen Nutzer auffällt: Häufig wird Youtube als digitaler Babysitter genutzt. Die Vorteile des Videoportals liegen auf der Hand. Es ist – eine Internetverbindung vorausgesetzt – überall verfügbar, kostenlos und bietet unzählige Inhalte. Bastelkurse, Ideen für die Freizeitgestaltung, Kinderlieder, Gutenachtgeschichten, Caillou und Peppa Wutz – das Angebot bei Youtube ist riesig, bunt und kreativ.
Youtube: für Kinder bedingt geeignet
Dennoch ist die Plattform für jüngere Zuschauer nur bedingt geeignet. Ein Grund ist genau diese Vielfalt. Knapp zwei Milliarden Menschen nutzen im Monat Youtube. Jede Minute werden rund 400 Stunden Videomaterial hochgeladen. Eine Kontrolle der
Inhalte durch Youtube ist nur schwer möglich. Neben den vielen tollen Beiträgen gibt es auch zahlreiche ungeeignete Inhalte, etwa Gewalt, politische Hetze und Lügen, Rassismus oder sexuelle Anspielungen.
Youtube hat zwar automatisierte Verfahren und Kontrolleure zum Entfernen solcher Inhalte. Zudem können Nutzer aus ihrer Sicht unangemessene Videos bei Youtube melden. Aber die Clips stehen erst einmal online. Und bei der riesigen Auswahl an Videos werden längst nicht alle erkannt.
Verstörende Fake-Zeichentrickfilme
Selbst wenn die Kids nur Peppa Wutz schauen, können sie auf inadäquate Beiträge stossen. Das liegt am Youtube-Algorithmus. Er schlägt Nutzern neue Clips vor, basierend auf den zuvor geschauten
Videos und Suchbegriffen.
Das Problem: Im Internet ist eine ganze Subkultur entstanden, die sich einen Spass daraus macht, diesen Algorithmus zu überlisten und veränderte Kinderinhalte hochzuladen. Darin trinken beliebte Zeichentrickcharaktere Bleichmittel, verbreiten hasserfüllte Botschaften oder werden vom Zahnarzt gequält.
Beleidigungen, Hass und viel Werbung
Neben solchen verstörenden Inhalten ist Youtube auch in anderer Hinsicht für jüngere Nutzer problematisch. Beleidigungen und Hass in den Kommentaren sind ein trauriger Bestandteil der Netzkultur. Zudem ist Werbung auf Youtube allgegenwärtig. Entweder ganz offensichtlich in Form von Werbeclips oder subtiler
durch Influencer, die in ihren Videos den jungen Zuschauern Games, Spielzeug, Getränke und andere Produkte schmackhaft machen wollen. Spätestens mit neun bis zehn Jahren äussern die Kids Wünsche, die bei näherem Nachfragen «Empfehlungen» ihres Lieblingsyoutubers sind. Kein Wunder, kommen diese doch sympathisch und locker rüber und reden zu ihrem Publikum wie zu einem guten Freund. Das schafft Authentizität und Vertrauen.
Philippe Wampfler, Lehrer und Experte für Neue Medien, sagt: «Youtube ist keine Plattform, die Kinder allein nutzen sollten. Die Breite an Inhalten ist schlicht zu gross. Es fehlt an Möglichkeiten, diese richtig einzuordnen, besonders auch kommerzielle Absichten.»
Für Kids, aber nicht kinderfreundlich
Seit 2017 existiert mit Youtube Kids ein spezielles Angebot für Kinder. Die App besitzt eine Reihe kindgerechter Funktionen wie etwa die Einschränkung der Suchfunktion, den Verzicht auf eine Kommentarfunktion und einen Timer für die Nutzungsdauer. Allerdings nutzt Youtube Kids Videos der grossen Bruder-Plattform. Wenn Anbieter ihr Video dort als «kinderfreundlich» kennzeichnen, können sie es auf Youtube Kids hochladen.
Philippe Wampfler hierzu: «Youtube Kids ist grundsätzlich einfach eine Möglichkeit, Videos so zu sortieren, dass auf Kinder ausgerichtete Inhalte von anderen getrennt werden können. Was für Kinder bestimmt ist, entscheiden aber die Personen, die ein Video hochladen. Entsprechend ist diese Trennung unsauber und teilweise auch missbräuchlich.» Trotz Filtersystemen und Kontrollen besteht hier für Kinder ebenfalls die Gefahr von unangemessenen Inhalten. Die oben genannten Beispiele der veränderten Kinderserien und -figuren finden sich auch auf Youtube Kids.
Eltern sollten mitgucken
Deshalb sollten Eltern sowohl hier als auch beim Original Youtube gemeinsam mit ihren Kindern die Inhalte anschauen, im Idealfall zuvor schon einmal allein, um während des Clips keine unangenehmen Überraschungen zu erleben. Philippe Wampfler teilt diese Einschätzung: «Werden Kinder begleitet, halte ich die Gefährdung für klein.»
Mehr Sicherheit bei Streamingdiensten
Andere potenzielle digitale Lückenfüller sind die verschiedenen Streamingdienste wie etwa Netflix und Amazon Prime. Ihnen mangelt es zwar an der kreativen Vielfalt von Youtube. Dafür verfügen sie über eine riesige Bibliothek mit Serien und Filmen für alle Altersklassen – darunter auch bei den jüngsten Zuschauern beliebte Formate wie Trotro, Mascha und der Bär sowie Peppa Wutz. Anders als bei Youtube bestimmen nicht die Nutzer, sondern der jeweilige Streamingdienstanbieter das Programm. Der Vorteil: Der Anbieter hat die komplette Kontrolle über sein
Programm und der Zuschauer muss nicht mit bösen Überraschungen rechnen.
Eingebauter Kinderschutz
Zudem bieten Streamingdienste einen eingebauten Kinderschutz an. Bei den meisten können Familien individuelle Profile anlegen. Da die Inhalte mit einer Alterskennzeichnung klassifiziert sind, legen die Eltern fest, was ihre Kinder sehen dürfen.
Damit sie nicht versehentlich – oder vielleicht mutwillig – das Profil der Eltern nutzen, lässt sich dieses mit einem PIN-Code absichern. Philippe Wampfler sagt über Streamingdienste: «Hier passen die Altersangaben zu den Kindern, weil die Programme kuratiert werden. Ein Kinderprofil auf einer Streamingseite ist – anders als Youtube Kids – ungefährlich.»
Ein weiterer Vorteil ist die Werbefreiheit – wenngleich es Ausnahmen gibt. Amazon prime sendet vor jedem Film beziehungsweise jeder Serienfolge einen Werbeclip, und Produktplatzierungen sind vor allem bei Eigenproduktionen heutzutage der Standard.
Videoportale speziell für Kids
Noch besser geeignet für Kinder sind speziell auf sie ausgerichtete Online-Videoportale wie beispielsweise Kividoo. Hier stehen Eltern zahlreiche individuelle Einstellungsmöglichkeiten für die Kinderprofile zur Verfügung. Im Angebot sind ausschliesslich kindgerechte Serien, Filme und Hörspiele – sowohl beliebte Klassiker als auch neue Formate und Wissenssendungen. Nachteil: Bei Kividoo fehlen die Disney-Filme. Die gibt es wiederum beim Streamingdienstanbieter Disney+, dafür allerdings nur diese.
Wofür man sich letztendlich entscheidet, hängt auch vom persönlichen Geschmack ab. Alle Streamingdienstanbieter haben jedoch gemeinsam, dass man Inhalte auf mobile Geräte herunterladen und offline schauen kann. Das schont den Smartphone-
Tarif, wenn man etwa im Ausland Richtung Ferienziel
unterwegs ist.
Empfehlenswerte Youtube-Kanäle für Kinder und Eltern
SRF Kids
♦ Youtube-Kanal des SRF speziell für Kinder
♦ Wissen und Nachrichten
♦ Keine Kommentarfunktion
♦ Keine automatische Weiterleitung
KiKa
♦ Kinderkanal von ARD und ZDF
♦ Wissen, Serien, Live-Lesungen
♦ Keine Kommentarfunktion
Basteln mit Papier
♦ Pfiffige Bastelideen mit Papier für jede Jahreszeit und jeden Anlass
Sesamstrasse
♦ Der Klassiker mit Ernie & Bert
♦ Keine Kommentarfunktion
Lehrerschmidt
♦ Lehrer Kai Schmidt erklärt mit einfachen Worten und
anhand anschaulicher Beispiele die Mathematik
♦ Eltern und Kinder können in der Kommentarfunktion
Fragen stellen
Ausgewählte Streamingdienste im Vergleich
Amazon Prime
♦ Sehr grosses Angebot für Kinder und Eltern
♦ Keine Profile
♦ Zugriff kann mit einer PIN und einer festgelegten
Altersgrenze beschränkt werden
♦ Die optionale Mitgliedschaft AmazonKids+ mit
Zugriff auf eine Vielzahl an Büchern, Hörspielen und
Videos ist in der Schweiz (noch) nicht verfügbar
♦ Ca. Fr. 6.40.– monatlich
Netflix
♦ Sehr grosses Angebot für Kinder und Eltern
♦ Für jeden Nutzer ein Profil mit einer individuellen
Altersbeschränkung möglich
♦ Ab Fr. 11.90.– monatlich
Disney+
♦ Grosses Familienangebot
♦ Fast ausschliesslich
Disney-Produktionen
♦ Individuelle Profile möglich, auch ein Kinderprofil
♦ Ab Fr. 9.90.– monatlich
Youtube/Youtube Kids
♦ Riesiges Angebot
♦ Youtube offiziell erst ab 13 Jahren
♦ Viele für Kinder ungeeignete Inhalte
♦ Werbung
♦ Kommentarfunktion
♦ Eingeschränkter Modus bietet keinen ganzheitlichen
Schutz
♦ Durch automatisierte Auswahl ist Youtube Kids
auch nicht komplett kindgerecht
♦ kostenlos
Kividoo
♦ Sehr grosses Angebot ausschliesslich für Kinder,
aber wenige Filme
♦ Feinstufige Alterskennzeichnung
♦ Umfangreiche Kontrollfunktionen wie Watchlist,
Blacklist und Zeiteinstellung
♦ Ca. Fr. 8.50.– monatlich
♦ Wird gemäss Presseberichten demnächst eingestellt
Stand 11/2020