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Wenn alle sich trennen, nur ihr nicht
zvg
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Vor einigen Jahren stand ich nach einem ziemlich überstürzten Umzug nach Süddeutschland auf dem weitläufigen Gelände einer Kita und liess mir alles zeigen: Seilbahn, Klettergerüst, Schaukeln und Fuhrpark – keine Frage, die hatten tolle Sachen. Nur die Kinder wirkten, als hielten sie sich in einem Museum auf und würden ständig ermahnt, still zu sein. Während mir die Kitaleiterin noch dies und das erzählte, brach plötzlich ein kleines Mädchen brüllend aus einem Gebüsch und rannte zu einem Holzpfahl. Offenbar hatte man sie beim Versteckspielen nicht entdeckt und sich zu weit vom Anschlagpunkt entfernt. Sie war von oben bis unten mit Schlamm bedeckt und ein paar Minuten später kroch sie auf allen Vieren in einen Blätterhaufen – ihr nächstes Versteck.
«Die Eltern dazu muss ich dringend kennen lernen» dachte ich grinsend und das tat ich später auch. Wir freundeten uns an. Und obwohl ich die beiden und ihre Kinder sehr mochte, war da immer etwas Irritierendes, etwas Reserviertes, ja fast Bedrohliches. Erst sehr viel später sollte ich dahinter kommen: Es war ein in Auflösung begriffenes Paar.
Und so passiert es immer wieder. Je länger die Liebste und ich liiert sind, umso mehr Paare in unserem Umfeld trennen sich. Das ist schon ohne Kinder blöd genug. Menschen, die einem viel bedeuten, müssen leiden und niemand weiss so recht, wie mit der Situation umzugehen ist. Kontakte werden abgebrochen, Freundschaften zerfallen. Mit Kindern ist das noch mal fieser. Die wollen nur weiter miteinander befreundet bleiben. Aber so einfach ist das nicht. Wenn ein Paar sich trennt, wird dabei oft ein ganzes Netz an Beziehungen zerschnitten. Auch zu den Schwiegereltern, mit denen man sich immer gut verstanden hat. Oder zu dem wortkargen Typen, der seiner Frau zwar die Pflege der Sozialkontakte überlassen hat, aber bei Treffen immer supernett, witzig und entspannt war. Hat der überhaupt ein Telefon? Und deren Kinder erst. Wie zum Teufel sollen wir das hinbekommen?!
Meistens gar nicht. Ich würde lügen, wenn ich behauptete, ich wäre nicht immer auch froh, dass es mich/uns (noch) nicht erwischt hat. Tatsächlich bin ich aber vor allem traurig, macht- und ratlos. Vielleicht fühlt man sich beim ersten Mal noch überlegen, wähnt sich in einer besseren Beziehung und glaubt, mehr von der Liebe zu verstehen. Doch schliesslich und endlich holt einen die Gewissheit ein, dass jede, wirklich jede Beziehung scheitern kann, und oftmals nichts zu retten ist. Auch Kinderfreundschaften nicht.
Scheisse.
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Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.